Süddeutsche Zeitung

Weihnachtsfeier im Betrieb:Prost, Chef

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Nirgendwo lernt man seine Kollegen besser kennen, als auf der Weihnachtsfeier. Wer trinkt am meisten? Und wie schlägt sich der Praktikant? Eine Typologie.

Von Julian Erbersdobler und Stefan Dimitrov (Illustrationen)

Auch der große Oliver Kahn hat sie schon erlebt, eine Weihnachtsfeier mit Folgen. 2007 kam es zum Eklat, als der damalige Kapitän die Feier seines FC Bayern frühzeitig verließ. Seine Begründung: Er müsse sich um seine Tochter kümmern. Zwei Stunden später allerdings wurde er in einem Restaurant mit einer Frau gesehen, die nicht seine Tochter war - sondern Verena Kerth, seine damalige Freundin. Am Ende musste Kahn 25 000 Euro Strafe zahlen. Blöd gelaufen. Nun ist natürlich nicht gleich jede Firma der FC Bayern und jeder Mitarbeiter Oliver Kahn. Aber auch auf anderen Weihnachtsfeiern passieren Dinge, die in Erinnerung bleiben.

Reichlich Anschauungsmaterial dafür bietet die Plattform Reddit. Hier tragen Menschen zusammen, was ihnen bei Betriebsfeiern widerfahren ist. Da schreibt zum Beispiel ein User, dass er mal mit dem Korken einer Champagnerflasche eine Kellnerin im Auge getroffen hat. Ein Versehen. Aber weil er schon etwas viel Wein getrunken hatte, entschuldigte er sich nicht bei ihr, sondern lachte laut los und freute sich, wie großartig und perfekt der Schuss war. Damit auch Sie sich schon auf die diesjährige Betriebs-Weihnachtsfeier einstimmen können, hier eine nicht ganz ernstgemeinte Typologie:

Der Chef Kurz vor der Feier googelt er noch schnell nach den Stichworten "wertschätzend" und "Rede", weil er ja gleich etwas sagen muss. Als er später vom "tollen Team" und dem "guten Spirit" schwärmt, glauben die ersten Kollegen, dass er betrunken ist. Im Verlauf des Abends wird er noch vielen Menschen auf die Schulter klopfen, weil gute Führungskräfte das so machen. Auch an diesem Tag ist er mit seiner Weste wieder etwas zu schick angezogen. Er sieht so aus, als müsste er nachher noch irgendwo ein herrenloses Orchester dirigieren. Spät in der Nacht geht er noch zum DJ-Pult, um sich "An Tagen wie diesen" von den Toten Hosen zu wünschen. Aber der DJ tut so, als würde er ihn nicht verstehen.

Der Praktikant Er ist nach dem Hausmeister der Letzte, dem die Einladung zugeschickt wird, einen Tag vor dem Termin. Natürlich sagt er trotzdem zu. Es ist seine Rache für all die Konferenzen, in denen irgendjemand gesagt hat: "Das wäre doch eine schöne Aufgabe für den Praktikanten." Er weiß, dass er auf keinen Fall hier arbeiten will und hat deshalb nichts zu verlieren. Weil er die ganze Zeit an der Bar steht, glauben manche Kollegen, er sei der Kellner. Irgendwann gegen Mitternacht kommt er auf die Idee, seinem Chef ein Zeugnis zu überreichen. "Sie haben sich stets bemüht", steht in krakeliger Schrift auf der Serviette.

Die Strategin Während sich alle anderen wie ausgehungerte Löwen aufs Büfett stürzen, arbeitet sie an ihrem Schlachtplan. An welchen Tisch wird sich der Abteilungsleiter gleich setzen? Vorn rechts, oder vielleicht doch in der Nähe des Ausgangs? Die Strategin ist nicht zur Weihnachtsfeier gekommen, um Spaß zu haben. Sie bleibt nüchtern und plant Zug um Zug wie eine Schachspielerin, die ihren Gegner Matt setzen will. Heute könnte man schließlich "ganz nebenbei" mal nachfragen, wie das mit der Gehaltserhöhung aussieht. Oder mit der Geschäftsreise nach Südafrika.

