Süddeutsche Zeitung

Beruf:Was beim Auslandsjob gilt

Wie ändert sich mein Gehalt im Ausland? Kann ich in Deutschland versichert bleiben? Und: Muss ich weiterhin in der Heimat Steuern zahlen? Experten erklären, was man beim Arbeiten im Ausland beachten sollte.

Von Catrin Gesellensetter

Singapur statt Stuttgart. Moskau statt München. Die Deutschen schweifen in die Ferne - auch beruflich. Laut einer Studie des Personalberatungsunternehmens ECA International ist die Zahl der Expatriates, also jener Angestellten, die ihren Job fern der Heimat verrichten, in den vergangenen zehn Jahren um 25 Prozent gestiegen. Der Trend dürfte anhalten. "Viele Arbeitnehmer versprechen sich von einem Auslandseinsatz einen Karriereschub", sagt Stefanie Andrelang, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Keller Menz Rechtsanwälte in München. Die Auswanderung auf Zeit will allerdings gut geplant sein. Es gilt nicht nur, Visa-, Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen zu besorgen. Zudem müssen diverse juristische Fragen geklärt werden.

Dürfen Unternehmen jeden Mitarbeiter ins Ausland schicken?

Nicht ohne weiteres. "Das Direktionsrecht erlaubt es Arbeitgebern normalerweise nicht, Beschäftigte gegen deren Willen ins Ausland zu schicken", sagt Andrelang. Ohne klare Regeln im Arbeitsvertrag könne selbst eine Dienstreise von wenigen Tagen Probleme machen - abgesehen davon, dass ein solches Vorgehen relativ unsinnig wäre. "Als Botschafter des Unternehmens im Ausland macht sich niemand besonders gut, dem man diese Rolle aufgezwungen hat", sagt die Juristin.

Wird der Arbeitsvertrag verändert?

Auch wenn der Arbeitsvertrag Auslandseinsätze grundsätzlich ermöglicht: "Eine Vertragsanpassung, die die Details der Entsendung und die rechtliche Situation bei der Rückkehr des Mitarbeiters regelt, ist in jedem Fall zu empfehlen", sagt Rechtsanwältin Andrelang. Weit verbreitet sind zum Beispiel Regelungen, nach denen Expatriates zwar Mitarbeiter des inländischen Arbeitgebers bleiben, ihr deutsches Beschäftigungsverhältnis aber für die Zeit des Auslandseinsatzes ruhen lassen. Zu einem bestimmten Stichtag - meist mit der Rückkehr des Beschäftigten - lebt der alte Vertrag mit allen Rechten und Pflichten wieder auf. So hat der Arbeitnehmer die Gewissheit, dass er zu Hause entweder seinen angestammten Job zurückbekommt oder zumindest eine gleichwertige Stelle in der alten Firma erhält.

Wie hoch ist die Bezahlung im Ausland?

Generell können die Parteien diesen Punkt frei verhandeln. Die Chancen, im Ausland besser zu verdienen, stehen allerdings gut - vor allem, wenn nicht nur der Beschäftigte selbst, sondern die ganze Familie der Heimat den Rücken kehrt. Der Hintergrund: Familienprobleme gehören laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young zu den Hauptursachen, warum Arbeitnehmer einen Auslandsaufenthalt vorzeitig abbrechen - für Unternehmen ein erhebliches Kostenrisiko. Um das zu senken, beteiligen sich Arbeitgeber oft nicht nur an den Umzugskosten oder den Mehrausgaben für eine Unterkunft vor Ort. "Vielfach unterstützen sie Eltern auch bei der Suche nach einer passenden Schule für den Nachwuchs und übernehmen sogar einen Teil der im Zielland anfallenden, oft sehr hohen Schulgebühren", weiß Expertin Andrelang. Auch beim eigentlichen Gehalt liegen Expatriates vielfach über dem Niveau ihrer Kollegen zu Hause. Dafür müssen sie in der Regel aber auch mehr leisten. "Normalerweise sind mit dem Gehaltsplus die Übernahme neuer Aufgaben und mehr Verantwortung des Angestellten verbunden", sagt Andrelang. Oft haben Mitarbeiter im Ausland weniger Unterstützung durch die Zentrale und müssen viele Entscheidungen in Eigenregie treffen.

Muss der Chef über die rechtlichen Risiken der Auslandstätigkeit aufklären?

Jein. "In der Regel wird sich der Arbeitgeber zwar bemühen, die meisten juristischen und steuerlichen Probleme zu lösen", sagt Christoph Fritz, Rechtsanwalt und Leiter des Bereichs "globale Beschäftigungsverhältnisse" bei der Kanzlei Heuser & Collegen in Duisburg. Zudem hat sich inzwischen eine ganze Branche auf sogenannte Relocation Services, also die Betreuung von Expatriates, spezialisiert - ein Angebot, das auch viele Arbeitgeber nutzen. Einen generellen Anspruch der Beschäftigten, vonseiten des Unternehmens umfassend über alle steuerlichen und sonstigen Besonderheiten des Ziellandes aufgeklärt zu werden, hat das Bundesarbeitsgericht jedoch verneint (Az.: 8 AZR 161/08).

Können die Mitarbeiter in Deutschland krankenversichert bleiben?

