Beruf:Soll ich mich zum Freiwilligendienst melden?

Anton U. ist seit Januar arbeitslos, möchte aber nicht länger untätig herumsitzen.

SZ-Leser Anton U. fragt:

Ich bin 55 Jahre alt, seit Januar arbeitslos gemeldet und beziehe Arbeitslosengeld I. Nun will ich nicht untätig herumsitzen, sondern überlege, ob ich mich zum Bundesfreiwilligendienst melden soll. Doch wie wirkt sich das aus? Bleibt mein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen - und wie lange? Wie viel verdient man als Freiwilliger? Und wie macht sich ein solcher Einsatz im Lebenslauf?

Christine Demmer antwortet:

Lieber Herr U., der Bundesfreiwilligendienst wurde im Juli 2011 gestartet. Die einen sagen: Um die Lücke, die der ausgesetzte Zivildienst zu reißen drohte, nicht zu groß werden zu lassen. Die anderen sagen: Um dem freiwilligen Engagement von Menschen einen neuen Schub zu geben. Wie auch immer, seit vier Jahren sind Menschen jedweden Alters zu einem sozialen Einsatz von sechs bis 24 Monaten Dauer aufgerufen. Dafür gibt es ein Taschengeld von höchstens 363 Euro zuzüglich Berufskleidung, Unterkunft und Verpflegung. Und das gute Gefühl, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu tun.

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher.

Anders als erwartet, sind viele "Bufdis" nicht junge Erwachsene, sondern ältere Menschen. Darunter auch Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV), aber nicht erwerbslos gemeldete Menschen, die vorübergehend Arbeitslosengeld I bekommen. Der Grund: Die Arbeit im Bundesfreiwilligendienst umfasst selbst in Teilzeit stets mehr als 15 Wochenstunden. Das aber markiert die Grenze, bei der die Gesetzgebung sagt: Wer so viel arbeitet, ist ausgelastet und steht dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung.

Wer dem Arbeitsmarkt aber nicht zur Verfügung steht, ist per amtlicher Definition und gesundem Menschenverstand nicht arbeitslos. Entsprechend wird das Arbeitslosengeld I nur bis zu dem Tag gezahlt, der dem Beginn des Bundesfreiwilligendienstes vorausgeht. Anschließend gibt es nur noch das vereinbarte Taschengeld. Das ist für Sie wahrscheinlich die schlechte Nachricht. Die gute: Wenn Sie wenigstens zwölf Monate lang als Bufdi Dienst leisten und im Anschluss daran keine Stelle finden, lebt Ihr Anspruch auf staatliche Unterstützung wieder auf.

Freiwillige vor

Im vergangenen Januar waren insgesamt knapp 41 800 Bundesfreiwillige im Einsatz. Nach Angaben des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben waren darunter 23 300 Frauen und 18 400 Männer. Mit 29 700 Personen ist der Großteil der Freiwilligen jünger als 27 Jahre. Nur etwa 350 Ehrenamtliche sind über 65 Jahre alt. Im Dezember 2015 hat die Bundesregierung zur Unterstützung der Flüchtlingshilfe weitere 10 000 Stellen für Freiwillige geschaffen. Sie sollen bei der Integration helfen. Mitmachen können nicht nur einheimische Helfer, sondern auch die Flüchtlinge selbst. Jutta Pilgram

Es liegt jetzt an Ihnen, eine Wahl zu treffen. Wenn Sie weiterhin als arbeitslos gemeldet bleiben, wird das Arbeitslosengeld I nach einer gewissen Bezugsdauer und Prüfung ihrer Vermögensverhältnisse in das erheblich niedrigere Arbeitslosengeld II umgewandelt. Wann das sein wird, erfahren Sie bei der Arbeitsagentur.

Wenn Sie sich aber zu Hause langweilen und gern in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Gesundheits- und Altenpflege, im Denkmalschutz oder an einer anderen gesellschaftlich erwünschten Stelle einen Beitrag für das Gemeinwohl leisten wollen, dann verringert sich Ihr Einkommen. Vielleicht entdecken Sie aber dafür ein neues Betätigungsfeld, das Ihnen Freude und Ihrem Lebenslauf Ehre macht. Sicher, mancher wird Sie, rein rechnerisch, für verrückt halten. Andere für weitsichtig. Denn wenn es gut läuft, bringt Sie diese neue Erfahrung in den Arbeitsmarkt zurück.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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