Berufswünsche von Jungen:Lokführer war gestern, heute ist Mechatroniker

An den Traumberufen der Jungen hat sich nur wenig geändert: Technik bleibt für sie die Hauptsache. Trotzdem fürchten auch große Industrie-Unternehmen einen Personalmangel - und machen schon bei Viertklässlern Werbung für sich.

Christine Demmer

Wie sich der hoch aufgeschossene Marco Spange früher in den Lokführerstand hineingequetscht hat, bleibt sein Geheimnis. Dafür schildert der heute im Büro der DB Regio in Kaiserslautern arbeitende Bundesjugendleiter der Lokomotivführer-Gewerkschaft GDL nur zu gern die Höhepunkte seines Berufs: "Man kommt viel herum, das macht Spaß. Im Winter ist es besonders schön: Man fährt durch den schneebedeckten Wald, draußen sieht alles so still und friedlich aus - das ist einfach herrlich."

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Lokomotivführer nennen nur noch wenige Jungen als ihren Traumberuf.

(Foto: dpa)

Bald werden die jüngsten Zahlen zum Ausbildungsstand 2011 bekanntgegeben. Spange hofft, dass sich in diesem Jahr wieder mehr als 1000 junge Leute zum Lokomotivführer ausbilden lassen. Sicher ist er sich nicht, denn die Bewerberzahlen gehen seit Jahren zurück. "Wir haben schon noch die klassische Klientel, die Lokführer werden möchte, häufig, weil das der Beruf des Vaters ist", sagt er, "aber den Kindheitstraum haben nur noch wenige."

Möglicherweise wissen viele Jungen nicht, dass auch ein Lokführer heute vor einer chipgesteuerten Schaltzentrale sitzt. Und darauf, so könnte man aus den Heerscharen von glanzäugigen jungen Männern in den Elektronikshops schließen, dürften sich doch die Berufswünsche der meisten männlichen Jugendlichen richten. Aber weit gefehlt: Nach wie vor führen die klassischen Technikberufe die Berufswunschliste der Jungen an.

Die Berufswahl von Jungen ist sehr traditionell ausgerichtet. Mehr als die Hälfte der männlichen Auszubildenden quer durch alle Schultypen entscheidet sich für einen von 20 jungentypischen Ausbildungsberufen im dualen System - darunter kein einziger aus dem sozialen, erzieherischen oder pflegerischen Bereich.

Um das zu ändern, fand in diesem Jahr zum zweiten Mal der bundesweite Aktionstag "Boys' Day" oder "Jungen-Zukunftstag" statt. Mehr als 34.000 Plätze für Jungen ab der fünften Klasse wurden bereitgestellt, bei denen sie ihre Talente und sozialen Kompetenzen erproben konnten. In Aktionen und Workshops sollen Schüler Geschmack an Berufen finden, in denen Männer bisher selten vertreten sind, allen voran in den vom Fachkräftemangel bedrohten Branchen Erziehung, Pflege und Gesundheit.

Hauptsache, viele Knöpfe

Allein die Jungen sehen ihre Zukunft mehrheitlich woanders. Weit vorne bei den Berufswünschen stehen der Kaufmann, der Handwerker, der Industriemechaniker und der Elektroniker. Und mit weitem Abstand an der Spitze liegt ein Beruf, der, so scheint es, vor mehr als 100 Jahren den Buben in die Wiege gelegt worden ist: der Autoschlosser, -mechaniker und -elektriker, heute zusammengefasst im Ausbildungsberuf Kraftfahrzeugmechatroniker.

Wir haben immer noch eine hohe Attraktivität von autonahen Berufen, weil Fahrzeuge emotionale Produkte sind, die für die Jungen greifbar sind", sagt Michael Staab, Personalleiter beim Reifenhersteller Continental in Regensburg.

Tatsächlich? Links und rechts sieht man sie doch fast nur an Konsolen und Monitoren, im Internet, auf LAN-Partys und in sonstigen virtuellen Welten. Staab lacht und erklärt: "Die Schnittstelle zwischen Automobil und Computer ist fließend. Ein modernes Auto besteht zu circa 60 Prozent aus Elektronik. Da schließt das eine das andere also nicht aus."

Bei Continental wie bei anderen Zulieferern der Autoindustrie besonders nachgefragte Berufe seien der Kfz-Mechatroniker, der Elektroniker und Mechatroniker, sagt Staab: "Kfz-Mechatroniker führen alle Wartungen und Reparaturen am Auto aus, reine Mechatroniker arbeiten schwerpunktmäßig in der Produktion elektronischer Systeme. Der Elektroniker ist zuständig für die Funktion der elektronischen Systeme."

Auto meets Computer: In Regensburg kann man sich auch zum Fachinformatiker oder Systeminformatiker ausbilden lassen. "Die beschäftigen sich mit der Informationstechnik im Auto", erläutert Staab, "auch nach diesen Ausbildungsgängen wird oft gefragt."

Erste Liebe: Autos

Oder nach dem Technischen Produktdesigner. Er gehört auch zu den Traumberufen von männlichen Jugendlichen, die keine Lust auf ein Ingenieurstudium haben. Sie arbeiten fast ausschließlich am Computer und unterstützen Konstrukteure und Ingenieure bei deren Arbeit. Darüber hinaus beliebt sind eine Vielzahl an mechanischen Berufen, wie zum Beispiel der Werkzeugmechaniker oder der Verfahrensmechaniker.

Mit Abstand die meisten Bewerbungen bei Continental richten sich auf den Ausbildungsberuf Kfz-Mechatroniker. "Die Jungs stürzen sich darauf", sagt Michael Staab, und er weiß auch, warum: "Kfz-Mechatroniker sind in beiden Welten zu Hause - der Daten und des Autos."

Zur Technik zieht es junge Männer also immer noch. Das ist gut für den Industriestandort Deutschland. Aber sie werden weniger, und das kündigt für die Zukunft einen Mangel an qualifizierten Fachkräften in technischen Berufen an. Große Automobilzulieferer wie Continental und Bosch gehen deshalb schon auf Dritt- und Viertklässler in den Schulen zu und machen sie mit den Raffinessen der Technik vertraut. "Wir gehen mit sogenannten Forscherkästen in die Grundschulen, um Begeisterung für die MINT-Berufe zu wecken", sagt Staab.

MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik und umfasst mithin jene Berufe, die über die Zukunftsfähigkeit eines Industrielandes entscheiden. Mit den Forscherkästen kann man Glühlampen zum Leuchten bringen, Windräder in Schwung setzen, Gas knallen lassen und dafür sorgen, dass es im Klassenzimmer richtig schön stinkt. Doch die Buben denken bevorzugt in anderen Dimensionen: "Trotz der vielen Möglichkeiten bauen sie als erstes immer Autos."

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