Nachhaltigkeitsmanagement:Irgendwas mit Umwelt
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Von der Produktion bis zur Lieferkette: Nachhaltigkeitsmanager sorgen dafür, dass Klimaschutz in allen Unternehmensbereichen gelebt wird. Aber wie kommt man in diesem Bereich an Stellen?
Von Theresa Tröndle
Den Müll richtig trennen, keine Plastiktüte im Supermarkt mitnehmen oder mal das Auto stehen lassen: Wie Nachhaltigkeit privat funktioniert, wissen viele. Aber was können Betriebe für die Umwelt tun? Sogenannte Nachhaltigkeitsmanager sollen Produkte, das Unternehmen und den Markt umweltfreundlicher gestalten.
Knapp 190 Millionen Geschäftsreisen zu Kongressen, Messen oder Tagungen machten Mitarbeiter deutscher Unternehmen laut dem Portal Statista im Jahr 2018, meist mit dem Flugzeug. Bei 60 Prozent davon handelte es sich um Tagesreisen: Mit der ersten Maschine zum Termin und abends wieder zurück. Das ist alles andere als klimafreundlich und angesichts der Pandemie ohnehin derzeit kein Thema. Doch auch nachdem die Corona-Krise überwunden sein wird, werden deutlich weniger Geschäftsleute auf Reisen sein als in den vergangenen Jahren.
Gutes Marketing gehört dazu, denn "nachhaltig" ist für viele ein nichtssagender Begriff
Indem sie in jüngster Zeit eigene Stellen für dieses Thema schufen, wollen viele Firmen auch zeigen, dass sie dieses Thema ernst nehmen: In Abteilungen für Corporate Social Responsibility (CSR) arbeiten sogenannte Nachhaltigkeitsmanager, die sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens auseinandersetzen. Gutes für die Umwelt tun und Karriere machen, wie funktioniert das?
Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana-Universität Lüneburg und Leiter des Centre for Sustainability Management, unterscheidet zwischen expliziten und impliziten Nachhaltigkeitsmanagern. Explizite Nachhaltigkeitsmanager erarbeiten in Stabstellen Hintergrundinformationen und geben diese an Personen im Unternehmen weiter, die entscheiden dürfen, etwa den Vorstand. Das Problem: "Es ist eine Illusion zu glauben, dass allein die Einrichtung einer Nachhaltigkeitsabteilung ausreicht, ein Unternehmen nachhaltig zu entwickeln", sagt Schaltegger.
Explizite Nachhaltigkeitsmanager könnten nur beraten und empfehlen. Wolle sich eine Firma nachhaltig entwickeln, brauche sie auch Mitarbeiter, die die Vorschläge direkt umsetzen können, sogenannte implizite Nachhaltigkeitsmanager. Das sind Mitarbeiter, die sich in betrieblichen Funktionen um Nachhaltigkeit kümmern, etwa im Einkauf. Dort sorgen diese Fachkräfte dafür, dass es keine sozialen oder ökologischen Probleme wie Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen oder schlechte Arbeitsbedingungen in der Lieferkette gibt.
Nachhaltigkeitsmanager im Einkauf können auch mit dem Kantinenbetreiber darüber sprechen, dass die Kantine klimaneutral betrieben, auf Bio-Essen umgestellt oder dass ein fleischloser Tag eingeführt wird. Denn ein Teller Spaghetti Bolognese mit Fleisch verbraucht knapp ein Drittel mehr CO₂ als einer mit Soja-Bolognese. Nachhaltigkeitsmanager im internen Reisebüro eines Unternehmens schauen, wo Videokonferenzen statt Dienstreisen möglich sind oder genehmigen innerdeutsch nur Bahnreisen.
Im Marketing stehen Nachhaltigkeitsmanager vor der Herausforderung, mit Klischees aufzuräumen und Nachhaltigkeit zu kommunizieren, ohne dass diese als Greenwashing empfunden wird. "Viele Menschen glauben zu Unrecht noch, dass ein nachhaltiges Produkt eine geringere Qualität habe", bemerkt Schaltegger. Außerdem sei der Begriff "nachhaltig" sperrig, viele Menschen könnten sich darunter nichts vorstellen. Das lasse sich umgehen, indem das Produkt als klimafreundlich verkauft werde. Das sei vielen eher ein Begriff, sagt Schaltegger. Ein Unternehmen könne sich nur dann umweltfreundlich entwickeln, wenn in allen Bereichen, von der Produktion über das Rechnungswesen bis hin zum Marketing, Nachhaltigkeit umgesetzt werde.
Zu weiteren Maßnahmen, die einen Betrieb nachhaltiger machen, zählen die Fragen, welche Energie verwendet wird oder wie die Mitarbeiter zum Standort gelangen. Unternehmen im ländlichen Raum können beispielsweise Carsharing organisieren, Unternehmen in der Stadt können mit Bike-Sharing-Diensten kooperieren oder mit Anbietern von E-Scootern.
