Beschimpfung und Schlagfertigkeit:Beleidigte Leberwurst

"Na, wieder im Bademantel unterwegs?" Chef und die lieben Kollegen vergreifen sich oft im Ton, wenn sie witzig sein wollen. Wie man bei Kränkungen nicht die Selbstkontrolle verliert.

H. Volk

"Na, wieder im Bademantel unterwegs?" Der Chef und die lieben Kollegen vergreifen sich manchmal im Ton, wenn sie witzig sein wollen. Das berührt selbst weniger sensible Naturen. "Doch wer dem aufwallenden Gefühlsschwall, gekränkt worden zu sein, spontan nachgibt und sich beleidigt zeigt, handelt unklug", sagt Thomas Weegen, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Coverdale in München.

Beschimpfung und Schlagfertigkeit: Beleidigte Leberwurst: Leider gelingt es nicht immer, den kühlen Kopf über das heiße Herz siegen zu lassen und die eigenen Reaktionen im Zaum zu halten.

Beleidigte Leberwurst: Leider gelingt es nicht immer, den kühlen Kopf über das heiße Herz siegen zu lassen und die eigenen Reaktionen im Zaum zu halten.

(Foto: Foto: iStock)

Leider gelingt es nicht immer, den kühlen Kopf über das heiße Herz siegen zu lassen und die eigenen Reaktionen im Zaum zu halten. Warum ist das so schwer? "Eine Kränkung ist eine Verletzung unserer Person", sagt Bärbel Wardetzki, Diplom-Psychologin aus München, "wir erleben uns oder unsere Arbeit nicht wertgeschätzt oder sogar entwertet." Durch eine beiläufige Bemerkung, eine anmaßende Äußerung, plumpe Kritik, ein erwartetes, aber ausgebliebenes Lob. Aber auch durch Ausgrenzung oder Ablehnung.

Schrecklich übelnehmerisch

Wenn es nun wenig ratsam ist, sich auf der Stelle die empfundene Kränkung anmerken zu lassen, wie soll man dann mit solchen Verletzungen umgehen? "Manches muss man überhören oder einfach nicht zur Kenntnis nehmen", empfiehlt Berater Weegen ganz pragmatisch. Wer erregt unmittelbar auf alles und jedes reagiere, schade sich selbst. In Windeseile gehe einem dann der Ruf voraus, ganz besonders heikel, kompliziert im Umgang und schrecklich übelnehmerisch zu sein. Das werde weder von Vorgesetzten noch von den Kollegen geschätzt.

Dem pflichtet Alfred Kirchmayr bei: "Durch zu große Empfindlichkeit kann man sein eigenes Ansehen und Standing rasch nachhaltig beschädigen", sagt der in solchen Dingen erfahrene Psychotherapeut aus Wien. Allein schon aus dieser Fremdeinschätzung heraus könne der tägliche Umgang miteinander zum Eiertanz werden. Viel zwischenmenschlich Belastendes im Arbeitsalltag sei "bei genauem Nachverfolgen oft auf derartige Mechanismen zurückzuführen", sagt Professor Kirchmayr. "Vieles muss heute sehr schnell gehen." Und in dieser Eile rutsche nun mal so manches heraus, was nicht sofort auf die Goldwaage gelegt werden sollte.

Dennoch: Es gibt Grenzen des Tolerablen, deren Überschreitung eine unmittelbare Intervention fordert. Aber auch die sollte, so Wardetzkis Rat, "in jedem Fall bedacht ausfallen". Wenn es ratsam erscheine, die Dinge nicht einfach im Raum stehen zu lassen und deutlich zu machen, dass eine eindeutige Grenzüberschreitung vorliege, tue jeder gut daran, nicht aufgeplustert und erregt zu intervenieren. Eine gelassene und - so Kirchmayr, "humorvolle Reaktionsweise" - entschärfe die Situation nicht nur. Sie rücke die Dinge meist viel unkomplizierter wieder zurecht oder in ein anderes Licht als das meist selbstschädigende beleidigte Zurückschnappen und Auftrumpfen.

Auf der nächsten Seite: Was die Reaktion auf eine Kränkung über die eigene Persönlichkeit offenbart.

Beleidigte Leberwurst

Souveränität zeigen

Die Reaktion auf Kränkungen offenbart für Bärbel Wardetzki "viel von der eigenen Persönlichkeit". Wer in sich ruhe, ein positives Selbstwertgefühl habe, zeige das durch eine gelassen-souveräne Reaktion auf Holprigkeiten im zwischenmenschlichen Umgang. Wer hingegen sich selbst nicht schätze, in sich unsicher sei, beiße auf jeden blanken Haken und reagiere entsprechend verquer auf tatsächliche oder vermeintliche Ausrutscher anderer ihm gegenüber.

"Das beschädigt immer die eigene Position und das eigene Ansehen", sagt Weegen. Zeigten unwirsche Reaktionen in den Augen der anderen doch: Man kann nichts vertragen und nichts einfach auch mal wegstecken. "Das ist kein Fremdbild, das den eigenen Interessen nützt und das eigene Image fördert. Deshalb grundsätzlich nie die beleidigte Leberwurst spielen", rät Weegen. Gerade heikle Situationen wie Kränkungen eigneten sich wunderbar dazu, Souveränität zu zeigen und unter Beweis zu stellen. Und sich dadurch für höhere Weihen zu empfehlen. Wer diese situative Überlegt- und Überlegenheit an den Tag lege, demonstriere auch, psychisch belastbar zu sein. Und das sei heute "mehr denn je ein zentrales Kriterium für berufliches Weiterkommen".

Und noch ein weiteres Detail sorgt laut Wardetzki bei empfundenen Kränkungen für Mäßigung im Reagieren: Man solle immer bedenken, dass die persönlichen Bewertungsmaßstäbe immer auch an die Tagesform gekoppelt seien. Niemand empfinde jeden Tag gleich. Was einen heute heftig kränke, könne einen morgen schon völlig kalt lassen. In zwischenmenschlichen Konfliktsituationen handele auf der sicheren Seite, wer das nicht vergesse und in der Lage sei, sich demgemäß zu verhalten.

Messen mit zweierlei Maß

Und für Kirchmayr spielt auch dieser Aspekt im Umgang mit Kränkungen eine Rolle: Die Frage, wer uns da gerade auf die Füße tritt. Schätze ich jemanden, darf der sich ein Wort mehr erlauben als jemand, der mir ohnehin nicht so sympathisch ist. Das verleite zum Messen mit zweierlei Maß, was auch nicht gerade ratsam sei.

All das sollte dazu bewegen, bei einer empfundenen Kränkung nicht aus der Situation heraus den Kopf zu senken und den Gegenüber auf die Hörner zu nehmen. Selbstkontrolle ist auch hier der Schlüssel zur Problemlösung. Und wenn der Stachel der Kränkung dann doch tiefer sitzt? "Man sollte eine entspannte, ruhige Situation abwarten und auf den Vorfall noch einmal unaufgeregt zurückkommen", rät die Psychologin Wardetzki. Ohne Vorwürfe, Anklagen oder gar Drohungen. Grundsätzlich gelte für einen solchen nachträglichen Klärungsprozess: Man sollte sich nicht auf Positionen versteifen, sondern nach einem Interessenausgleich suchen; versuchen, zu verstehen und verstanden zu werden.

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