Betriebsrente:Wenn der Chef vorsorgt

Ob sich die betriebliche Altervorsorge für den Mitarbeiter lohnt, hängt vor allem davon ab, wie viel der Arbeitgeber beisteuert. Wer den Job wechselt, zahlt meistens drauf.

Von Thomas Öchsner

"Wer Rentner quält, wird nicht gewählt" - mit diesem Slogan zogen vorige Woche 150 Demonstranten einer neuen Interessengemeinschaft durchs Berliner Regierungsviertel. Sie nennen sich "Deutschlands betrogene Rentner" und protestieren dagegen, dass sie von ihrer zusätzlichen Altersversorgung die vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen bekommen. Sie haben vorgesorgt - und ärgern sich jetzt. Viele jüngere Arbeitnehmer überlegen sich dagegen gerade, ob sie etwas für eine spätere Betriebsrente tun sollen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie viele Arbeitnehmer sorgen über ihren Arbeitgeber fürs Alter vor?

Knapp 18 Millionen Beschäftigte verfügen über eine betriebliche Altersvorsorge. Vor allem in großen Unternehmen ist dies verbreitet. Etwa 40 Prozent bauen aber überhaupt keine Betriebsrente auf. In Firmen mit weniger als zehn Beschäftigten nutzen sogar nur 30 Prozent der Mitarbeiter diese Möglichkeit, um neben der gesetzlichen Rente eine zweite Einkommensquelle im Ruhestand zu haben.

Wer geht bei der Betriebsrente leer aus?

Knapp die Hälfte der Geringverdiener mit einem Bruttomonatseinkommen von bis zu 1500 Euro stecken weder Geld in eine staatliche geförderte Riester-Rente noch in eine betriebliche Altersvorsorge. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen.

Woran liegt das?

Bei Beschäftigten im Niedriglohn-Bereich reicht das Gehalt oft nur gerade so für den Lebensunterhalt. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Gruppe für Vertreter von Versicherungen als Kunden wenig attraktiv sind, weil ihre Beiträge meist niedrig sind. Ausgerechnet diejenigen mit dem höchsten Risiko, im Alter arm zu sein, tun also am wenigsten für die Vorsorge. Dies spiegelt sich in Zahlen des Statistischen Bundesamtes wider: Danach geben Beschäftigte in der Gastronomie im Durchschnitt gerade einmal 59 Euro - jährlich - für die betriebliche Altersvorsorge (BAV) aus. In der Finanzbranche waren es 1115 Euro.

Wie funktioniert die Rente vom Betrieb?

Ob Kellnerin oder Bürokaufmann - jeder Arbeitnehmer hat seit 2002 ein Recht auf eine Betriebsrente. Ein Angebot müssen die Arbeitgeber für ihre Beschäftigten bereithalten. Wie sie dies tun, bleibt ihnen überlassen: Es gibt fünf verschiedene Wege und immer noch Unternehmen, die ihren Mitarbeitern eine Betriebsrente mit einer sogenannten Direktzusage finanzieren. Die Neigung, dafür Geld aus der Firmenkasse zurückzulegen, schwindet aber seit Jahren. Sehr beliebt sind Direktversicherungen (siehe hier) mit 7,6 Millionen Verträgen und die "Entgeltumwandlung". Dabei wird ein Teil des Lohns nicht bar ausgezahlt, sondern in Ansprüche auf eine spätere Zusatzrente umgewandelt, wenn dies der Mitarbeiter wünscht.

Wie hilft der Staat dabei nach?

Derzeit dürfen Arbeitnehmer im Westen bis zu 2904 Euro jährlich steuer- und sozialversicherungsfrei von ihrem Bruttogehalt in eine BAV anlegen. Das sind vier Prozent der Bemessungsgrenze für die Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung. 1800 Euro lassen sich zusätzlich einzahlen, wenn der Arbeitnehmer vor 2005 keinen Vertrag abgeschlossen hat. Dann fallen auf die 1800 Euro keine Steuern und nur Sozialabgaben an.

