Süddeutsche Zeitung

Berufsanfänger:Trotz Abschluss ohne Job

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Die Arbeitslosenquote unter Akademikern lag in den letzten Jahren nur bei 2,5 Prozent. Doch nicht bei allen läuft der Berufseinstieg reibungslos.

Nach seinem Zivildienst war für Andreas P. klar: In seinen ursprünglichen Handwerksberuf möchte er nicht mehr zurück. "Das hat einfach nicht mehr gepasst", sagt der 46-jährige Münchner. Er begann, Sozialpädagogik zu studieren. 2001 machte er sein Diplom. Danach begann eine fast 15-jährige Suche nach einem festen Arbeitsplatz. Der Oberbayer hatte befristete Jobs, Stellen mit mieser Bezahlung und zwischendurch gar nichts. Erst Ende 2015 im Alter von 45 Jahren schaffte er es, unbefristet unterzukommen.

Fast 300 000 junge Menschen schließen jedes Jahr in Deutschland die Hochschule ab. Die meisten schaffen danach den Berufseinstieg. Allerdings bei Weitem nicht alle. Um die 2,5 Prozent betrug in den vergangenen Jahren die Arbeitslosenquote unter Akademikern. Im Jahresdurchschnitt sind nach Angaben der Bundesarbeitsagentur etwa 200 000 Männer und Frauen mit akademischem Abschluss ohne Job.

Vor allem Akademiker, die einen Arbeitsplatz in der Werbung suchen, trifft nach Aussage der Arbeitsagentur häufig die Erwerbslosigkeit. Schwierig ist die Situation aber auch für Hochschulabsolventen, die im Journalismus arbeiten möchten. Historiker, Biologen und Politikwissenschaftler kommen ebenfalls nicht immer sofort unter. Am geringsten ist die Arbeitslosigkeit bei Medizinern, Bankern, Lehrern und Informatikern. Sozialarbeiter liegen im Mittelfeld.

Viele Jobs im sozialen Bereich, so die Erfahrung von Andreas P., werden durch Beziehungen vermittelt. Neueinsteiger ohne Kontakte in die Szene hätten es schwer. Je länger es jemand nicht schafft, eine feste Stelle mit fairer Bezahlung zu ergattern, umso schwieriger wird die Suche. Weil es bei ihm nicht gleich geklappt hatte, musste der Münchner viele Jahre lang zum Jobcenter. Das habe ihn fertiggemacht, sagt er: "Die Mechanismen, die hier greifen, vor allem die angedrohten Sanktionen, zerstören das Selbstbewusstsein und demotivieren." Damit wird dem Sozialpädagogen zufolge ein Teufelskreislauf in Gang gesetzt. Je zermürbter ein Stellenbewerber ist, umso schlechter kommt er bei Vorstellungsgesprächen rüber: "Die Arbeitgeber merken das sofort."

Dass ein "Job" auch im akademischen Sektor nicht gleich "Job" ist, bestätigt Elke Hannack, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). "Die Chancen auf einen Job stehen bei Akademikern zwar gut, allerdings sind sie häufiger befristet angestellt als Facharbeiter", sagt sie. Oftmals folge ein befristeter Job auf den nächsten. "Allein an den Hochschulen sind 90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter befristet beschäftigt. Das ist ein echter Skandal."

Nicht weniger skandalös sei mancherorts auch die Bezahlung. 4,1 Prozent aller Akademiker, die im Westen tätig sind, und 7,4 Prozent aller im Osten beschäftigen Hochschulabsolventen verdienen nach Erkenntnissen des DGB weniger als zehn Euro pro Stunde. Vor allem Architekten und Journalisten erzielten vielfach nur sehr niedrige Einkommen.

Ältere Akademiker sind meist besser gesichert als Neueinsteiger, da sie unbefristete Jobs haben. Sie werden darum auch seltener erwerbslos. "Sollten sie in höherem Alter jedoch arbeitslos werden, dann haben sie teilweise Probleme, wieder in den Arbeitsmarkt hineinzukommen", ergänzt Ute Klammer, Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen.

Dass inzwischen 60 Prozent aller Schulabgänger an eine Hochschule gehen, sei nicht nur positiv zu sehen, findet Charlotte Venema, Leiterin der Beruflichen Bildung beim Arbeitgeberverband Hessenmetall. Die hohe Anzahl akademischer Abschlüsse führe auch zu ihrer Entwertung. In der Folge erfüllten sich die Joberwartungen vieler Hochschulabsolventen nicht.

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SZ vom 11.03.2017 / SZ, epd
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