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Berufsbildungsbericht:Deutschland verliert Ausbildungsplätze

Der jüngste Berufsbildungsbericht gibt Grund zur Sorge: Demnach wurden im vergangenen Jahr 2,4 Prozent weniger Lehrstellen angeboten als noch 2011. Für das laufende Jahr prognostizieren die Experten einen weiteren Rückgang an Ausbildungsplätzen.

Noch im vergangenen Jahr konnte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) frohe Kunde verbreiten. Im Berufsbildungsbericht 2012 war von einem überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum die Rede und weiteren Faktoren, die "den Ausbildungsmarkt in Deutschland zugunsten der jungen, ausbildungssuchenden Menschen verbessert" hätten. In Zahlen bedeutete das ein Plus an abgeschlossenen Ausbildungsverträgen von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Heute nun sind die Zahlen, die aus dem Ressort der jüngst vereidigten Bildungsminsterin Johanna Wanka dringen, eher beunruhigend. Das Handelsblatt berichtet unter Berufung auf den jüngsten Berufsbildungsbericht, die Zahl der ausbildenden Betreibe sei auf dem niedrigsten Stand seit 1999. Demnach habe 2012 nur noch etwa jeder fünfte Betrieb (21,7 Prozent) ausgebildet.

Auch setzte sich dem Medienbericht zufolge der positive Trend des Vorjahres in Bezug auf die Zahl abgeschlossener Ausbildungsverträge nicht fort. Demnach kamen 2012 knapp 19.000 Verträge weniger zustande, ein Minus von 2,2 Prozent. Ein vergleichbarer Rückgang sei auch bei der Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze zu verzeichnen (minus 2,4 Prozent). Für das laufende Jahr prognostizieren die Experten des BMBF nach Informationen des Handelsblatt ein weiteres Minus von etwa drei Prozent.

Das Ministerium selbst wollte zu der Berichterstattung mit Verweis auf das laufende Verfahren, in dem sich der Berufsbildungsbericht befinde, auf Anfrage von SZ.de keine Stellung nehmen.

Demotivierte Ausbilder durch unbesetzte Lehrstellen?

Eine mögliche Erklärung für das sinkende Engangement der Betriebe in der Ausbildung liefert hingegen das Handelsblatt. 2012 seien 33.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt worden, heißt es unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit. Es scheint, als sinke bei den Betrieben angesichts unbesetzter Lehrstellen in den vergangenen Jahren die Bereitschaft, diese überhaupt noch anzubieten.

Auch Sibylle Bauer von der IHK Münchnen und Oberbayern führt den Rückgang an Lehrstellen im Gespräch mit SZ.de unter anderem darauf zurück, dass viele Ausbildungsangebote ungenutzt geblieben seien. Allein in Bayern, schätzt sie, hätten im vergangenen Jahr etwa 10.000 Stellen nicht besetzt werden könne. Jeder fünfte Ausbildungsbetrieb sei betroffen gewesen - diese Unternehmen fielen unfreiwillig aus der Statistik heraus.

Einen weiteren möglichen Grund für die sinkende Bereitschaft von Unternehmen, Nachwuchs auszubilden, sieht Bauer in der mangelnden Qualität vieler Bewerbungen. "Die Ausbildungsreife lässt zu wünschen übrig." Sie sieht hier vor allem auch die Schulen in der Pflicht, junge Menschen besser auf den Eintritt ins Arbeitsleben vorzubereiten.

Das Bildungsministerium wiederum spielt den Ball zurück an die Unternehmen. Angesichts des schon bestehenden Fachkräftemangels und vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Schulabgänger in den kommenden Jahren weiter sinken werde, sei es an den Betrieben, "ihren Fachkräftebedarf zu sichern", heißt es im Berufsbildungsbericht.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht vor allem die Betriebe in der Pflicht - und kritisiert deren Verhalten angesichts rückläufiger Bewerberzahlen. "Die Wirtschaft hat sinkende Bewerberzahlen (...) kaum genutzt, um junge Menschen auszubilden, die bisher keine Chance hatten", heißt es in einer Stellungnahme. Trotz eines vermeintlich entspannten Lehrstellenmarktes liege der Anteil junger Menschen ohne Berufsabschluss weiter hoch.

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