Die Verplante Obwohl die Feier erst am Mittwoch stattfindet, steht sie schon am Dienstag vor besagtem Italiener. Als nach zwanzig Minuten immer noch keiner der Kollegen in Sicht ist, schaut sie doch mal in ihren Kalender. Es ist der Moment, in dem sie merkt, dass sie sich nicht nur im Tag, sondern auch im Lokal geirrt hat. Kann ja mal passieren. Schon bei der letzten Weihnachtsfeier lief nicht alles rund. Es gab da diesen kleinen Zwischenfall mit dem Feuerlöscher. Als sie damals aufs Klo gehen wollte, stieß sie aus Versehen eine brennende Kerze um. Der teure Mantel ihres Chefs fing Feuer, konnte nach einer halben Stunde aber wieder gelöscht werden. Alles halb so wild.

Die Feierwütige Sie ist Anfang 30, arbeitet in der Personalabteilung und ist bei allen beliebt. Was die Kollegen aber nicht wissen: Im Sommer fliegt sie mit ihrer Mädels-Clique immer nach Palma. Vollgas am Ballermann. Entsprechend gut ist auch ihre Leber trainiert. Ein klarer Vorteil gegenüber den meisten Kollegen. Während viele noch am ersten Sekt nippen, hat die Mallorca-Frau schon drei Gläser intus und am Laptop heimlich eine Playlist mit 87 Schlager-Hits erstellt. Als später am Abend dann endlich "Tausendmal berührt, tausendmal ist nix passiert" läuft, stürmt sie die Tanzfläche. Wird irgendwann in einem Taxi sitzen und dort auf die Frage, wohin es denn gehen soll, mit "nach Hause" antworten.

Der Fremde Es gibt immer einen auf der Feier, den irgendwie niemand kennt. Jemanden aus der IT-Abteilung zum Beispiel. Jeder in der Firma hat sicher schon mindestens 15-mal mit ihm telefoniert, weil Outlook sich mal wieder weigert, Mails zu verschicken. Ohne ihn würde es den Laden wahrscheinlich gar nicht mehr geben, aber wie dieser Mensch aussieht, weiß natürlich keiner. Auf der Weihnachtsfeier hat er einen schweren Stand, weil alle denken, dass er der Neue sein muss, von dem in den letzten Tagen immer alle geredet haben. Tatsächlich ist er schon seit drei Jahren an Bord. Wenn er sich dann vorstellt und von seinem Job erzählt, kommt mindestens einmal: "Und Du hast Informatik studiert? Interessant." Illustrationen: Stefan Dimitrov

Zurück zu Reddit: Dort berichtet eine andere Userin von einem weihnachtlichen Bowlingabend. Als sie werfen wollte, sei ihr die Kugel entglitten und hinter ihr gelandet - wo ein Kollege stand, der sich zum Glück in letzter Sekunde noch in Sicherheit bringen konnte. Sollte man also doch lieber im Büro feiern? Ein bisschen Deko, kein teures Lokal, keine Anfahrt, und eine begrenzte Menge an Alkohol. Das Problem: Auch solche Abende können eskalieren.

Ein Nutzer schreibt, dass er mit seinem Kollegen irgendwann einen Ohrfeigen-Wettbewerb gestartet habe. Der eine schlägt den anderen, dann umgekehrt. Und das vor den Augen der Chefs. "Ich sollte noch erwähnen, dass ich da erst seit etwas über einem Monat bei der Firma angestellt war", fügt er noch hinzu.

Und selbst wenn es nicht so rabiat wird, Fallstricke bietet die Feier in der Firma in jedem Fall genug, zum Beispiel beim Dresscode: Wer zu schick ist, tanzt genauso aus der Reihe wie der Typ mit dem Weihnachtspulli, wenn alle anderen Hemd oder Kleid tragen. Fast jeder kennt den Moment, in dem man sich schon mal gewünscht hat, dass die Weihnachtsfeier in diesem Jahr einfach ausfällt. Aber es wäre doch schade um die vielen Geschichten.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2019/jerb
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