Berufliche Niederlage:Schöner scheitern

Berufliche Niederlage: Wer ein Projekt so richtig in den Sand gesetzt hat, schämt sich. Und sollte dann nach vorne schauen.

Wer ein Projekt so richtig in den Sand gesetzt hat, schämt sich. Und sollte dann nach vorne schauen.

(Foto: la dina / photocase.de)

Wer im Job etwas so richtig vergeigt, fühlt sich schlecht. Doch das muss nicht sein. Wenn man die Niederlage aus einer anderen Perspektive betrachtet.

Von Christina Waechter

Als Markus S. seinen Freizeitpark eröffnete, hatte er eigentlich an alles gedacht: Er hatte ein originelles Konzept für eine Outdoor-Anlage mit einem großen Hanf-Labyrinth entwickelt. Er hatte einen Startup-Wettbewerb mit seiner Idee gewonnen. Er hatte schon im Vorfeld gute Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Er glaubte fest an seine Idee und war guten Mutes. Bis es am Tag der Eröffnung zu regnen anfing. Und zwei Monate lang nicht mehr aufhörte. Jeden Abend ging er ins Bett und hörte das Prasseln des Regens. Und konnte kaum einschlafen, weil er wusste: Am nächsten Tag würde wieder kein Mensch seinen Freizeitpark besuchen. Jeder weitere verregnete Tag bedeutete: keine Einnahmen trotz Kosten. Solange, bis er den Park wieder zumachte.

Scheitern schmerzt

Scheitern kann weh tun. Wenn man die Ziele, die man sich gesteckt hat, einfach nicht erreicht. Oder wenn man ein Projekt, an dem man monate-, manchmal jahrelang gearbeitet hat, so richtig in den Sand setzt. Es kann sehr lange dauern, bis man sich davon erholt. Für manche Menschen ist dieser Moment des Scheiterns so dramatisch, dass sie anfangen, sich nur noch über diesen negativen Moment zu definieren. Und dann wird es schwierig. Denn wer von sich selbst ein so negatives Bild hat, der hat kaum mehr die Kraft dazu, sich aus dem Schlamassel zu ziehen. Oder sich gar an eine neue Idee zu wagen.

Deshalb sollte man eigentlich schon zu Beginn des Berufslebens lernen, wie man mit Scheitern umgeht. Doch mit dem Thema wollen sich die wenigsten Menschen beschäftigen. Marcel Rasche ist eine Ausnahme. Der 25-Jährige veranstaltet in München die "Epic Fail Night", eine Veranstaltung, auf der jeden Monat Menschen davon erzählen, wie sie einmal ein Projekt so richtig in den Sand gesetzt haben. Wie der Mann, der die größte Kopfhörerparty Europas veranstalten wollte. Und dann so kapitale Marketing-Fehler gemacht hat, dass kaum jemand zur Party kam und er an einem einzigen Abend 100 000 Euro Miese machte - der Kaufpreis für all die kabellosen Kopfhörer, die jetzt seinen Keller füllen.

Scheitern = Scham?

Bei einer "Epic Fail Night" gibt es meist drei Vortragende, die berichten, was bei ihnen schon mal richtig schief gelaufen ist. Viele der Speaker kommen aus der Startup-Szene. Eigentlich logisch, findet Marcel Rasche: "Bei einem Unternehmen übernimmst du ein Konzept, das seit 50 Jahren so funktioniert. Da geht es nur darum, sicherzustellen, dass es auch weiter läuft. Aber beim Startup fängt man bei Null an und muss ganz viele Fragen für sich beantworten: Wie stellt man jemanden ein? Wie führt man Mitarbeiter? Wie bekommt man Förderung? Da ist es doch normal, dass man da oft auf die Schnauze fällt." Nicht umsonst ist der Leitspruch des Silicon Valley: "Scheitere früh, scheitere oft, damit du schneller etwas erreichst."

