Beruf:Welche Probleme ein großer Name im Job mit sich bringt

Für die Karriere kann er Türöffner sein - oder Bürde. Sechs Menschen erzählen.

Von Juliane von Wedemeyer

Man ergreift einen Beruf, gibt sein Bestes, versucht, sich einen Namen zu machen. Was aber, wenn das schon die Generation vorher erledigt hat? Sechs Töchter, Neffen und Söhne, die sich für den selben Beruf wie bekannte Verwandte entschieden haben, erzählen.

Der Politiker

"Natürlich verbinden die meisten Leute mit dem Namen Lambsdorff etwas. Manche glauben, dass man als Adliger ohnehin ein arroganter Schnösel ist, und bei anderen habe ich meines Onkels wegen gleich einen Bonus. Das legt sich in der Regel aber beides, sobald sich die Leute ein realistisches Bild von mir machen können.

Trotzdem ist der Name Lambsdorff wie ein brand, vor allem bei den Älteren. Ich denke, der Name steht für Präzision, Kompetenz, Seriosität. Das möchte ich nicht ändern. Mir ist immer bewusst, dass mein Verhalten in der Öffentlichkeit über meine eigene Person hinaus auch das Ansehen meiner Familie beeinflusst.

Beruf: Alexander Graf Lambsdorff, Jahrgang 1966, ist Vize-Präsident des Europäischen Parlaments und gehört dem FDP- Bundesvorstand an. Sein Onkel ist der frühere Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff.

Alexander Graf Lambsdorff, Jahrgang 1966, ist Vize-Präsident des Europäischen Parlaments und gehört dem FDP- Bundesvorstand an. Sein Onkel ist der frühere Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff.

(Foto: Foto: Sabine Schründer)

Mein Onkel und ich standen uns sehr nah. Er war mein Patenonkel und wohnte wie ich damals in Bonn. Wir sahen uns regelmäßig, auf Familienfeiern, aber auch auf Parteiveranstaltungen. Ich konnte ihn stets um Rat fragen. Er hat mir beispielsweise mitgegeben, wie wichtig innere Unabhängigkeit für Politik ist. Darum bin ich Diplomat geworden - wie mein Vater Hagen. Das hat mir zehn Jahre großen Spaß gemacht. Und falls es eines Tages mit der Politik vorbei ist, kann ich wieder in diesen Beruf zurückkehren.

Ich denke schon, dass es mit meinem Onkel zu tun hat, dass ich in die FDP eingetreten bin. Den Weg in die Partei hat mir der Name allerdings nicht erleichtert. Als ich 1987 den Mitgliedsantrag abgeschickt hatte, bekam ich monatelang keine Antwort. Und als ich dann beim Kreisverband nachgefragt habe, konnten sie den Antrag nicht finden. Sie hatten ihn verschlampt. Als ich endlich Mitglied war, habe ich selbstverständlich zuerst ehrenamtlich im Ortsvorstand mitgearbeitet, mit allem, was dazu gehört: Plakate kleben, Podiumsdiskussionen, Arbeitskreise.

Mein Onkel ist für mich auf jeden Fall ein politisches Vorbild: Er hat sich nicht verbogen, hatte seine Kanten und war ein Mann der freien Rede. Solche Menschen gibt es heute eher selten in der Politik. Manche Dinge hat er natürlich ganz anders gesehen als ich - gerade in der Europapolitik. Ich wäre zum Beispiel für eine Art europäisches FBI, denn die Terrorbekämpfung ist ein europäisches Problem. Da sehe ich direkt vor mir, wie mein Onkel bei dieser Idee skeptisch seine Augenbrauen über die Brillengläser zieht."

"Was ist der Name, was das Erbe, was einfach meine Person?"

Die Unternehmerin

"Wenn es darum geht, meinen Antrieb zu erklären, fällt es mir schwer zu unterscheiden: Was ist der Name, was das Erbe, was einfach meine Person? Ich denke, es ist eine Melange aus allem. Ein gewisser Leistungsdruck ist da, ganz klar. Ich weiß, wie viel Zeit und Lebensenergie die Generationen vor mir eingesetzt haben, um das Unternehmen aufzubauen oder erfolgreich weiterzuführen. Da habe ich einen Auftrag mitbekommen, den ich erfüllen will. Darum neige ich auch zum Perfektionismus.

