Süddeutsche Zeitung

Berufe-Serie (I):Was macht ein Outplacement-Berater?

Branchenwechsel nach einer Entlassung - das ist heute keine Seltenheit mehr. Doch viele Arbeitsuchende brauchen Unterstützung auf ihrem Weg in ein neues Leben. Dabei hilft ihnen Berater Alexander Daub.

Tobias Brunner

Inzwischen überrascht Alexander Daub nur noch wenig. Ein IT-Manager, der einen Bio-Supermarkt eröffnet? Ein Abteilungsleiter, der als Sachbearbeiter von vorne beginnt? Alles schon mal da gewesen. Kündigung, Neuanfang, Branchenwechsel - all das gehört zu Daubs Alltag. Denn der 43-Jährige ist Outplacement-Berater und verhilft Entlassenen möglichst schnell zu einer neuen Stelle. Man könnte daher vermuten, Daub sei eine Art moderner Berufsberater. Aber das würde seiner Arbeit nicht gerecht werden. Und erklärt nur einen Teil von Outplacement.

"Unsere Klienten sollten sich auch persönlich weiterentwickeln", sagt Daub, der 2003 zusammen mit seinem Vater die OBM Outplacement Beratung München in ihrer heutigen Form gründete. Nur wer sich selbst genau kenne, könne auch eine neue Anstellung finden. Etwa wenn ein Banker bemerkt, wie langweilig das Büro ist und wie spannend stattdessen der Einzelhandel. Daub fragt deshalb: "Welche Qualifikationen oder Leidenschaften gibt es, die man einbauen kann?" Nicht selten ist das ein Fachwissen aus der Freizeit.

Um die versteckten Talente aufzuspüren, nutzen Daub und seine 38 Mitarbeiter vor allem Fragebögen. Über Stärken, Schwächen, Interessen. Gefragt werden die Betroffenen, aber auch Familie und Freude. "Wir lernen aus der Vergangenheit", erklärt Daub. Einmal pro Woche treffen sich Klient und Berater, stets unter vier Augen. Biografie, Erfolge, Misserfolge - viele kleine Mosaiksteine ergeben ein Gesamtbild. Ist das Ziel klar, lernen die Bewerber, sich richtig zu verkaufen und wie sie am besten im Gespräch auftreten.

Für Daub heißt das: Er muss gut zuhören, muss den Menschen kennenlernen. Und er muss die richtigen Worte finden "in einer schweren Phase des Lebens". Das Taktgefühl - vielleicht kennt der Berater in seiner Branche deshalb mehr Frauen als Männer. Er achtet jedenfalls genau darauf, wen er einstellt. Er selbst hat in der Schmuck- und Uhrenindustrie begonnen, bei OBM arbeiten Betriebswirte, Techniker, Pädagogen. Alle kommen aus Führungspositionen, keiner ist jünger als 37 Jahre. "Sie sollen beide Seiten des Schreibtisches kennen", so Daub. Manch andere Firmen setzen ein Studium voraus.

So unterschiedlich die Lebensläufe der Berater, so breit auch ihre Klientel: Versicherungen, Maschinenbau, Finanzwesen oder IT-Industrie, darunter Vorgesetzte und Fabrikarbeiter. Zwischen 85 und 95 Prozent aller Klienten würden am Ende erfolgreich vermittelt. Im Durchschnitt dauere das rund fünf Monate. Je nach Firma und gebuchten Monaten variieren die Preise. Einen festen Satz hat nur die seltene "unlimited Beratung" auf unbegrenzte Zeit und mit Vermittlungsgarantie. 22 Prozent vom letzten Bruttojahreseinkommen sind es da. Die Kosten für alle Beratungen übernimmt der ehemalige Arbeitgeber.

Doch warum sollten Firmen überhaupt Geld für jemanden ausgeben, der sowieso entlassen wird? Daub beantwortet die Frage mit der "sozialen Verantwortung". Wichtiger ist auch der Ruf: Wem nachgesagt wird, sich bis zuletzt um seine Angestellten zu kümmern, kann auch wieder einfacher neue gewinnen. Für die Outplacementberatung aber birgt dieses Motiv ein Dilemma. Zwar wird in der Krise mehr Menschen gekündigt. Doch wenn das Geld knapp ist, kürzen Unternehmen auch beim Service. Und damit bei der Beratung. "Es hilft uns, wenn es der Industrie gutgeht", sagt Daub.

Ohnehin würden in Deutschland zu wenige Menschen das Angebot kennen. Der BDU-Fachverband Outplacementberatung zählt gerade einmal elf Mitglieder. Rund 40 Anbieter bezeichnet Daub als "relevant für den Markt". Der Jahresumsatz liegt bei rund 53 Millionen Euro. Anders in den USA: Nach dem Zweiten Weltkrieg für Soldaten geschaffen, gehören die Beratungen dort zum Alltag. In Frankreich sind Firmen bei mehr als 50 zeitgleichen Entlassungen gar zu Outplacement verpflichtet. Bis es auch in Deutschland Standard wird, müsse die Politik noch viel ändern, glaubt Daub. Falls es aber doch einmal so weit kommt - es würde ihn kaum mehr überraschen.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2012/wolf
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