Firmen mit Nachwuchsmangel können mit grünen Konzepten bei jungen Leuten punkten
Gisbert Braun arbeitet mit drei Kollegen als Nachhaltigkeitsmanager bei der Martin Bauer Group, die pflanzliche Produkte für die Getränke-, und Lebensmittelindustrie entwickelt. "Wir kümmern uns um eine langfristig nachhaltige Unternehmensentwicklung", sagt Braun. Dafür habe die Martin Bauer Group die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen auf verschiedene Bereiche des Unternehmens übertragen - auf Umweltschutz und Soziales, Lieferkette und Wertschöpfungskette.
Im Bereich Umwelt und Soziales führt das Unternehmen beispielsweise Risikoanalysen durch, um herauszufinden, wie sich das Klima in Kräuteranbaugebieten wie Ägypten oder Simbabwe in den kommenden Jahren verändern wird, und wie man dem entgegenwirken könnte. Etwa, indem widerstandsfähige Pflanzen angebaut oder andere Brunnen erschlossen werden.
Außerdem versucht das Unternehmen, seinen CO₂-Fußabdruck zu verkleinern, beziehungsweise zu kompensieren. "Wir haben zum Beispiel ein E-Bike-Leasing-Konzept eingeführt. Das hat Vorteile für alle. Wenn unsere Mitarbeiter das Auto stehen lassen, tun sie etwas für ihre Gesundheit und schonen gleichzeitig die Umwelt", berichtet Braun. Zudem werden seit einiger Zeit E-Autos als Dienstfahrzeuge gefördert. Die Wärme, die in der Produktion entsteht, nutzt man zum Heizen von Gebäuden.
Nachhaltigkeitsmanager oder CSR-Manager sind keine geschützten Begriffe. Es gibt eine Vielzahl an Wegen, die in diese Branche führen. Eine Möglichkeit bilden spezielle Studienabschlüsse - etwa der Bachelor Nachhaltigkeitsökonomik an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, der Bachelor Nachhaltige Entwicklung an der Hochschule Bochum oder der Bachelor Ökologie und Umweltschutz an der Hochschule Zittau/Görlitz. Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde bietet das Masterstudium Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement an. An der Leuphana-Universität Lüneburg kann man seit 2003 den Master of Business Administration (MBA) in Sustainability Management machen. Der Master kann in Vollzeit oder berufsbegleitend absolviert werden. Die Voraussetzung: Ein erster Studienabschluss und der Wille, in Wirtschaft und Gesellschaft eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.
Auch ein Quereinstieg kann gelingen
Schaltegger zufolge sei ein Studium unabdingbar, idealerweise ein Masterabschluss. Denn der Anspruch an Nachhaltigkeitsmanager sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen. "Heute erwartet man von einem Unternehmen nicht nur, dass es selbst klimafreundlicher wird, sondern auch, dass es zu einem Akteur wird, der den Markt und die Gesellschaft nachhaltiger macht", erläutert der Wissenschaftler. Damit meint er etwa Hersteller von Bio-Limonaden, die in den vergangenen Jahren den Softgetränke-Markt veränderten. "Je nach Statistik trägt heute zwischen einem Viertel und einem Drittel der Softgetränke im Regal ein entsprechendes Gütesiegel", führt er aus.
Der Einstieg ins Nachhaltigkeitsmanagement kann aber auch als Quereinsteiger oder mit einer grünen Ausbildung gelingen. Etwa als umweltschutztechnischer Assistent oder als Assistent für regenerative Energietechnik. Eine andere Möglichkeit sind Weiterbildungen. Die Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken beispielsweise bietet den Lehrgang zum CSR-Manager an. Der elftägige Kurs wurde 2013 ins Leben gerufen und umfasst Theoriemodule, die mit Vorträgen von Praxispartnern und einem Unternehmensbesuch ergänzt werden.
Die Abschlussarbeit bildet die Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts. "Unsere Teilnehmer kommen aus ganz Deutschland", sagt Jochen Raschke, Leiter des Bereichs Weiterbildung der IHK Nürnberg, "von der Aktiengesellschaft über große Familienunternehmen bis hin zur Ein-Personen-Firma". Der Großteil von ihnen bringt einige Jahre Berufserfahrung mit, die Hintergründe sind vielfältig. Die Teilnehmer der vergangenen Jahre kamen zum Beispiel aus dem Lebensmittel- oder dem Textilbereich, dem Finanz- oder Immobiliensektor, der Pharmaindustrie oder aus Wohlfahrtsverbänden. Seit Kurzem besuchen auch junge Gründer den Kurs.
Dass Unternehmen zunehmend ökologische Verantwortung übernehmen, hat noch einen weiteren Grund: Gesellschaftliches Engagement für den Umweltschutz spielt für die jüngere Generation eine wichtige Rolle, im Alltag und auch bei der Wahl des Arbeitgebers. Mit Einsatz für Nachhaltigkeit können Unternehmen dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel entgegenwirken, insbesondere solche der Logistikbranche. Zu diesem Ergebnis kam eine im Sommer veröffentlichte Studie der Logistik-Initiative Hamburg gemeinsam mit dem Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg. Raschke vertritt hierzu eine klare Haltung: "Nachhaltigkeit darf nicht auf Gutmenschentum reduziert werden. Nur wer nachhaltig handelt, ist zukunftsfähig."