Berufseinsteiger:Ende der Schonzeit

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Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance: Berufseinsteiger sind oft übermotiviert und nerven damit die Kollegen. Auf Begeisterung folgt deshalb schnell der Praxisschock.

Die letzte Bewerberrunde ist gemeistert, der Vertrag in der Tasche, was kann jetzt beim Start in den Job noch schief gehen? Leider so einiges. Das gilt gerade für Berufseinsteiger: Wenn sie am ersten Arbeitstag ihr Auto auf dem Parkplatz des Chefs abstellen und beim Meeting dessen Sitzplatz einnehmen, ist es mit der Karriere schnell vorbei. Unfallfrei in den Beruf zu starten will daher gelernt sein - dabei heißt es nicht nur Fachwissen zeigen, sondern auch Fettnäpfchen meiden.

In der Probezeit müssen sich Berufseinsteiger nicht nur fachlich beweisen - ebenso wichtig sind soziale Kompetenzen. (Foto: Foto: dpa)

Gerade Hochschulabsolventen erleben beim Start in den ersten Job oft einen regelrechten Praxisschock. Ärger kann es geben, wenn sie überfordert sind oder die neue Arbeit nicht den eigenen Erwartungen entspricht. Um Enttäuschungen vorzubeugen, sollten Büroneulinge keine übertrieben hohen Ansprüche hegen, zumal Zielsetzungen ohnehin vom Chef vorgegeben werden, rät Jürgen Siebert vom Beratungsunternehmen Kienbaum in Düsseldorf. "Sinnvoller ist es, den Berufsstart auch als Orientierungsphase nutzen."

Abwarten und neugierig sein

Wer neu im Büro ist, sollte zunächst eine Beobachterrolle einnehmen. "Gerade in den ersten Tagen sollten Neulinge nicht zu forsch auftreten", rät der Karrierecoach Hans-Rainer Vogel aus Wiesbaden. Da viele Unternehmen über feste Strukturen verfügen, komme es zu Beginn vor allem darauf an, sich selbst im neuen Arbeitsumfeld einzuordnen. Berufseinsteiger müssten dabei die eigene Position richtig einschätzen können, sagt Jürgen Siebert von der Beraterfirma Kienbaum in Düsseldorf.

Eigene Ideen oder Verbesserungsvorschläge gelte es erst dann vorzutragen, wenn sie explizit erwünscht sind. Berufsanfängern werde daher zunächst viel Geduld abverlangt. "Falsch ist es, zu schnell zu viele Veränderungen zu wollen", warnt Vogel. Abwartende Neugier sei die weitaus bessere Haltung.

Besserwisser haben es schwer

"Das kommt auch bei den Kollegen gut an", sagt Paul Stallmeister, Berufsberater für akademische Berufe bei der Arbeitsagentur in Münster. Ein Besserwisser, der gleich zu Beginn die Abteilung umkrempeln will, werde es schwer haben. Besser sei, Prozesse und Strukturen der täglichen Arbeit erst einmal sorgfältig kennenzulernen.

Hilfestellung biete oft ein offizieller Ansprechpartner aus dem Unternehmen, dem Berufsanfänger Fragen stellen können - und auch sollten. "Kollegen denken nicht, dass man alles besser kann, wenn man frühzeitig Fragen stellt", sagt Stallmeister. Vielmehr belege es Interesse und Motivation. Allerdings sei es empfehlenswert, Fragen zunächst zu sammeln und erst bei passenden Gelegenheiten zu stellen - etwa nach Meetings oder bei einem persönlichen Termin.

"Neben der Kenntnis der innerbetrieblichen Abläufe ist auch die persönliche Integration ein Schlüsselfaktor für einen erfolgreichen Berufsstart", sagt Jürgen Lürssen, Karriereberater und Professor für Marketing an der Universität Lüneburg. Daher sei es von Bedeutung, sich intensiv mit den neuen Kollegen zu beschäftigen und zu unterhalten - beruflich wie privat.

Auf der nächsten Seite: Warum Berufseinsteiger unbedingt einen Einstand geben sollten - und worauf sie dabei achten müssen.

Kein Privatleben, keine kuriosen Hobbys

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Das gelte auch für Kontakte zu Mitarbeitern aus anderen Abteilungen. "Der Aufbau eines breiten Netzwerkes ist nicht nur bei der Jobsuche behilflich, sondern auch im Beruf selbst", erläutert Lürssen.

"Dementsprechend wichtig ist der eigene Einstand bei den neuen Kollegen", sagt Imme Vogelsang, Geschäftsführerin von Etikette Trainer International (ETI) in Hamburg. Dieser sollte möglichst in den ersten zwei Wochen gegeben werden. Welcher Rahmen üblich ist, erfragt man am besten bei Kollegen.

Beim Einstand gehört es zwar dazu, sich den anderen vorzustellen. Ein Kardinalfehler ist es laut Vogelsang jedoch, ausschweifend vom eigenen Privatleben oder kuriosen Hobbys zu erzählen. "Zu Persönliches oder negative Dinge über frühere Arbeitgeber hinterlassen keinen guten Eindruck", erklärt Vogelsang. Ein Fauxpas sei es außerdem, dem Chef von sich aus private Fragen zu stellen. "Gerade zu Berufsbeginn sollte das eigene Verhalten zuvorkommend, aber nicht zu vertraulich sein", rät Vogelsang.

In Jeans und Karohemd

Den Ärger des Chefs sichert sich auch, wer gleich am ersten Tag unpünktlich ist. Solche unangenehmen Situationen ließen sich oft aber auf freundliche Weise entschärfen, so Vogelsang: "Eine ehrliche Entschuldigung, die kurz und sachlich ist, wirkt in solchen Fällen Wunder." Langatmige und affektierte Erklärungen seien hingegen nervig und reizten verärgerte Chefs nur noch mehr.

Ein typischer Anfängerfehler ist laut Lürssen auch unangemessene Kleidung. In Jeans und Karohemd komme zwar niemand mehr zur ersten Abteilungsbesprechung. Nicht weniger problematisch sei es aber auch, wenn der neue Mitarbeiter besser gekleidet ist als der Chef - also "overdressed" ist. Vermeiden lässt sich das laut Vogelsang, indem Bewerber nach dem Vorstellungsgespräch den Dress-Code der Abteilung erfragen.

Gibt es Probleme mit Vorgesetzten oder Mitarbeitern, sollten diese direkt angesprochen werden, rät Lürssen. Als Leiter einer Gruppe von Mitarbeitern gelte es zudem, Neid oder Ablehnung offen zur Sprache zu bringen. Gründe für Dissonanzen liefern Berufseinsteiger nicht selten aber auch selbst - denn oft sorge ihr Hang zur Selbstüberschätzung für Streit.

© dpa/Andreas Thieme/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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