Berufseinstieg nach dem Studium:Geisteswissenschaftler, bitte lächeln!

Und nach dem Studium? Während Techniker umworben werden, müssen Geisteswissenschaftler tricksen, um einen guten Job zu bekommen. Aber ihr Abschluss lohnt sich trotzdem.

Angelika Slavik

Es ist ja nicht so, als ob so ein Studium ein Spaziergang wäre. Erst das Gerangel um die Studienplätze. Dann die jahrelange Leere im Geldbeutel. Und schließlich Großmutters enttäuschter Gesichtsausdruck, wenn's für ein summa cum laude bei der Promotion doch nicht ganz gereicht hat. Da will man doch wissen, ob der ganze Ärger überhaupt dafür steht, am Ende.

Übergabe der Universitätsbibliothek Ilmenau

Das lange Studieren lohnt sich - auch für Geisteswissenschaftler. Ihr Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigen alleine durch einen Uni-Abschluss.

(Foto: dpa)

Tatsächlich könne man jungen Menschen heute nur mit allem Nachdruck zu einem Studium raten, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit. Denn die Chancen am Arbeitsmarkt stünden für Hochschul-Absolventen deutlich besser als für Bewerber, die nicht studiert hätten - gerade das Krisenjahr 2009 habe das deutlich gemacht. "Die Beschäftigungszahlen für Akademiker sind auch dann gestiegen, als die Quote bei anderen Beschäftigten rückläufig war", schreibt Judith Wüllerich, die für die Arbeitsagentur die Jobchancen von Akademikern untersucht.

Zudem würden Hochschulabsolventen, wenn sie doch von Arbeitslosigkeit betroffen wären, überdurchschnittlich schnell wieder eine neue Stelle finden. "Mehr als die Hälfte ist weniger als drei Monate arbeitslos." Bei anderen Bewerbergruppen ist die Quote deutlich höher.

Allerdings sind nicht alle jungen Akademiker am Arbeitsmarkt gleichermaßen begehrt. Klar auf der Gewinnerseite: Die Absolventen der sogenannten Mint- Fächer, also Mathematiker, Informatiker, Naturwissenschaftler und Techniker. "Da wird der Bedarf in den nächsten Jahren nicht nachlassen", glaubt Wolfgang Braun vom Institut für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Denn schon jetzt fehlten in Deutschlands Betrieben etwa 66.000 Hochqualifizierte aus diesen Fachrichtungen - und der Bedarf soll in den kommenden Jahren noch steigen, sagen Experten.

Das gilt nicht nur, falls die Wirtschaft wieder wächst und deshalb der Bedarf der Unternehmen steigt. Auch die Demographie begünstigt die Zukunftsaussichten für Techniker und Naturwissenschaftler. Denn in den nächsten Jahren erreichen überdurchschnittlich viele Höherqualifizierte aus diesen Bereichen das Renteneintrittsalter - damit ist in den Betrieben ausreichend Platz für den Nachwuchs. "Wirtschaftsingenieure werden sich wohl auch in zehn Jahren noch die Jobs aussuchen können", sagt Braun.

Aber auch an Absolventen weniger bodenständiger Studienrichtungen haben die Unternehmen in den vergangenen Jahren verstärktes Interesse entwickelt. "Geisteswissenschaftler werden in den unterschiedlichsten Wirtschaftbereichen verstärkt nachgefragt", sagt die Expertin der Arbeitsagentur, Judith Wüllerich. Denn die könnten oft mit disziplinenenübergreifenden Kompetenzen punkten und hätten Erfahrung bei der Beschaffung und Aufbereitung von Informationen. "In einer wissensbasierten Arbeitswelt ist das für die Unternehmen enorm wichtig", sagt Wüllerich.

Überschaubares Angebot für Theaterwissenschaftler

Dennoch hätten gerade Geisteswissenschaftler oft Schwierigkeiten beim Berufseinstieg. "Nur wenige Stellenangebote wenden sich ausdrücklich an Absolventen geisteswissenschaftlicher Studienrichtungen", sagt Wüllerich. 2009 etwa gingen laut bundesweiter Statistik bei der Bundesagentur für Arbeit nur etwa 600 Stellenangebote für Germanisten ein. Für Historiker waren es 300, für Musik- und Theaterwissenschaftler höchst überschaubare 100 Jobangebote.

Um trotz dieser Voraussetzungen nach dem Abschluss rasch eine passende Stelle zu finden, raten Experten, mit Praktika und Teilzeitjobs schon während des Studiums ein Profil zu erarbeiten, das sich an den Anforderungen des Arbeitsmarkts orientiert. Zudem seien für Geisteswissenschaftler berufliche und soziale Netzwerke wichtiger als für Techniker oder Naturwissenschaftler, deren Qualifikationen viel leichter und objektiver verglichen werden könnten.

Anders ausgedrückt: Wer als einziger eine dringend benötigte Maschine konstruieren kann, muss nicht unbedingt auch noch sympathisch sein. Wer Experte für mittelhochdeutsche Minnedichtung ist, der schon.

Ist der Einstieg aber erstmal geschafft, dann machen sich die Mühen des Studiums bezahlt - auch auf dem Konto. In Deutschland verdienen Akademiker im Schnitt 67 Prozent mehr als Arbeitnehmer mit betrieblicher Ausbildung. Allerdings gilt auch hier: Abschluss nicht gleich Abschluss. Wer sein Studium mit einem Bachelor beendet, steigt im Durchschnitt mit 35.000 bis 40.000 Euro Jahresgehalt ein, heißt es in einer Studie des Beratungsunternehmens Kienbaum.

Absolventen mit einem Master oder Diplom-Abschluss kassieren zu Beginn ihrer Karriere etwa 45.000 Euro im Jahr. Besonders üppig fällt der erste Gehaltscheck für diejenigen aus, die die Bücher noch etwas länger gewälzt haben, als unbedingt nötig: Wer einen Doktortitel vorweisen kann, steigt im Schnitt mit einem etwa 500 Euro höheren Monatsgehalt ein als andere Absolventen der gleichen Fachrichtung. In Branchen, die wegen der Außenwirkung besonders viel Wert auf eine Promotion legen, etwa bei Beratungsunternehmen oder Anwaltskanzleien, sind für den Titel auch schon mal 10.000 Euro Jahresbonus extra drin.

Und wer von seinem Arbeitgeber als potentielle künftige Führungskraft eingestuft wird, verdient mit Promotion sogar 15.000 Euro mehr als High Potentials ohne Doktortitel - 65.000 Euro sind für Herrn und Frau Doktor Zukunftshoffnung allemal drin, sagt die Studie. Da sind ein paar Jahre unter Büchern doch eigentlich keine große Sache. Rückblickend, zumindest.

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