Berufswahl:Leidenschaft statt Kalkül

Wer sich nur deshalb für einen Job entscheidet, weil Arbeitsmarktprognosen günstig sind, liegt falsch - es kommt auf Begabung und Neigung an.

Alexandra Straush

Als Tanja Michael ihr Studium an der Pädagogischen Hochschule in Köln aufnahm, war ihr ein wenig mulmig zumute. Der Arbeitsmarkt für Sonderpädagogen sah gerade schlecht aus, interessante Stellen waren nur mit sehr guten Noten zu bekommen. Als sie jedoch das zweite Staatsexamen in der Tasche hatte, hatte sich das Problem von selbst gelöst. Ohne Warteschleifen wurde sie in Düsseldorf an einer Förderschule für Geistige Entwicklung eingestellt und sehr schnell auf Lebenszeit verbeamtet.

Stellenmarkt, dpa

Stellenmarkt: Nach Trends und Prognosen zu studieren ist gefährlich.

(Foto: Foto: dpa)

Lehramtsstudenten kennen das Problem der Schweinezyklen: Entscheidet man sich für ein Mangelfach, dann tun es meist auch viele andere, und die angebliche Jobgarantie löst sich in Luft auf. Wer nicht auf den Trend setzt, kann umgekehrt genau richtig liegen. Die Hochs und Tiefs am Arbeitsmarkt treffen nicht nur Pädagogen. So wurden in den Jahren 2000 und 2001 unglaubliche Gehälter im IT-Bereich gezahlt, und die entsprechenden Studiengänge boomten. Nach der Dotcom-Krise waren die Computerfachleute dann nicht mehr unterzubringen. Selbst die heute so umworbenen Ingenieure standen in den neunziger Jahren auf der Verliererseite, als es in der Branche kriselte.

Platz Eins: BWL

Nach Trends und Prognosen zu studieren, ist gefährlich. Zum Glück tun das die wenigsten Erstsemester. Ähnlich wie die Liste der beliebtesten Vornamen ist die Liste der zehn beliebtesten Studienfächer, die das Statistische Bundesamt erfasst, über die Jahre konstant. An der Spitze der Top Ten des Jahrgangs 2006/07 steht die Betriebswirtschaftslehre, gefolgt von Rechtswissenschaft, Germanistik, Allgemeinmedizin, Maschinenbau und Informatik, Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsingenieurwesen, Elektrotechnik und Mathematik.

Als Motiv für ihre Studienwahl gaben Erstsemester in einer Befragung der Hochschul Informations System GmbH (HIS) am häufigsten an, dass sie nach Begabung und Neigung studieren. Aus Sicht der Personaler tun sie damit genau das Richtige. "Man ist nur da überdurchschnittlich gut, wo man Leidenschaft mitbringt", meint Philip Janssen von der Hilti Deutschland GmbH.

Fächer mit Einstellungsgarantie

Nach den Ergebnissen der Umfrage, die alle zwei Jahre durchgeführt wird, achten jedoch immer mehr Erstsemester bei der Fächerwahl auch auf die Job-Chancen. In diesem Jahrgang gaben erstmals 50 Prozent aller Befragten an, den Arbeitsmarkt berücksichtigt zu haben. 68 Prozent setzten auf sichere Berufsoptionen. Doch gibt es wirklich Fächer mit Einstellungsgarantie?

Ingenieure, Betriebswirtschaftler und Wirtschaftsingenieure haben zwar eine hohe Berufssicherheit. "Aber es gibt nun mal kein Fach, das für alle Bereiche passt", meint Thomas Teetz, Leiter Personalmarketing und Recruiting bei Price Waterhouse Coopers. "Entscheidend ist immer die eigene Person." Persönlichkeit, soziale Kompetenz und Beratungskompetenz sind für ihn wichtige Einstellungskriterien. Mit Blick auf die Karriere rät er dazu, weniger auf das Fach zu achten als auf die Rahmenbedingungen. Welche Kooperationen mit Unternehmen gibt es an der Universität? Welche Netzwerke existieren? Gibt es Kurse auf Englisch oder Vorträge von Praktikern? Das sei manchmal wichtiger als die rein fachliche Entscheidung.

Auf der nächsten Seite: Warum sich Absolventen aller Fächer auf einen entspannteren Arbeitsmarkt freuen können.

Leidenschaft statt Kalkül

Studium als beste Ausbildung

Generell ist gut beraten, wer sich überhaupt für die Hochschule entscheidet. "Das Studium an sich hat einen Marktwert", sagt Susanne Böhlich, Abteilungsleiterin Personalmarketing und Nachwuchsentwicklung bei der Deutschen Post World Net. Denn nach wie vor gebe es keine andere Ausbildung, die wichtige Fähigkeiten wie analytisches Denken, das selbständige Einarbeiten in unbekannte Themen und die Lösung von Problemen im Team so fördert, wie die Hochschule es tut.

Wer sich ein Studium zutraut, sollte es also in Angriff nehmen - auch wenn er damit gerade nicht im Trend liegt. Das Statistische Bundesamt stellte fest, dass die Zahl der Studienanfänger gegenüber 2003 um fünf Prozent zurückgegangen ist, obwohl die Schulabgängerzahlen um 17 Prozent gestiegen sind. 28 Prozent mehr Abiturienten haben sich für eine betriebliche Ausbildung entschieden. Schuld ist vermutlich die Umbruchsituation an den Hochschulen: Die neuen Abschlüsse, Bewerbungsverfahren und nicht zuletzt die Studiengebühren schüren Unsicherheit.

Abiturienten sollte das trotzdem nicht abschrecken. Denn auf eine Prognose ist Verlass und das ist die demographische Entwicklung. Spätestens vom Jahr 2015 an werden Fachkräfte Mangelware sein. Schon heute weiß man, dass die Zahl der Schüler, die dann die Universität verlassen, nicht der Zahl der Hochqualifizierten entspricht, die in Rente gehen. Deshalb können sich Absolventen aller Fächer auf einen entspannteren Arbeitsmarkt freuen.

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