Doch was in Kalifornien zum guten Ton gehört, ist hierzulande ein echtes Tabu-Thema. Marcel Rasche glaubt, dass die Deutschen ein ganz besonders großes Problem mit dem Scheitern haben, sich das einzugestehen und nach außen zu zeigen. "Scheitern ist mit Scham verbunden. Aber ich glaube, das muss nicht sein."

Der perfekte Lebenslauf - bis zum Crash

Rasche selbst sagt von sich, dass er noch bis vor vier Jahren den perfekten Lebenslauf hatte. Mit 21 hatte er seinen Bachelor und fing gleich darauf an, seine Doktorarbeit in Wirtschaftsingenieurwesen zu schreiben. Von einem dualen Studiengang mit hohem Praxis-Anteil wurde er in die rein akademische Welt des Doktoranden geschickt und fühlte sich von Anfang an ziemlich verloren. Gleichzeitig gründete er ein Unternehmen, das auch nicht sofort schwarze Zahlen schrieb. An sich ganz normal. "Aber ich konnte damit nicht umgehen, dass ich weder mit der Doktorarbeit noch mit dem Unternehmen richtig vorangekommen bin. Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich einfach emotional nicht reif war. Unternehmertum gibt dir keinen Titel und am Anfang auch keine großen Einkünfte. Eigentlich total okay, aber ich habe mich geschämt, mich immer mehr zurückgezogen - und nach einem Jahr beides abgebrochen."

Von der Niederlage zur Chance

Was zunächst wie eine Niederlage aussieht, stellte sich für Marcel Rasche als Chance heraus. Er ging noch mal zur Uni und lernte, was er wirklich machen will. "In dem Jahr habe ich festgestellt, dass ich nicht nur Unternehmer sein will. Ich liebe es, etwas Neues aufzubauen, das motiviert mich sehr. Aber ein anderer Teil von mir ist extrem von Schauspielerei fasziniert." Also begann Rasche noch während seines Studiums in Amsterdam mit Schauspiel-Kursen, spielte in zwei Kurzfilmen mit und will sich im kommenden Jahr ganz der Schauspielerei widmen.

Das ging nicht ohne Konflikte. Vor allem mit seinem Vater gab es immer wieder Probleme, weil der wollte, dass sein Sohn wenigstens den Master-Abschluss macht. Zwei Jahre lang war das ein schwieriges Thema zwischen Vater und Sohn. Bis die Eltern endgültig verstanden, dass ihr Sohn momentan kein Interesse an einem weiteren akademischen Abschluss hat.

Wer scheitert, verliert leicht den Überblick

Doch nicht jeder kann so positiv auf sein eigenes Versagen schauen. Denn die Angst davor sitzt bei den meisten Menschen tief, sagt Psychologe Bernd Reichmann. Der Therapeut aus Stuttgart weiß, warum wir so viel Furcht vor dem Versagen haben: "Die meisten Menschen verlieren den Blick aufs Ganze, sobald sie in einer schwierigen Situation sind. Sie können sich nur noch auf den einen Fehler konzentrieren und der wird in ihrer Wahrnehmung irgendwann so groß, bis er alles andere verdeckt."

Wer zu viel über die Gründe für sein Scheitern grübelt, verliert den Überblick. Und sieht nicht mehr seine gesamte Erfolgsbiografie, die sehr viel mehr beinhaltet, als den einen Fehler. Wer dagegen auch im Moment der großen Niederlage seine Erfolge nicht aus den Augen verliert, findet leichter wieder zu ihnen zurück.

Für Marcel Rasche ist vor allem das Reden übers Scheitern therapeutisch. "Das Interessante ist doch, dass man ganz spezifisch herausfinden kann, warum man gescheitert ist. Daraus können wir sehr viel lernen. Mit dem Gelernten starten wir dann noch mal neu und schon ist vieles leichter geworden. Je früher man es sich eingesteht, desto weniger muss man hinterher aufräumen."

Und wenn genug Zeit und Abstand gewonnen ist, dann wird auch aus dem schlimmsten Tag des Lebens vielleicht eine lustige Anekdote, mit der man anderen Menschen Mut machen kann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: