Berufsorientierung:Was willst du, was kannst du, wer bist du?

Berufsorientierung: Hochschulabsolventen stehen oftmals genauso ratlos vor der Berufswahl wie wenige Jahre zuvor vor der Studienfachwahl.

Hochschulabsolventen stehen oftmals genauso ratlos vor der Berufswahl wie wenige Jahre zuvor vor der Studienfachwahl.

(Foto: imago)

Absolventen sind oft unschlüssig, welcher Job zu ihnen passen könnte. Berufswahltests im Selbstversuch.

Von Ann-Kathrin Hipp

Plötzlich ist da ein großes Fragezeichen. Die letzte Klausur ist geschrieben, die Bachelorarbeit abgegeben, das Studium beendet. Aber was nun? Der Lehramtsanwärter wird voraussichtlich bald vor einer Klasse stehen, die Medizinerin Patienten untersuchen. Doch was wird aus den Politikwissenschaftlern, den Geografen und Germanisten, denen, die Philosophie studiert haben oder irgendwas mit Medien? Sie stehen vor der Berufsentscheidung, so wie sie einst als Schüler vor der Wahl des Studienfachs standen. Ihre Stimmung schwankt zwischen der Sorge, niemals den passenden Job zu finden, und der Vorstellung unerschöpflicher Möglichkeiten.

Martin Kritzinger hat gerade sein Studium am Medienkolleg in Innsbruck abgeschlossen. Er ist jetzt diplomierter Kommunikations- und Mediendesigner. Zwei Jahre lang hat er gelernt, Filme zu drehen, Webseiten zu gestalten und Fotoshootings zu organisieren. Dazu ein bisschen Informatik, Betriebswirtschaft und Recht, außerdem spricht er jetzt Spanisch. Aber was genau macht man damit? Auf seiner Internetseite wirbt das Kolleg damit, dass es viele Optionen gibt: Die Vorschläge reichen vom Allrounder in Klein- und Mittelbetrieben über Webdesigner und der Arbeit in Marketing und Medienwirtschaft.

Weil Martin sich selbst auch vieles vorstellen kann, sollen ihm ein paar Online-Berufstests bei der Orientierung helfen. Der 27-Jährige füllt emsig Fragebögen aus, macht Angaben zu seinem Ausbildungsweg und legt dar, wo er im Leben steht. Einige Tests dauern nur wenige Minuten, andere bis zu zwei Stunden. Zwei Tage, acht Tests - ein Selbstversuch.

Die Berufstests gliedern sich grundsätzlich in drei Kategorien: Es geht um Interessen, Fähigkeiten und die Persönlichkeit. Mit anderen Worten: Was willst du, was kannst du, wer bist du? Was am Anfang noch recht witzig und spannend erscheint, wird spätestens nach dem vierten Test zu einer zähen Angelegenheit. Immer und immer wieder muss Martin ähnliche Fragen beantworten: Wie siehst du dich? Bist du Spontanmensch oder Planer, kreativ oder technisch versiert, gruppenorientiert oder Einzelkämpfer? Mal soll er seine Fähigkeiten selbst auf einer Skala bewerten, mal muss er entscheiden, wie er sich in einer bestimmten Situation verhalten würde.

Der Turbo unter den Berufstests trägt den vielversprechenden Namen "Futureplan" und besteht aus 16 Fragen mit je zwei Antwortmöglichkeiten. Nach nur wenigen Minuten erhält Martin Empfehlungen zu Berufen und Ausbildungsgängen. "Geht schnell, sieht gut aus, liefert allerdings nichts Neues", sagt er, nachdem ihm vorgeschlagen wird, Mediendesigner zu werden. Genau das hat er ja bereits studiert. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der "Hamburger Berufsfindungstest". Zwar schlüsselt er verschiedene Berufsfelder in Ausbildungswege und Studiengänge auf, kostet dafür allerdings auch mehr Zeit und Geld.

Berufs-Dating-Portal für Unternehmen und Bewerber

Interessanter wirkt auf Martin die Idee von "Talents Connect". Die Seite will Berufseinsteigern nicht nur den perfekten Job vermitteln, sondern auch gleich ein Stellengesuch schalten. Angaben, die Martin zu Beginn des Tests macht, bilden seinen Steckbrief - ein Aushängeschild, das bei Unternehmen für ihn werben soll. Einige Fragen, ein paar Klicks, und schon soll ein den Wünschen und Qualifikationen entsprechendes Jobgesuch erscheinen - so jedenfalls der Plan. Gleichzeitig werden Martin bereits ausgeschriebene Stellen angezeigt. Wie bei einer Art Berufs-Dating-Portal sollen Unternehmen und Bewerber einander finden. Klingt gut, funktioniert allerdings nur mäßig.

"Ich habe angegeben, dass ich zu 60 Prozent draußen arbeiten möchte und mir wurde mit 80 Prozent Übereinstimmung ein reiner Bürojob vorgeschlagen", sagt Martin. Das Problem: "Man kann bei den Angaben keine Prioritäten setzen. Andere Antworten haben das Ergebnis zu stark beeinflusst." Außerdem kann eine passende Stelle nur dann gefunden werden, wenn sie auch zufällig auf der Plattform ausgeschrieben ist.

