Betriebsklima:Das Idioten-Syndrom

Ein Interview über Fieslinge am Arbeitsplatz und darüber, wie man mit ihnen umgeht.

Arbeit könnte so schön sein, wenn nur die Kollegen oder Chefs nicht wären. Wie man mit menschlichen Monstern am Arbeitsplatz umgeht oder - noch besser - ihre Einstellung verhindert, verrät Robert Sutton. Der Management-Professor und Vordenker an der kalifornischen Stanford University hat zum Thema auch ein Buch mit dem prägnanten Titel "Der Arschloch-Faktor" (Hanser Verlag) geschrieben.

Betriebsklima: Unsympathen verraten sich irgendwann, meint Sutton - spätestens in Stresssituationen.

Unsympathen verraten sich irgendwann, meint Sutton - spätestens in Stresssituationen.

(Foto: Foto: iStockphoto)

SZ: Wie erkennt man frühzeitig, am besten gleich im Vorstellungsgespräch, ob man einen Idioten vor sich hat, der das Betriebsklima ruinieren wird?

Sutton: Wie jemand wirklich ist, erkennt man daran, wie er Rezeptionisten, Boten oder Putzpersonal behandelt.

SZ: Allerdings kann man nicht vor jedem Jobinterview eine Begegnung mit der Putzfrau organisieren, um das Grüßverhalten des Kandidaten zu testen.

Sutton: Natürlich ist es nicht einfach, einen Idioten frühzeitig zu entdecken, aber oft zeigt sich der wahre Charakter eben schon bei Kleinigkeiten. Mir ist der Fall einer Firma aus der Provinz bekannt, die Bewerber für einen hochrangigen Managerposten einlud. Einer der Männer sollte für eine Nacht in einem Raucherzimmer untergebracht werden, weil es keine Nichtraucherräume mehr gab, und bekam fast einen Tobsuchtsanfall. Die Geschäftsleitung hörte davon, und schon war er aus dem Rennen. Verdächtig sind auch Leute, die bei Erfolgen immer nur von sich sprechen, in deren Vokabular das Wort "wir" nicht vorkommt. Deutlich tritt die wahre Persönlichkeit auch in Stresssituationen zu Tage.

SZ: Dann hat man die Person aber schon im Unternehmen?

Sutton: In Deutschland haben Sie doch diese lange Probezeit.

SZ: In Ihrem Buch nennen Sie zum Beispiel den Hollywood-Produzenten Scott Rudin, der in drei Jahren 250 Assistenten verschlissen haben soll. Warum halten sich Brutalos in Führungspositionen oft so lange? Es ist doch bewiesen, dass sie zum Teil horrende Kosten verursachen.

Sutton: In den USA gilt ein Gewinner alles. Er kann noch so ein Idiot sein, Hauptsache, die Zahlen stimmen oder sein Footballteam heimst Erfolge ein. Oft ist es auch gar nicht so leicht, ein Ungeheuer zu erkennen, da viele nach oben schleimen und nach unten treten. Auch die von ihnen verursachten Kosten durch Krankmeldungen, Kündigungen oder Neueinstellungen sind nur schwer zu beziffern. Leider geht es sehr schnell, dass sich jemand in einen Idioten verwandelt. Zahlreiche Studien haben immer wieder belegt, dass bereits ein bisschen Macht ausreicht, um jemanden zu verändern.

SZ: Wie verhindert man, dass man selbst zum Idioten wird, wenn man im Job von solchen Leuten umgeben ist?

Sutton: Leider ist das Idioten-Syndrom so ansteckend wie eine Grippe. Am besten wäre es natürlich zu kündigen.

SZ: Nicht jeder kann gleich die Arbeitsstelle wechseln.

Sutton: Versuchen Sie, sich vom Job und den Leuten zu distanzieren. Dieser Rat widerspricht zwar den gängigen Management-Ratgebern, doch ich bin fest davon überzeugt: Wer im Job mies behandelt wird, sollte dort nicht mehr seine ganze Energie investieren. Reduzieren Sie Meetings auf ein Minimum. Suchen Sie nach Möglichkeiten, wie Sie kleine Siege erringen können, denn die stärken das Ego ungemein. Um einen Idioten zu Fall zu bringen, müssen all seine Fehltaten lückenlos dokumentiert werden.

Eine mir bekannte Regierungsmitarbeiterin und ihre Kollegen wurden ständig von ihrer Chefin durch herablassende und diskriminierende Bemerkungen beleidigt. Als sie eine Beschwerde einreichten, hieß es nur: Ja, wir wissen das, aber wir haben nichts gegen sie in der Hand. Also notierten die Mitarbeiter alle Bösartigkeiten minutiös in sogenannten "asshole diaries" und legten das Tagebuch nach einer Weile der Personalabteilung vor. Bald stand das Büro der Chefin leer.

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