Berufsbild:Ziel zu vermarkten

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Für die eigene Stadt werben: Janina Vogel macht eine Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit bei der Marketingagentur Visit Berlin. (Foto: dpa)

Kaufleute für Tourismus und Freizeit arbeiten nicht als Verkäufer im Reisebüro. Sie schicken ihre Kunden auch nicht in die Ferne, sondern wollen sie herlocken.

Von Tom Nebe/dpa

Eigentlich ist es ein Selbstläufer, Besucher nach Berlin zu holen. Die Hauptstadt zieht Touristen an wie ein Magnet. Im vergangenen Jahr kamen 11,9 Millionen Besucher. Trotzdem muss das Produkt Berlin aktiv verkauft werden, sagt Janina Vogel. Sie macht bei der Tourismus-Marketingagentur Visit Berlin eine Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit. Die 23-Jährige kennt die Vorzüge der Hauptstadt genau. Schließlich ist sie Berlinerin. Trotzdem: "Wir müssen immer wieder neue Anlässe bieten, in die Stadt zu kommen."

Dafür führt Janina Vogel schon einmal Reise-Agenten aus Vietnam durch Berlin und erklärt ihnen, warum deren Landsleute hier Urlaub machen sollen. Ihr Team fliegt regelmäßig in andere Länder. "Dort versuchen wir, die ansässige Reiseindustrie für das Produkt Berlin zu begeistern", sagt die Auszubildende. "Gerade in Asien müssen wir oft Überzeugungsarbeit leisten, weil Berlin als Destination nicht immer bekannt ist."

Während klassische Tourismuskaufleute Menschen in den Urlaub schicken, ist es das Ziel der Kaufleute für Tourismus und Freizeit, Besucher an einen Ort zu holen. In diesem Job dreht sich entsprechend viel um Marketing, Marktanalyse und Produktentwicklung.

Von Berlin geht es nach Aachen. Die Stadt im Dreiländereck Deutschland, Niederlande und Belgien ist bekannt für ihren prachtvollen Dom, der zum Unesco-Welterbe gehört. Mehr verbindet der durchschnittliche Bürger aber nicht mit Aachen. Dass sich ein Besuch dennoch lohnen kann, versucht das städtische Tourismusbüro Aachen Tourist Service zu vermitteln. Da sind Kreativität und analytisches Denken gefragt.

Zu den Ausbildern zählen Freizeiteinrichtungen, Tourismusbüros, Campingplätze

Weil Aachen eine Studentenstadt ist, haben Auszubildende des Tourismusbüros zum Beispiel eine Pauschale für die Eltern von Studierenden entwickelt, erzählt Gabriele Philipp. Sie ist Ausbildungsverantwortliche. Das Paket soll Eltern für einen Besuch beim Nachwuchs begeistern. Die Pauschale bietet neben der Hotelübernachtung ein Frühstück im Studentenviertel. "Das ließ sich vermarkten und kam gut an", sagt Philipp.

Die Aachener Studentenpauschale ist ein typisches Beispiel für Produkte, die Kaufleute für Tourismus und Freizeit entwickeln. "Sie bewerben die Destination und schauen: Was ist vor Ort vorhanden und wie erstellt man daraus attraktive Pakete", erklärt Robin Bentz von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Köln. Sie handeln Kooperationen mit örtlichen Partnern wie Hotels, Theatern oder Restaurants aus. Dafür ist Kommunikationsstärke gefragt. "Schüchterne Menschen sind bei dieser Ausbildung nicht richtig", sagt Bentz.

Eine besondere Herausforderung kann der Kontakt mit ausländischen Gästen oder Agenten der Reiseveranstalter sein. Sie bringen mitunter andere Umgangsformen und Mentalitäten mit. "Darauf muss man sich einstellen können", sagt Vogel. Sie hat sich vor dem Besuch der Delegation aus Vietnam zum Beispiel mit den dort üblichen Begrüßungen auseinandersetzt. Gute Englischkenntnisse sind eine Mindestvoraussetzung, um in der Ausbildung und im späteren Berufsleben bestehen zu können. "Fremdsprachen sind Pflicht", sagt Philipp. Bei ihr in Aachen sind wegen der geografischen Lage vor allem noch Niederländisch und Französisch gefragt.

Um einen Ausbildungsplatz als Kaufmann oder Kauffrau für Tourismus und Freizeit zu bekommen, kann ein Hauptschulabschluss reichen. "Der Betrieb legt die schulische Vorbildung fest", erklärt Bentz. Häufig verlangen Arbeitgeber die mittlere Reife. Die Ausbildung dauert drei Jahre und kann mit Abitur oder Fachabitur um bis zu zwölf Monate verkürzt werden. Wenn man die Zahl der Auszubildenden als Maßstab nimmt, führt die Ausbildung der Kaufleute für Tourismus und Freizeit im Vergleich zu den Tourismuskaufleuten eher ein Nischendasein. Der Grund dafür liegt in der Zahl der Ausbildungsbetriebe, sagt Philipp. "Für den Beruf bilden Freizeiteinrichtungen, Tourismusbüros und mitunter noch Campingplätze aus." Demgegenüber stehen viele Reisebüros und Veranstalter, die eher klassische Tourismuskaufleute ausbilden.

Nicht festgelegt: Marketing und Vertrieb sind Alternativen zur Tourismusbranche

Ein großer Vorteil der Ausbildung sind die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten danach. "Man ist nicht auf den Tourismus-Sektor festgelegt", sagt Philipp. Auszubildende aus ihrem Unternehmen haben unter anderem Jobs im Marketing und Vertrieb gefunden - bei Firmen außerhalb der Tourismusbranche. Janina Vogel hat bereits ein Jahr ihrer Ausbildung hinter sich, zwei stehen ihr noch bevor. Sie möchte danach weiter im Tourismus und bei Visit Berlin arbeiten. "Was gibt es Besseres, als die eigene Stadt zu vermarkten?", fragt sie.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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