Süddeutsche Zeitung

Beschäftigungs-Studie:Häufiger unbefristete Verträge für junge Arbeitnehmer

Ein prekäres Arbeitsverhältnis nach dem anderen - das war in den vergangenen Jahren das Los vieler Berufseinsteiger. Doch nun scheint sich die Situation zu bessern: Arbeitgeber denken langsam um und stellen wieder unbefristet ein. Davon profitieren vor allem junge Menschen.

Thomas Öchsner, Berlin

Sie hangeln sich von Praktikum zu Praktikum. Sie können keine Familien gründen, weil sie nicht wissen, wie lange sie noch Arbeit haben. Sie jobben für Niedriglöhne. Jeder kennt junge Leute, auf die das zutrifft. Aber ist das eher die Ausnahme oder die Regel? Die Bundestagsfraktion der Linken fragte bei der Bundesregierung nach. Herausgekommen ist dabei auch eine positive Nachricht: 2011 gingen befristete Neueinstellungen erstmals deutlich zurück. Immer mehr Arbeitgeber beschäftigen unter 25-Jährige nicht mehr nur auf Zeit.

Langfristig gesehen ist der Trend eindeutig negativ: Seit dem Jahr 2000 ist die Anzahl der befristeten Neueinstellungen in Deutschland bei allen Altersgruppen von 32 auf 46 Prozent gestiegen. Dabei zeigt sich auch, "dass die Gruppe der 15- bis 24-Jährigen tendenziell häufiger befristet eingestellt wurde als die älteren Kohorten", heißt es in der Antwort des Arbeitsministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Gab es in dem Alterssegment im Jahr 2000 noch 788.000 befristet Beschäftigte, waren es im Jahr 2010 bereits 985.000. Das entspricht einem Anteil von 57 Prozent an allen Neueinstellungen. Nach Angaben des Ministeriums, das sich auf Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beruft, sank dieser Anteil 2011 jedoch auf 41 Prozent. Wirkt sich also das im Ausland bestaunte deutsche Jobwunder positiv auf junge Beschäftigte aus?

IAB-Forscherin Martina Rebien hält die Zahlen für "wenig erstaunlich". Da es mit der deutschen Wirtschaft nach der Krise 2008/2009 aufwärts gegangen sei und es in einigen Branchen und Regionen bereits einen Mangel an Fachkräften gebe, würden Betriebe wieder verstärkt darauf setzen, "qualifiziertes Personal zu gewinnen und weniger zögerlich einzustellen".

"Es ist denkbar, dass auch deshalb weniger befristet wird", sagt die Wissenschaftlerin. Dafür spricht auch, dass der Anteil der befristeten Neueinstellungen insgesamt leicht zurückgegangen ist: von 49 Prozent im Jahr 2009 auf 46 Prozent zwei Jahre später.

Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung bei den Linken, hält dies nach wie vor für viel zu hoch. Sie fordert genauso wie die Gewerkschaften befristete Verträge zu verbieten, wenn der Arbeitgeber dafür keine plausiblen sachlichen Gründe anführen kann. Für die Politikerin ist nach Lektüre der Regierungsantwort klar: Junge Beschäftigte gehörten in den vergangenen zehn Jahren "zu den Verlierern auf dem Arbeitsmarkt". Sie müssten "zu einem großen Teil mit prekären Jobs über die Runden kommen".

Krellmann begründet dies auch mit anderen Ergebnissen ihrer Anfrage: So hat sich die Anzahl der Leiharbeiter unter den 15- bis 24-Jährigen von 2000 bis 2010 auf mehr als 130 000 nahezu verdoppelt. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter von 15 bis unter 25 Jahren hat sich deutlich verringert. Ihre Gesamtzahl schrumpfte sogar um 500 000. Die Quote der Vollbeschäftigten (ohne Auszubildende) in dieser Altersgruppe, die einen Niedriglohn beziehen, hat sich im selben Zeitraum von 43,9 auf 48,6 Prozent erhöht.

Wie immer bei solchen Statistiken kommt es allerdings darauf an, wie man sie interpretiert. Was die Regierung versucht schönzufärben, versucht die Opposition schlechtzumachen.

Das Nürnberger IAB merkt jedenfalls an, der Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Jobs müsse nicht ausschließlich mit einer Zunahme von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen zusammenhängen. IAB-Forscherin Rebien erinnert daran, dass mittlerweile fast jeder Zweite eines Jahrgangs berechtigt ist zu studieren. Dies trage dazu bei, die Anzahl der Auszubildenden zu drücken und damit auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Das Bundesarbeitsministerin gibt zu bedenken: Bei den Werten zu den Niedriglöhnern sei zu beachten, "dass jüngere Beschäftigte durchschnittlich weniger verdienen und das Entgelt mit dem Alter steigt". Hinzu komme, dass "bei der Gruppe der 15- bis unter 25-Jährigen die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne Berufsabschluss überrepräsentiert sind".

Für problematisch sieht die Bundesregierung aber "die Gruppe der jungen Beschäftigten an, die über keinen Berufsabschluss verfügen und somit auch überproportional im Niedriglohnbereich beschäftigt sind". Ziel sei es, den Anteil der jungen Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 29 Jahren ohne Berufsabschluss von 17 auf 8,5 Prozent bis 2015 zu halbieren. Ob das wirklich gelingt, wäre dann wieder eine Anfrage wert.

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SZ vom 29.05.2012/rela
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