Mein Großvater hat immer gesagt: Der Name verpflichtet. Auf der einen Seite ist er ein ganz klares Qualitätsversprechen an unsere Kunden - wie mein Urgroßvater schon sagte: Ich bin nicht reich genug, um billig einzukaufen. Und auf der anderen beinhaltet er einen Wertekanon, auch gegenüber Mitarbeitern und Geschäftspartnern: Respekt, Nachhaltigkeit, Berechenbarkeit, Fairness, Ehrbarkeit. Als Namensträgerin stehe ich da in der Tradition.

Beruf: Annette Roeckl, Jahrgang 1967, leitet das gleichnamige Unternehmen für Mode-Accessoires, das 1839 von Jakob Roeckl als Handschuh-Schneiderei in München gegründet und erst Hoflieferant und später Marktführer wurde.

Annette Roeckl, Jahrgang 1967, leitet das gleichnamige Unternehmen für Mode-Accessoires, das 1839 von Jakob Roeckl als Handschuh-Schneiderei in München gegründet und erst Hoflieferant und später Marktführer wurde.

(Foto: OH)

Ich bin ja mit dem Unternehmen aufgewachsen. Als Kind habe ich mir Fuchzgerl dazuverdient fürs Verpacken und Sortieren. Später habe ich opponiert. Das Erbe des Namens - das war mir alles zu viel. Ich habe eine Zeitlang sogar nicht mal mehr Handschuhe getragen. Mit 26 habe ich dann trotzdem im Haus eine Ausbildung angetreten - zur Handelsfachwirtin und praktischen Betriebswirtin. Dass ich die Tochter war, konnte ich natürlich niemandem verheimlichen. Diesen Aspekt habe ich tatsächlich als schwierig empfunden. Man war eben nie nur Kollegin.

Damals habe ich das Archiv durchstöbert, das meine Mutter zusammengetragen hat: alte Dokumente, Schnittmuster, Werbezeichnungen. Da habe ich gemerkt, dass unsere Tradition nur entstehen konnte, weil die Firma wandlungsfähig und innovativ war. Inzwischen habe ich auch einiges im Unternehmen verändert, ich habe es beispielsweise um eine Seidentuch- und Taschenproduktion erweitert."

Der Produzent

"Musik ist sehr wichtig für mich - schon immer. Nicht nur mein Vater hat Platten gemacht, auch mein Onkel. Das ist bei uns so ein Familiending. Ich habe gar nicht wirklich drüber nachgedacht, ob ich denselben Beruf ergreife oder nicht. Ich musste es tun. Es ist in meinem Blut. Mit 17 habe ich in Studios in London gearbeitet und später in Los Angeles. So konnte ich von vielen Musikproduzenten lernen. Natürlich habe ich auch viel selbst ausprobiert. Aber mein Vater war mein erster Lehrer und sicher auch der mit dem größten Einfluss.

"Mein Vater gehört da zur Lokalprominenz"

Mein Name war am Anfang meiner Karriere sicher hilfreich. Er war in der Branche ein Türöffner, hat die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Die Leute haben sich dafür interessiert, was ich mache. Aber oft haben sie dann zuerst gedacht, dass ich genauso arbeite oder genauso gut bin wie Glyn Johns. Doch wir sind sehr verschieden.

Mittlerweile habe ich drei Solo-Alben herausgebracht. Meine eigene Musik ist beeinflusst von der Musik, die mich in meiner Kindheit umgeben hat. Das erste Album "If not now then when?" hat mein Vater gemixt. Ich habe ihn aus zwei Gründen gefragt: Erstens war es für mich eine große Chance, mit einem der besten Musikproduzenten der Welt zu arbeiten. Und zweitens wollte ich meinem Vater wieder beim Arbeiten zuschauen. Ich wollte uns die Erinnerung an ein gemeinsames Werk schaffen. Es ist aber nicht so, dass meinem Vater alles gefällt, was ich tue. Da ist er auch sehr ehrlich. Aber ich finde ja auch nicht alles toll, was er macht."