Manchmal. Relativ leicht haben es Kassenpatienten, die im Rahmen ihres deutschen Beschäftigungsverhältnisses für maximal zwei Jahre in ein EU-Land oder nach Liechtenstein, Island, Norwegen oder die Schweiz entsandt werden. Sie können sich auch im Ausland auf Kassenkosten behandeln lassen. Allerdings kommen AOK und Co. im Normalfall nur für diejenigen Leistungen auf, die sie auch im Inland bezahlen würden. Überschießende Kosten für landestypische Gesundheitsspezialitäten sollten angehende Expatriates daher über eine private Zusatzpolice abdecken.

In anderen als den genannten Ländern oder bei deutlich längerem Aufenthalt ist eine Mitgliedschaft in der deutschen Krankenkasse meist nicht mehr möglich. Arbeitnehmer müssen sich dann privat versichern. Wichtig: Die Police sollte auch für Drittländer gelten, also auch bei Urlaubs- oder Geschäftsreisen sowie Heimatbesuchen in Deutschland. Das ist nicht immer einfach. Grund: Private Gesellschaften verlangen vor Vertragsschluss einen Gesundheitscheck. "Bluthochdruckpatienten, Menschen mit Rückenleiden, aber auch schwangere Frauen gelten vielfach als nicht versicherbar", warnt Rechtsanwalt Fritz. "In Extremfällen bleibt nur die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber sich bereit erklärt, notfalls die Arztkosten im Ausland zu zahlen", warnt der Jurist.

Arbeitnehmer, die bereits privat krankenversichert sind, haben es leichter: Sie können ihre Inlandspolice auf eine sogenannte Anwartschaft reduzieren und stattdessen Auslandsschutz und Schutz für Besuche daheim vereinbaren. Zum Teil sind die Beiträge dafür sogar günstiger als für eine inländische private Versicherung.

Sind aus Deutschland entsendete Mitarbeiter noch Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung?

Je nachdem. Grundsätzlich gilt: Wer für eine im Voraus befristete Zeit von seinem Arbeitgeber ins Ausland geschickt wird, ist auch während der Entsendung Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung. Allerdings bleibt die Mitgliedschaft fern der Heimat nicht ewig bestehen: Im EU-Ausland sind es maximal 24 Monate. In Ländern, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen zur Rente geschlossen hat, können Arbeitnehmer zwischen zwölf und 60 Monate in Deutschland rentenversichert bleiben. In allen anderen Fällen sollte diese Frage im Vorfeld mit der Rentenversicherung geklärt werden. Wichtig: Erlischt - zum Beispiel nach Ablauf der jeweiligen Fristen - die verpflichtende Mitgliedschaft, können Interessierte ihre gesetzliche Rentenversicherung auf freiwilliger Basis weiterführen.

Gelten im Zielland deutsche Standards - zum Beispiel beim Arbeitsschutz?

Grundsätzlich können die Vertragsparteien frei vereinbaren, welches Recht am Einsatzort gelten soll. Doch es gibt Ausnahmen. "Öffentlich-rechtliche Vorschriften, etwa Regelungen zu Arbeitszeit oder Feiertagen richten sich stets nach dem Recht des Ziellandes", sagt Fritz. Zudem greift bei zwingenden Arbeitnehmerschutznormen stets die günstigere Variante. Wird also zum Beispiel eine nach Spanien entsendete Frau während ihres Auslandseinsatzes schwanger, gelten die weiter reichenden spanischen Mutterschutzvorschriften selbst dann, wenn vereinbart war, dass deutsches Recht zur Anwendung kommt.

Müssen die Arbeitnehmer weiterhin in Deutschland Steuern zahlen?

In welchem Land die Einkommensteuer anfällt, hängt von mehreren Faktoren ab. "Zum einen kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer noch einen Wohnsitz in Deutschland hat", sagt Uwe Nowotnick, Partner bei KPMG in München. "Wenn ja, bleiben der Arbeitslohn und sämtliche weiteren Einkünfte dem Grunde nach in Deutschland steuerpflichtig." Um zu verhindern, dass Expatriates sowohl vom deutschen als auch vom ausländischen Fiskus zur Kasse gebeten werden, hat die Bundesrepublik mit vielen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. "Sie halten auch die Lohnkosten der entsendenden Unternehmen im Zaum", sagt Steuerberater Nowotnick. Der aktuelle Stand ist auf den Internetseiten des Bundesfinanzministeriums veröffentlicht.

Besteht ein anwendbares Doppelbesteuerungsabkommen, ist zu unterscheiden: Unterhält das deutsche Unternehmen im Ausland ein eigenes Büro oder ist der Arbeitnehmer dort bei einer Tochtergesellschaft angestellt, zahlt er von Anfang an im Zielland Steuern. Wird er indes als Einzelkämpfer in ein Land geschickt, in dem der Arbeitgeber noch keine betrieblichen Strukturen unterhält, fällt die Einkommensteuer vorerst in Deutschland an. "Erst ab einem Aufenthalt von mehr als 183 Tagen geht das Recht, Einkommensteuer auf Arbeitslohn zu erheben, aufs Zielland über", so Nowotnick. Noch komplizierter liegen die Dinge in Staaten, mit denen kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht wie etwa Brasilien oder Hongkong. Um Doppelbelastungen zu vermeiden, sollten angehende Expats sich in solchen Fällen daher unbedingt individuell beraten lassen.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2014/holl
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