Beruf und Kind:Riskante Rückkehr

Berufstätige Mütter genießen besonderen Schutz. Trotzdem werden sie oft mit Tricks aus dem Job gedrängt. Findige Anwälte schulen Führungskräfte sogar darin, wie sie junge Frauen loswerden.

Isa Hoffinger

Sonnenblumen, Margeriten und Chrysanthemen. Maria Weber kann sich noch gut an den üppigen Strauß erinnern, den sie zur Geburt ihres Sohnes bekam. Ihr Arbeitgeber, eine Spedition aus Baden-Württemberg, hatte ihr die Blumen ins Krankenhaus geschickt. Ein Jahr später, so war es ausgemacht, wollte die 33-jährige Kauffrau wieder arbeiten gehen.

Doch als sie im Büro erschien, legte der Chef ihr einen Aufhebungsvertrag vor und bot ihr eine Abfindung von 2000 Euro an. "Ich habe das überhaupt nicht verstanden und fühlte mich überfahren", sagt Maria Weber, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die Alleinerziehende akzeptierte das Angebot. Heute jobbt sie in einem Schuhgeschäft, als Aushilfe.

Zuerst Glückwünsche, dann die Kündigung: Viele Arbeitgeber pokern, wenn es um die Beschäftigung von Frauen nach der Babypause geht. Das Elternzeitgesetz regelt zwar, dass Mütter an ihren Arbeitsplatz zurückkehren dürfen, aber da sich die wenigsten Frauen bei Auseinandersetzungen einen Anwalt suchen, gelingt es Arbeitgebern immer wieder, die Gesetze zu umgehen.

"Manche Firmen wiegen die Mütter zuerst in Sicherheit", sagt Monika Hirsch-Sprätz von der Mobbingberatung Berlin-Brandenburg. "Wenn Frauen dann überraschend eine Kündigung oder ein Auflösungsangebot bekommen, sind sie meist so geschockt, dass sie sich nicht fristgerecht wehren."

Vier Wochen nach dem Erhalt einer Kündigung haben die Betroffenen Zeit, Klage beim Arbeitsgericht einzureichen. Davor müssen sie sich beraten lassen, Gespräche mit dem Betriebsrat oder mit einem Anwalt führen. Das kostet Kraft. In vielen Fällen ist es auch nicht leicht, Beweise zu finden, mit denen man einen Prozess gewinnen kann. Vor allem Mütter, die nach der Geburt Teilzeit arbeiten möchten, werden oft mit List aus ihrem Job gedrängt. "Die Vorgesetzten brauchen ihnen nur die Nachmittage zum Arbeiten anzubieten. Mit den meisten Kinderbetreuungszeiten lässt sich das nicht vereinbaren", sagt Hirsch-Sprätz.

Schulung für Kündigungen

Während Müttern der Mut und häufig auch das Geld fehlen, um juristische Schritte zu unternehmen, haben Betriebe in der Regel findige Anwälte. Einige Kanzleien bieten Schulungen an, in denen Führungskräfte umfassend über Kündigungsschutzfristen, das Teilzeitgesetz und Antidiskriminierungsvorschriften informiert werden.

Die Mobbingberaterin Hirsch-Sprätz hat an einem solchen Seminar teilgenommen. "Ich hatte den Eindruck, dass sich Anwälte und Führungskräfte gegenseitig übertrafen, als es darum ging, die wirksamsten Methoden auszutauschen, mit denen man unerwünschte Arbeitnehmerinnen loswerden kann", sagt sie. Mütter auf subtile Weise zu mobben oder nach der Elternzeit zu degradieren, sind nur zwei der vielen Möglichkeiten, die Arbeitgeber haben.

Auch strukturelle Probleme erschweren Frauen den Wiedereinstieg. "Wenn Frauen nach der Elternzeit wieder einsteigen möchten, stehen sie oft vor dem Problem, dass ihre alte Stelle gestrichen wurde und eine angemessene Eingliederung kaum noch möglich ist", sagt Brigitte Völsen, Personalrätin der Stadt Darmstadt und für die Gewerkschaft Verdi im Fachbereich öffentlicher Dienst tätig.