Beruf: Ethan Johns, Jahrgang 1969, ist ein britischer Musikproduzent, der unter anderem mit Tom Jones und Ryan Adams zusammengearbeitet hat. Sein Vater Glyn Johns produzierte Alben für die Rolling Stones, die Beatles und die Eagles.

Ethan Johns, Jahrgang 1969, ist ein britischer Musikproduzent, der unter anderem mit Tom Jones und Ryan Adams zusammengearbeitet hat. Sein Vater Glyn Johns produzierte Alben für die Rolling Stones, die Beatles und die Eagles.

Der Illustrator

"Draußen im Oberland war der Name Reiser definitiv ein Faktor, zum Beispiel, als ich in Tölz zur Schule gegangen bin. Mein Vater gehört da zur Lokalprominenz. Aber er war nie abgehoben, er begreift sich eher als Handwerker. So war dann auch die Wirkung nach außen. Durch den Namen wurde ich meist sofort zugeordnet, aber es hieß nicht: Oh, dass ist der Sohn vom Künstler. Ich hätte genauso gut der Metzgersohn sein können.

Seit meinem Umzug nach München habe ich mir einen eigenen Namen gemacht, auch wenn mich künstlerisch viel mit meinem Vater verbindet. Zum Beispiel der Hang zum Übertriebenen, Bizarren oder der Spaß an der Hässlichkeit. Er ist ja ein akademischer Maler, ich bin eher ein Zeichner, ein Illustrator. Seine Bilder sprechen für sich, ich dagegen erzähle eher Geschichten. Trotzdem: Der Sohn vom Reiser zu sein, ist schon ein Qualitätsmerkmal, glaube ich, nach dem Motto: Dann kann's ja nicht ganz schlecht sein. Dem will man natürlich auch gerecht werden. Da kann man keinen Mist abliefern.

Beruf: Jan Reiser, Jahrgang 1978, arbeitet als freischaffender Illustrator, Karikaturist und Comiczeichner in München. Aufgewachsen ist er in der Umgebung von Bad Tölz als Sohn des Karikaturisten und Kunstmalers Hans Reiser.

Jan Reiser, Jahrgang 1978, arbeitet als freischaffender Illustrator, Karikaturist und Comiczeichner in München. Aufgewachsen ist er in der Umgebung von Bad Tölz als Sohn des Karikaturisten und Kunstmalers Hans Reiser.

(Foto: privat)

Ich weiß, dass sich mein Vater für mich freut, wenn ich Erfolg habe, und ich freue mich genauso für ihn. Dass ich später auch beruflich zeichnen oder malen will, stand für mich schon sehr früh fest. Mein Vater hat mir ja vorgelebt, dass Kunst ein ganz normaler Beruf sein kann, mit dem man eine Familie ernährt."

Die Schauspielerin

"Wir haben alle diesen Spieltrieb in der Familie. Der hat sich vererbt. Ich bin damit aufgewachsen, dass meine Eltern Filme drehen und auf Bühnen stehen. Das war für mich total normal. Und ich glaube, wenn etwas für einen selbstverständlich ist, wählt man es auch eher als eigenes Lebensmodell. Das ist bei Kindern, deren Eltern andere Berufe haben, ja nicht anders. Ich habe mit sechs angefangen, Filme mit meinen Eltern zu drehen. So gesehen habe ich mich gar nicht bewusst für diesen Beruf entschieden, es hat sich einfach ergeben. Als ich 16 war, konnte ich vom Schauspielen leben. Und die Schule fand ich blöd. Damals habe ich gar nicht die Notwendigkeit dafür gesehen. Ich habe ja mehr Geld verdient als die Lehrer.

"Ich hätte es auch schlechter treffen können"

Mit meinem Namen habe ich als Kind nicht nur Positives verbunden. Klar, die einen haben mit Neugierde oder sogar Verehrung darauf reagiert, die anderen dafür eher so: 'Glaub bloß nicht, dass du was Besseres bist!' Wenn ich in der Schule einen Fehler gemacht habe, hieß ich plötzlich 'Fräulein Thalbach', habe ich etwas gut gemacht, war ich nur 'Anna'. Später im Berufsleben war es auch so. So viele Türen, wie durch den Namen aufgegangen sind, haben sich auch wieder verschlossen. Das war ziemlich ausgeglichen.

