Berufsausbildung:"Man wird als billige Ausbildungskraft ganz schön ausgenutzt"

Berufsausbildung: Viele Lehrlinge wissen zu Beginn nicht, wie anstrengend eine Lehre im Friseursalon sein kann - und brechen ab.

Viele Lehrlinge wissen zu Beginn nicht, wie anstrengend eine Lehre im Friseursalon sein kann - und brechen ab.

(Foto: Guilherme Petri/Unsplash)

Wie kann es sein, dass in Deutschland so viele Lehrlinge hinschmeißen wie seit 25 Jahren nicht mehr? Ehemalige und aktuelle Auszubildende erzählen von ihrem Alltag.

Protokolle von Larissa Holzki

Jeder vierte Lehrling in Deutschland bricht seine Ausbildung ab? In Berufsgruppen wie Köchen, Friseuren und Restaurantfachkräften sind es noch deutlich mehr. Wir haben nachgefragt bei Auszubildenden und solchen, die es waren.

Die angehende Friseurin

"Die Arbeit im Friseurladen ist teilweise echt stressig, gerade abends und am Wochenende. Damit kommt man anfangs nur schwer klar. Man muss die ganze Zeit den Salon putzen, Wäsche machen. Wenn eine Farbe einwirkt, muss man in der Zwischenzeit vielleicht eine andere auftragen, so dass man manchmal gar nicht zur Pause kommt - vor allem, wenn etwas schiefläuft. Auch das lange Stehen den ganzen Tag über, das kennt man nicht, da tun einem abends die Beine weh. Und das Geld ist zu wenig, im ersten Lehrjahr waren es um die 350 Euro, jetzt gegen Ende bekomme ich 520 Euro im Monat. Ich kenne einige, die deshalb noch Babysitten gehen, für einen richtigen Nebenjob hat man ja keine Zeit. Ob die Motivation und der Wille reichen, das durchzuhalten, weiß man am Anfang noch nicht. Zwei Freundinnen haben nach drei Monaten aufgehört, weil sie das Gefühl hatten, im Laufe der Zeit nichts Neues mehr dazuzulernen und gemerkt haben, dass das nicht das ist, was sie ihr ganzes Leben machen möchten.

Lisanne L. macht in einem größeren Friseurladen ihre Ausbildung und steht kurz vor der Abschlussprüfung.

Der Koch

"Das Geld ist nicht das größte Problem, ich hatte im ersten Lehrjahr zwar nur 350 Euro zur Verfügung, aber in einer WG, mit Kindergeld und ein bisschen Zuschuss von den Eltern habe ich das ganz gut hingekriegt. Die extreme Beanspruchung fand ich viel ätzender. Natürlich lernt man etwas und bekommt dafür auch noch Geld. Aber man leistet auch superviel Arbeit, ich weiß gar nicht, wie viele Überstunden ich gemacht habe. Oft bin ich nach der Berufsschule noch zur Arbeit gegangen. Dann war ich von acht bis 15 Uhr in der Schule und habe bis 22 Uhr gearbeitet. Das ist in der Gastronomie ziemlich normal. Da denkt man schon mal, man wird als billige Ausbildungskraft ganz schön ausgenutzt. Im zweiten Lehrjahr habe ich kurz mit dem Gedanken gespielt, das fallen zu lassen. Aber ich hatte ein gutes Team hinter mir. Ich dachte: Ein Jahr kann ich das auch noch aushalten. Außerdem wollte ich das Team nicht im Stich lassen. Mit mehr Geld hätte ich mich fairer behandelt gefühlt. Dass ich jetzt nach ein paar Jahren im Beruf doch noch studieren will, liegt aber an den Arbeitszeiten. Bei meinem Arbeitgeber, einem Caterer, habe ich vorletztes Jahr von Mai bis Oktober 400 Überstunden gemacht. Das wird irgendwann einfach zu viel."

Malte H., Koch, hat die Ausbildung durchgehalten, will jetzt aber doch lieber Lehrer werden.

Die auszubildende Konditorin

"Ich habe durchaus darüber nachgedacht, abzubrechen. In der Gastronomie ist es sehr anstrengend, da wird viel gefordert und am Anfang überfordert einen das. Die Chefs erwarten auch, dass man von Anfang an den Standard des Hauses einhält, es geht ja immer um die Kunden. Alles muss flott sein, da herrscht manchmal ein rauer Ton. Wenn man daran nicht gewöhnt ist, ist das sehr nervenaufreibend. Weil ich in einem guten Unternehmen bin, werde ich besser bezahlt als manche andere in meiner Klasse. Ich komme hin mit meinem Geld, aber ich weiß, dass manche Konditorinnen stöhnen. Schwierig sind die Arbeitszeiten. Ich bin im Schichtdienst, habe jede Woche einen anderen Dienst. Das ist nicht so cool, weil dadurch mein soziales Leben auf der Strecke bleibt. Auch Überstunden gibt es zwar, aber die werden weggemogelt auf dem Papier. Aber ich ziehe das jetzt durch, ich bin kurz vor meiner Zwischenprüfung und so weit gekommen. Das ist das, was ich später mal machen will."

Laura L. macht in einer berühmten Gastronomiekette eine Ausbildung zur Konditorin und ist jetzt im zweiten Lehrjahr.

Der Personaler

"Selbst in den 5-Sterne-Hotels, in denen sehr gut bezahlt wird, brechen im Laufe der drei Jahre von 25 Auszubildenden oft zehn ihre Lehre ab. Das wird inzwischen einkalkuliert. Der Grund ist meiner Einschätzung nach oft ganz einfach Faulheit. Manche denken wohl, man wird sofort Hotelmanager. Dass 80 Prozent der Arbeit als Hotelfachmann körperliche Arbeit ist, das haben sich einige anders vorgestellt. Das ist aber auch nicht nur die Schuld der Auszubildenden: In einem Praktikum wird man noch an die Hand genommen, da zeigt dir einer, wie schön alles ist. Natürlich wird auch darauf hingewiesen, dass die Arbeit kräftezehrend ist. Aber selbst wenn man einen Vorgeschmack davon bekommt: Für eine kurze Zeit kann man sich zusammenreißen und das aushalten. In vielen Betrieben muss man heute allerdings nicht mal dieses Praktikum vorweg machen. Weil der Azubi-Mangel so groß ist, wird fast jeder angestellt. Da braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn die Lehrlinge nach kurzer Zeit wieder abbrechen. Wer zum Bewerbungsgespräch ein vernünftiges Hemd trägt und ordentlich gekleidet ist, sticht ja schon positiv heraus. Beim Gehalt sind viele allerdings fordernd: Die jungen Leute wissen, dass Fachkräfte knapp sind und dass sie deshalb mehr Geld verlangen können."

Der Personaler möchte anonym bleiben. Er hat selbst eine Ausbildung zum Hotelfachmann erfolgreich absolviert und anschließend einige Jahre in der Personalabteilung eines Fünfsternehotels in Norddeutschland gearbeitet.

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