Berufsbildungsbericht 2010:Im Land der Bildungsmuffel

Immer mehr jungen Menschen fehlt selbst das Basiswissen, das sie für den Berufseinstieg brauchen. Das ist eine nationale Katastrophe.

Tanjev Schultz

Viele Schüler und Auszubildende sind am Ende ihrer Schul- und Lehrzeit weder berufstauglich noch lebenstüchtig. Mit sich und ihrer Zukunft wissen sie noch wenig anzufangen. Sie wirken so, als hätten sie einen Spruch von Karl Kraus wörtlich genommen: "Man soll nicht mehr lernen, als man unbedingt gegen das Leben braucht." Wie der neue Bildungsbericht zeigt, bricht jeder fünfte Lehrling seine Ausbildung ab. Und jedes Jahr verlassen mehr als 60.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss.

Annette Schavan

Zeigt sich angriffslustig: Bildungsministerin Schavan sagt Schulabbrechern den Kampf an.

(Foto: Foto: Getty)

Die Jugendlichen schleppen Probleme, die sie in der Schule drücken, oft noch lange mit sich herum. Je früher sie Hilfe erhalten, desto besser. Die Bundesregierung beherzigt das, indem sie schon für Siebtklässler "Berufslotsen" in die Schulen schicken will. Sie könnten den Lehrern dabei helfen, die Jugendlichen zu ermutigen und ihnen den Weg in eine Ausbildung zu ebnen. Der Erfolg ehrenamtlicher Paten, die schon jetzt in einigen Schulen arbeiten, ließe sich damit ausbauen.

Endlich eine farbige Annette Schavan

Wenn die sonst oft blasse Bildungsministerin dann auch noch ihre Ankündigung wahrmacht, mit einer Milliarde Euro bereits in den Grundschulen gegen die Bildungsarmut zu kämpfen, gäbe es endlich gute Gründe, sich den Namen von Annette Schavan zu merken.

Als Bundesministerin für Bildung hat sie es schwer, denn ständig muss sie mit den Widrigkeiten des Föderalismus ringen. Den Ländern sollte aber klar sein: Wenn Zehntausende Schulabgänger für eine Ausbildung zu schlecht sind, ist das ein nationales Problem. Die Wirtschaftskrise überdeckt dies, doch bald werden immer mehr Betriebe Mühe haben, gute Auszubildende zu finden. Auch die Unternehmen müssten daran interessiert sein, stärker mit Schulen zusammenzuarbeiten und vor allem denjenigen Schulen finanziell zu helfen, die keine wohlhabende Elternschaft hinter sich haben.

Von einer Warteschleife in die nächste

Statt von einer Warteschleife in die nächste zu rutschen, brauchen Jugendliche zumindest die Aussicht auf einen Ausbildungsplatz nach Ende ihrer Schulzeit. Und auch in den Betrieben sollte es für die Auszubildenden pädagogische Begleiter und Helfer geben, denn oft sind es familiäre Krisen und persönliche Sorgen, die zum Abbruch einer Lehre führen. Die Betriebe müssen deshalb in Zukunft auch engen Kontakt zur Jugendhilfe halten.

Wenn Jugendliche morgens lieber im Bett bleiben, wenn sie an einfachen Multiplikationen scheitern und auch keinen Behördenbrief formulieren können, ist ein Handwerksmeister natürlich ratlos. Immer neue, hochspezialisierte Ausbildungsberufe nützen wenig, wenn die Jugendlichen nicht einmal Grundfertigkeiten beherrschen, nachdem sie neun oder zehn Jahre zur Schule gingen.

Lust auf Lernen

Auch die neuen "Berufslotsen", die nur in seltenen Fällen pädagogische Fachkräfte sein dürften, werden solche Defizite nicht so schnell beheben können. Es wäre aber schon ein guter Anfang, wenn sie den Jugendlichen zeigten, wie sie wieder Lust aufs Lernen bekommen.

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