Bevorzugung jüngerer Arbeitnehmer:Zweifel an Altersgrenzen

Niemand darf wegen seines Alters diskriminiert werden - auch Geschäftsführer und Vorstände nicht. Das haben Deutschlands höchste Richter bestätigt. Das Urteil könnte für Spitzenmanager in Konzernen massive Auswirkungen haben.

Daniela Kuhr

Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Altersdiskriminierung eines Geschäftsführers hat eine kontroverse Diskussion unter Juristen ausgelöst. Während die einen die Folgen für begrenzt halten, meinen andere, dass es gerade für Spitzenmanager in Konzernen massive Auswirkungen haben könnte. Es sei fraglich, ob die in vielen großen Aktiengesellschaften übliche Regelung, dass Vorstände mit 60 ausscheiden sollten, überhaupt noch zulässig ist, sagt Gregor Thüsing, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Bonn.

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Egal ob Arbeitnehmer oder Vorstand: Niemand darf wegen seines Alters diskriminiert werden.

(Foto: dpa)

Der Fall, mit dem sich der Bundesgerichtshof am Montag befasst hat, war bemerkenswert. Normalerweise, wenn es um Diskriminierung geht, stehen sich zwei Parteien gegenüber, zwischen denen es ein deutliches Machtgefälle gibt. Da ist auf der einen Seite der Schwache, der diskriminiert wurde, und auf der anderen Seite der Starke, der diskriminiert hat. In den meisten Urteilen, die die Gerichte seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) 2006 gefällt haben, ging es um Arbeitnehmer, die sich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer Behinderung oder ihrer Herkunft benachteiligt fühlten.

In diesem Fall aber, der am Montag den BGH beschäftigte, hatte kein normaler Angestellter geklagt, sondern einer, der ganz oben steht: der frühere Geschäftsführer der Kölner Kliniken. Auch er hatte sich diskriminiert gefühlt, und zwar wegen seines Alters. Sein Fünf-Jahresvertrag sollte nach Ablauf nicht verlängert werden.

Grund war - wie der Aufsichtsrat der Kliniken offen kommunizierte -, dass der Mann bereits 62 war und damit die Kontinuität gefährdet sei. Zudem würde ein weiterer Fünf-Jahres-Vertrag dem Ziel widersprechen, nach dem die Stadt bei Leitungsämtern eine Altersgrenze von 65 Jahren anstrebt. Die Stelle wurde stattdessen mit einem 41-Jährigen besetzt.

Genau wie die Vorinstanz sah auch der BGH darin ein Indiz für eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Wäre der Mann bereits 65 gewesen, wäre das vermutlich anders gewesen. Diese Altersgrenze haben die Gerichte bislang als zulässig erachtet, da eine Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass auch Jüngere Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Doch alles, was darunter liegt, ist erklärungsbedürftig.

110.000 Euro Schmerzensgeld gefordert

Gelingt es also der Klinik-GmbH nicht, zu beweisen, dass sie andere Gründe als das Alter hatte, steht dem Kläger Schadenersatz zu, und zwar auch immaterieller, also Schmerzensgeld. Die konkrete Höhe muss das Oberlandesgericht nun erneut ermitteln. Der Kläger hatte 110.000 Euro gefordert.

Vor allem dieser Punkt dürfte nach Ansicht von Christian Hoefs, Partner bei der Kanzlei Hengeler Mueller, spannend werden. "Bislang sprechen die Gerichte in Deutschland ja vergleichsweise wenig Geld für immaterielle Schäden zu. Doch der Europäische Gerichtshof hat schon früher festgestellt, dass Entschädigungen eine abschreckende Wirkung haben müssen, von daher könnte hier durchaus auch eine höhere Summe als bislang üblich zugesprochen werden."

Die Tatsache, dass auch Geschäftsführer vom AGG geschützt werden, hat Hoefs nicht überrascht. Im Gesetz heißt es ausdrücklich: "Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft" gälten die Regeln auch für Selbständige, Geschäftsführer und Vorstände.

Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof nun erstmals bestätigt und zugleich klargestellt, dass er auch greift, wenn es nur um die Verlängerung eines Vertrags geht", sagt Nicole Engesser Means, Partnerin der Kanzlei Clifford Chance. Das Urteil bedeute jedoch keineswegs, dass Unternehmen sich nicht mehr von Vorständen trennen könnten. "Ist der Aufsichtsrat mit der Leistung unzufrieden, kann natürlich auch in Zukunft von einer Verlängerung des Vertrags abgesehen werden." Probleme gebe es nur in solchen Fällen, wo die nicht erfolgte Verlängerung - wie jetzt in dem BGH-Fall - mit dem Alter begründet werde.

Doch eben das sei nicht so selten der Fall, sagt der Bonner Arbeitsrechtler Thüsing und verweist auf den Corporate Governance Kodex, der Regeln für gute Unternehmensführung aufstellt. "Darin wird explizit empfohlen, eine Altersgrenze für Vorstände festzulegen", sagt Thüsing. "Bei einer ganzen Reihe von Unternehmen liegt diese Grenze beispielsweise bei 60 Jahren." Ob das so bleiben könne, sei fraglich, meint er. "Da wird man die schriftliche Urteilsbegründung des BGH abwarten und dann genau prüfen müssen, ob eine solche generelle Altersbegrenzung, die völlig unabhängig von der persönlichen Leistung greifen soll, überhaupt noch zulässig ist."

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