Nicht nur Chefs, auch Kollegen betrachten Mütter manchmal als Störfaktoren. "Für Kolleginnen, die in Mutterschutz gehen, wird oft erst sehr spät eine Vertretung gesucht. In der Übergangszeit sind die Abteilungen unterbesetzt", sagt Völsen. "Die Kollegen müssen sich abrackern." Kein Wunder also, dass Wiedereinsteigerinnen von ihren Kollegen nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden, sondern mit Ressentiments.

Auf der nächsten Seite: Nicht nur der Arbeitgeber erschwert den Wiedereinstieg.

Riskante Rückkehr

Mütter gelten als nicht belastbar und unflexibel. Sie dürfen zehn Tage im Jahr zu Hause bleiben, wenn ihre Kinder krank sind und müssen häufig pünktlich gehen, um den Nachwuchs aus dem Kindergarten oder von der Schule abzuholen. Diese Nachteile lassen sich nicht leugnen. Dass viele Unternehmen durch eine familienfreundliche Personalpolitik auch Vorteile haben könnten, wird oft nicht gesehen.

Unterstützung für mütterfreundliche Betriebe

Doch eine Kosten-Nutzen-Analyse der Prognos AG ergibt, dass eine Firma mit 1500 Mitarbeitern und einem Frauenanteil von 44,6 Prozent jedes Jahr im Schnitt 75000 Euro sparen könnte, wenn sie Teilzeitmodelle oder Kinderbetreuungsangebote einführen würde. Um mehr Firmen zum Umdenken zu bewegen, hat die Bundesregierung im März das "Aktionsprogramm Wiedereinstieg" gestartet. Betriebe, die Mütter integrieren, sollen unterstützt werden.

Auch die Berufundfamilie GmbH, eine Tochter der Hertie-Stiftung, vergibt ein Gütesiegel an Unternehmen, die sich für die Vereinbarkeit von Job und Familie engagieren. Verliehen wird es von Familienministerin Ursula von der Leyen. Für die Firmen, die das Zertifikat bekommen und am "Audit familiengerechtes Unternehmen" teilnehmen, ist das eine gute Werbung. Von drei Millionen deutschen Firmen erhielten seit 2003 trotzdem nur 500 das Zertifikat der Berufundfamilie GmbH. Darunter sind vorbildliche Arbeitgeber, etwa die Weleda AG.

Trotzdem gab es auch in zertifizierten Unternehmen Fälle von Müttermobbing. Hochqualifizierte Mitarbeiterinnen sollen bei einer großen deutschen Bank nach der Elternzeit degradiert worden sein. "Im Rahmen des Audits Berufundfamilie können keine arbeitsrechtlichen Einzelfälle gelöst werden", sagt Hanno Schäfer, Sprecher des Bundesfamilienministeriums. "Doch werden diese zum Anlass genommen, direkt in Verbindung mit dem jeweiligen Unternehmen zu treten. Die Berufundfamilie GmbH hat entsprechend Kontakt mit der Bank aufgenommen, um die fraglichen Fälle zu überprüfen."

Mütter an den Herd

Über die Einstellung einzelner Vorgesetzter gegenüber Müttern sagen wohlklingende Auszeichnungen wenig aus. In vielen Köpfen stecken immer noch Vorurteile, nach denen eine Mutter angeblich an den Herd und nicht ins Büro gehöre. "Das Zertifikat versteht sich nicht als Preis für einen erreichten Status quo in Sachen Familienfreundlichkeit", sagt Stefan Becker, Geschäftsführer der Berufundfamilie GmbH. "Aber mit der Annahme verpflichten sich die Unternehmen, innerhalb von drei Jahren bestimmte Maßnahmen zur Unterstützung von Familien umzusetzen, wir können also nachhaken und bei groben Verstößen das Zertifikat auch wieder aberkennen."

Mütter profitieren allerdings nur indirekt von solchen Preisen und Programmen. Und eigentlich bräuchten auch Frauen wie Maria Weber Unterstützung. Eine Mutter, die sich erfolgreich gegen Mobbing gewehrt hat und deshalb ein Vorbild für andere Betroffene wäre, bekommt jedoch keinen Preis - und von ihrem Chef auch keine Blumen.

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