Vorteile, Nachteile und was Verbraucherschützer raten

Was können weitere Vorteile sein?

Im Idealfall sind die Kosten deutlich geringer als bei der Riester-Rente, weil der Arbeitgeber einen Mengenrabatt vom Anbieter bekommt. "Abschlusskosten sollen entfallen - oder wenigstens gering sein", heißt es bei der Stiftung Warentest. Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, warnt aber: "Wenn die Kosten ein bis drei Prozentpunkte der Rendite aufzehren, bleibt bei der heutigen Niedrigzinsphase auf lange Sicht für den Sparer nicht viel übrig."

Welche Nachteile gibt es?

Wer Teilbeiträge seines Gehalts in den Aufbau einer Betriebsrente steckt, spart in der Einzahlungsphase unter anderem die Beiträge in die Rentenversicherung. Entsprechend niedriger fällt dadurch aber die gesetzliche Rente aus, zumal auch die jeweiligen Beiträge des Arbeitgebers weggefallen sind. Hinzu kommt: Wird die Betriebsrente im Rentenalter ausgezahlt, müssen gesetzlich Krankenversicherte darauf die vollen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Von 300 Euro Betriebsrente im Monat gehen also schon mal knapp 18 Prozent oder gut 50 Euro weg. Auch greift das Finanzamt bei Betriebsrenten seit 2005 stärker zu. Von 2040 an sind sie voll zu versteuern. Außerdem ist der Arbeitnehmer festgelegt: "Das Geld steht dann nicht für einen Immobilienkauf zur Verfügung", sagt Nauhauser.

Was raten Verbraucherschützer?

Ob sich die BAV unterm Strich lohnt, hängt deshalb stark davon ab, was der Arbeitgeber beisteuert. Nauhausers Faustregel lautet: "Ist sein Zuschuss deutlich höher als seine Ersparnis bei den Sozialabgaben in Höhe von rund 20 Prozent, lohnt sich das meist für den Arbeitnehmer." Gibt er weniger weiter oder steuert gar nichts dazu bei, rät der Finanzexperte meist von dieser Form der Vorsorge ab. Die Stiftung Warentest gibt den Zusatztipp: "Die garantierte Rente soll höher sein als bei einem privaten Angebot mit gleichem Betrag und gleicher Laufzeit."

Lassen sich Betriebsrenten vom alten zum neuen Arbeitgeber übertragen?

Das kann schwierig werden. Der neue Arbeitgeber muss bestimmte Verträge nicht fortführen. Wird Arbeitnehmern ein neuer Vertrag untergejubelt, entstehen womöglich neue Abschlusskosten, was wiederum an der Rendite zehrt.

Was soll sich ändern?

Arbeitsministerin Andrea Nahles will die BAV vor allem in kleinen und mittleren Betrieben mit überbetrieblichen Pensionskassen attraktiver machen. Die SPD-Politikerin wünscht sich auch, dass die betriebliche Altersvorsorge stärker in Tarifverträgen verankert wird. Die finanziellen Nachteile in der Auszahlungsphase werden aber sicherlich unangetastet bleiben - die Krankenkassen wollen und können auf die Milliardeneinnahmen nicht verzichten.

Worüber wird noch diskutiert?

In anderen Ländern hat sich das Modell des sanften Zwangs bewährt: Jeder Arbeitnehmer wird automatisch zusätzlich über den Arbeitgeber abgesichert, es sei denn, sie oder er entscheidet sich ausdrücklich dagegen. In den USA klappt dies gut. Nur zehn Prozent der Beschäftigten verzichten dann auf die zusätzliche Altersvorsorge. Solche Modelle sind allerdings umstritten: DGB-Chef Reiner Hoffmann sagt: "Bei der Betriebsrente brauchen wir eine Verpflichtung." Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer will keine "staatlichen Zwangslösungen".

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