Von Tauchlehrer bis Perückenmacher

Die nächsten drei Tests ähneln sich im Ablauf und Ergebnis: Der "Allianz Perspektiven-Test für Studenten", der "Unicum Jobtest" und der "Berufsprofiling-Test". Alle drei sind gratis, dauern etwa eine Stunde, bestehen aus Fragen zu Berufsvorstellung und Persönlichkeit und einem Leistungstest, in dem sich Martin sprachlich, mathematisch und logisch beweisen muss. Dazu kommen Fragen nach beruflichen Situationen, in die er sich hineinversetzen und Entscheidungen fällen soll.

Das Ergebnis: Drei Mal folgt eine jeweils 15- bis 20-seitige Auswertung mit Empfehlungen für Berufswege und einer Analyse von Martins sozialer Kompetenz. Drei Mal wird ihm schwarz auf weiß bestätigt, dass er im Vergleich zu anderen überdurchschnittlich kreativ und offen ist und Konflikte eher meidet. "Passt", sagt er. In den Punkten Belastbarkeit und Leistungsorientierung sind sich die Tests nicht ganz einig. Besonders gelungen findet Martin die Auswertung des Unicum-Tests. Sie gibt zusätzliche Tipps, worauf jemand mit seinen Charaktereigenschaften bei Stellenausschreibungen achten sollte.

Chance zur Selbsterkenntnis

Der Berufstest des Münchner Geva-Instituts dauert mit etwa zwei Stunden am längsten. "Die gingen aber relativ schnell rum", sagt Martin. Die Fragen ähneln dem zuvor genannten Trio: Wieder werden Interessen, Fähigkeiten und Persönlichkeit analysiert. Dann muss Martin bestätigen, dass er alle Fragen verstanden und sorgfältig beantwortet hat. Hat er.

Als Ergebnis erhält er eine Analyse seiner fachlichen Begabung, die bei den Gratistests ausblieb. Dabei wird die persönliche Einschätzung der eigenen Fähigkeiten den Ergebnissen eines Leistungstests gegenübergestellt. Dies bietet die Chance zu erkennen, was man besser kann als gedacht - oder auch umgekehrt.

Berufswahltests im Test

1. Ein simpler schneller Einstieg: Der Test der Dresdener Agentur Futureplan ist kostenlos. www.futureplan.de/career/starte-durch/berufswahltest

2. Der Berufsfindungstest einer psychodiagnostischen Beratungspraxis in Hamburg dauert 15 Minuten und ist gebührenfrei. Der vertiefende Test kostet 15 Euro. www.berufsfindungstest.eu

3. Die Online-Jobbörse Talents Connect hat einen unentgeltlichen Test in ihr Angebot der Stellenvermittlung integriert. www.talentsconnect.com

4. Ebenfalls gratis: Den Berufswahltest der Allianz-Versicherung findet man am besten, wenn man "Allianz Perspektiventest" in eine Suchmaschine eingibt.

5. Auch der Jobtest des Hochschulmagazins Unicum ist kostenlos. Ein persönliches Gutachten wird nach wenigen Tagen zugesandt. www.unicum.de/jobtest

6. Das Institut für Berufsprofiling in Stuttgart bietet drei verschiedene Gratistests zur Orientierung an - für Schulabgänger, angehende Ingenieure und Neustarter. www.berufsprofiling.de

7. Der Berufswahltest des Münchner Geva-Institut dauert am längsten und kostet 38 Euro. www.geva-institut.de/eignungstest-berufswahl-schule.html

8. Der Berufskompass des Wiener Personaldienstleisters AMS liefert in 20 Minuten kostenlose Vorschläge für mögliche Jobs. www.berufskompass.at

Zuletzt macht der "sehr grobe Test von Berufskompass", wie Martin sagt, etwas Spaß. Er präsentiert Martin einen bunten Strauß von Berufen: Tauchlehrer, Verkehrsökologe, Farb- und Typberater, Perückenmacher. Ist das ernst gemeint?

Die Einschätzung des baldigen Berufseinsteigers? "Den perfekten Job habe ich nicht gefunden, aber zumindest habe ich ein besseres Gefühl dafür, worauf ich bei Stellenanzeigen achten muss", sagt Martin. Die Tests schlugen meist Berufsfelder vor, in denen er sich durch sein Studium ohnehin schon bewegt. Einige halfen ihm darüber hinaus, seine Stärken und Schwächen zu analysieren, weiteres Potenzial zu erkennen und darauf aufzubauen.

Fazit: Die Tests zeigen nicht den direkten Weg zu Traumjob A oder B. Aber sie ermutigen Berufseinsteiger, darauf zu achten, dass ein Job nicht nur zu den fachlichen Kompetenzen, sondern auch zu den persönlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen passen sollte. Umsonst war Martins Fragebogen-Marathon also nicht, auch wenn beim nächsten Mal wohl ein oder zwei Tests ausreichen würden.

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