Dass ich immer wieder auf meinen Namen und meine Familie angesprochen werde, wundert mich schon ab und zu. Aber es stört mich nicht. Ich mag meine Familie ja. Ich sehe meiner Mutter auch noch sehr ähnlich. Dass ich mit ihr öfter verglichen werde, nehme ich hin. Ich hätte es auch schlechter treffen können.

Drei Generationen Thalbach

Anna Thalbach (links), Jahrgang 1973, stammt aus einer alten Theaterfamilie und ist die Tochter der Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach (Mitte). Ihre Tochter Nellie (rechts) ist ebenfalls Schauspielerin.

(Foto: Jens Gyarmaty/VISUM)

Es gab einige Projekte, in denen wir dieselbe Person gespielt haben, ich eben die jüngere Version. Als für den Director's Cut Teile der Blechtrommel nachvertont wurden, haben sie mich gefragt, ob ich meine damals sehr junge Mutter synchronisieren könnte. Als ich sie dann im Originalton von 1979 als Maria Matzerath hörte, habe ich gemerkt: Wir klingen ja auch gleich! Meine Tochter Nellie sieht uns auch sehr ähnlich - und sie spielt auch. Ob sie auch Schauspielerin wird, steht aber noch nicht fest. Sie will sich erst einmal ausprobieren. Den Spieltrieb hat sie auf jeden Fall auch."

Der Metzger

"Der Name Bantle ist über die Kreisgrenzen hinaus bekannt, weil meine Familie auch viel auf Märkten unterwegs ist. Da weiß jeder, woher man kommt. Ich habe schon als Kind in unserer Metzgerei mitgeholfen. Zur Ausbildung bin ich dann in einen anderen Betrieb gegangen. Ich wollte nicht, dass mich die Kollegen zu vorsichtig behandeln, weil ich der Sohn von einem der Chefs bin. Und ich wollte auch einfach über den Tellerrand blicken.

Beruf: Gerd Bantle, Jahrgang 1971, wohnt in Bösingen am Rande des Schwarzwalds. Die meisten der nicht einmal 2000 Einwohner leben dort vom Fleisch. Als Urenkel vom Specksepp stammt Gerd Bantle aus einer der ältesten Metzgerfamilien.

Gerd Bantle, Jahrgang 1971, wohnt in Bösingen am Rande des Schwarzwalds. Die meisten der nicht einmal 2000 Einwohner leben dort vom Fleisch. Als Urenkel vom Specksepp stammt Gerd Bantle aus einer der ältesten Metzgerfamilien.

(Foto: privat)

Dass der Name mir tatsächlich Vorteile gebracht hätte, kann ich nicht sagen. Den Respekt musste ich mir erarbeiten. Ich habe eher eine gewisse Verantwortung gespürt, die Erwartungen zu erfüllen, die mit dem Namen verbunden sind. Im Betrieb wollte ich zeigen, dass ich das Gleiche leisten kann wie mein Vater und seine Brüder. Mein Vater war immer sehr bescheiden, das wollte ich auch sein - eher kleine Brötchen backen. Außerdem war mir wichtig, dass die Produkte ihre gute Qualität behalten. Ich habe mich beispielsweise bei der Wurstherstellung genau an die Rezepte meines Vaters gehalten. Und auch extra den Meister gemacht, weil ich gemeinsam mit meinen Cousins und Cousinen den Betrieb eines Tages übernehmen wollte. Doch dann ist mein Vater plötzlich schwer krank geworden. Und ohne seinen Rückhalt hat es sich für mich in unserer Metzgerei nicht mehr richtig angefühlt. Ich habe dann in anderen Metzgereien gearbeitet.

Heute bin ich nur noch aushilfsweise in meinem ursprünglichen Beruf unterwegs, mehr als Hobby. Mein Geld verdiene ich in der Logistikabteilung einer Fabrik. Aber meine Frau und eine meiner Schwestern sind immer noch in der Metzgerei Bantle angestellt."

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