Bewerben ohne Erfahrung:So bekommen Berufsanfänger ihren Traumjob

Einen richtig guten Job gibt es nur mit ein paar Jahren Berufserfahrung - doch gerade daran hapert es bei jungen Hochschul-Absolventen. Doch nicht immer zählen nur die formellen Kriterien.

Annette Schramm hat alles richtig gemacht: Praktika, Projekte und Ehrenämter neben dem Studium. Trotzdem hatte sie nach der Uni Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Schramm hat an der TU-Dresden Politik und Kommunikationswissenschaft studiert. "Ich habe über 40 Bewerbungen geschrieben und drei Einladungen zu einem Bewerbungsgespräch erhalten." Eine Zusage für eine Stelle war nicht dabei.

Ein Grund für die Absagen: die fehlende Berufserfahrung. "Keine Berufserfahrung ist ein Totschlagargument", sagt Jürgen Hesse, Karriereberater und Buchautor in Berlin. Um dennoch an den Job zu kommen, sollten Absolventen selbstbewusst auf diese Anforderung reagieren. "Praktika, Uni-Projekte oder ein ehrenamtliches Engagement sind auch eine Art von Berufserfahrung."

Bewerber müssten genau schauen, welche Fähigkeiten sie schon im Studium erworben haben - und diese dann offensiv verkaufen. Wichtig sei, in der Bewerbung einen persönlichen Bezug zu der Stelle herzustellen und zu zeigen: "Ich habe mich mit diesem Thema beschäftigt und traue mir das zu."

Viele Absolventen haben im Studium die kompliziertesten Aufgaben bewältigt. Ein Unternehmen von den eigenen Fähigkeiten überzeugen können sie jedoch nicht. "Darin sind viele Absolventen noch blutige Anfänger." Damit die fehlende Berufserfahrung nicht zum Fallstrick wird, hilft auch folgende Strategie: Bewerber sollten nicht den Umweg über die Personalabteilung gehen, sondern sich nach Möglichkeit direkt an den Chef wenden.

"Personaler sind wie Schäferhunde, die die Herde bewachen", sagt Hesse. "Ein neues Schäfchen sollte unbedingt versuchen, direkt zum Schäfer vorzudringen." Denn die Berufserfahrung sei in der Personalabteilung oft ein formales Kriterium. Haben Berufseinsteiger sie nicht, werden sie gleich aussortiert.

Der Chef könne von diesem formalen Kriterium auch einmal absehen. Nicht jeder Uni-Absolvent hat wegen mangelnder Berufserfahrung gleich große Schwierigkeiten. "Wie schnell der Berufseinstieg gelingt, hängt natürlich immer vom Fach ab", sagt Professor Gerhard Blickle von der Universität Bonn. Während Ingenieure oder Naturwissenschaftler oft sofort einen Job finden, sollten Geisteswissenschaftler mit einer "Sucharbeitslosigkeit" von einem halben Jahr rechnen.

Nichts geht über Kontakte

Wichtig sei, sich davon nicht verunsichern zu lassen: "Man ist kein Loser, weil man ein halbes Jahr nichts findet." Mangelnde Berufserfahrung mit einem Praktikum nach dem Studienabschluss nachzuholen, hält Prof. Blickle nicht für sinnvoll. Das geht nur, wenn das Praktikum gut begründet werden kann - etwa, weil es bei einem namhaften Arbeitgeber gemacht wird. "Man darf sich nicht leichtfertig zum Dauerpraktikanten machen", sagt auch Karriereberater Hesse. Aber er findet auch, dass eine Hospitanz besser sei, als nur zu Hause zu sitzen und Bewerbungen zu schreiben. Außerdem biete ein Praktikum die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen.

Uni-Abgängerin Schramm machte nach der Abgabe ihrer Magisterarbeit noch ein Auslandspraktikum in China. Es folgte ein Stipendium der EU, das mit einem weiteren bezahlten Praktikum verbunden war. Bis zur ersten festen Stelle dauerte es fast zwei Jahre: "Solange habe ich mich mit teilweise prekären Jobs über Wasser gehalten." Das sei den meisten ihrer Freunde so ergangen, berichtet Schramm. "Irgendwann geht einem das Vagabundenleben auf den Geist und man sehnt sich nach einer Perspektive."

"Festanstellungen direkt nach dem Studium sind seltener geworden", stellt Karl-Heinz Minks, Absolventenforscher beim Hochschul-Informations-System (HIS) in Hannover, fest. Selbst bei Ingenieuren und Wirtschaftswissenschaftlern habe die private Wirtschaft mittlerweile die Vorteile von Zeitverträgen und Leiharbeit entdeckt. Das sei aber meistens nur vorübergehend: "Nach fünf Jahren beginnt die Konsolidierungsphase, spätestens nach zehn Jahren haben eigentlich alle Hochschulabsolventen eine unbefristete Festanstellung."

Anders als bei Geringqualifizierten sei die Leiharbeit bei Akademikern auch nicht mit Lohndumping verbunden. "Für Absolventen kann es anfangs durchaus interessant sein, auf diese Weise Erfahrungen in verschiedenen Firmen zu sammeln", sagt Minks.

Eine gute Gelegenheit, mangelnde Berufserfahrung auszugleichen, sei auch die Bachelor- oder Masterarbeit. Bei der Abschlussarbeit sollten Studenten sich fragen: "Kann ich mir durch das Thema eine spezielle Zusatzqualifikation verschaffen." Eine andere Möglichkeit sind Studentenjobs mit Praxisbezug. "Man sollte nicht kellnern, sondern sich lieber mit einer fachnahen Tätigkeit, etwa als Werksstudent oder Hilfswissenschaftler, etwas dazuverdienen", sagt Absolventenforscher Minks.

Die wichtigste Einstiegshilfe bei fehlender Berufserfahrung bleiben jedoch Kontakte: "Jede vierte Stelle wird intern vergeben." Daher solle man möglichst vielen von der Arbeitssuche erzählen. Annette Schramm kam schließlich auf Umwegen zur Festanstellung. "Mein späterer Arbeitgeber hat meinen Blog gelesen und mich daraufhin angeschrieben", erinnert sie sich. "In meinem Twitter-Profil stand damals noch: ewige Praktikantin." Das ist nun seit zwei Jahren Geschichte.

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