Beruf:Kann die Firma verlangen, dass ich umziehe?

Die Firma wechselt zum zweiten Mal binnen fünf Jahren den Standort. Welche Rechte haben Arbeitnehmer in so einem Fall?

SZ-Leserin Alexandra P. fragt:

Mein Mann ist 58 Jahre alt und seit 2001 Sachbearbeiter in einem Unternehmen der Autobranche. Vor vier Jahren zog das Unternehmen um - in einen 40 Kilometer entfernten Ort. Einige Kollegen konnten den Umzug nicht mitmachen, Personalabbau war anscheinend das Ziel der Umzugsaktion, obwohl es der Firma eigentlich sehr gut geht. Nun steht wieder ein Umzug an - in eine andere Stadt, die nochmals 70 Kilometer entfernt ist. Nun meine Frage: Wie viele Umzüge in welchem Zeitraum sind für einen Arbeitnehmer zumutbar? Hat er irgendwelche Rechte in einem solchen Fall?

Ina Reinsch antwortet:

Liebe Frau P., ob Ihr Mann den Umzug mitmachen muss, hängt in erster Linie von der Regelung in seinem Arbeitsvertrag ab. Ist dort ein Arbeitsort explizit festgelegt, kann der Chef ihn nicht ohne Weiteres versetzen. Lediglich eine Verlegung der Betriebsstätte um weniger als fünf Kilometer wäre noch vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Eine Versetzung an einen weiter entfernten Ort ist ohne Zustimmung des Mitarbeiters dagegen nicht möglich. Lässt der Arbeitsvertrag offen, wo der Mitarbeiter arbeiten soll, muss der Arbeitsort durch Auslegung ermittelt werden. Das führt in der Regel dazu, dass der bisherige Betriebsort als vertraglich festgelegt gilt. Auch in diesem Fall kann der Chef den Ortswechsel nicht einseitig anordnen.

Der SZ-Jobcoach

Ina Reinsch hat Jura, Kriminologie und Soziologie in München und Zürich studiert. Heute lebt sie als Rechtsanwältin, Autorin und Referentin in München.

Daher enthalten vor allem neuere Arbeitsverträge oft sogenannte Versetzungsklauseln. Mit ihnen behält sich der Arbeitgeber das Recht vor, den Mitarbeiter auch an einem anderen Ort einzusetzen. Hier muss man allerdings genauer hinsehen: Nicht alle dieser Klauseln sind wirksam. Zudem muss die Versetzung für den Mitarbeiter im Einzelfall auch zumutbar sein. So entschied etwa das hessische Landesarbeitsgericht 2011, dass ein Arbeitgeber eine junge Mutter trotz entsprechender Klausel nicht einfach von Frankfurt in die Konzernzentrale nach London versetzen durfte. Eine Vorgabe, die besagt, wie viele Umzüge in einem bestimmten Zeitraum zumutbar sind, existiert aber leider nicht.

Was bedeutet das konkret? Ist Ihr Mann rechtlich dazu verpflichtet, seinem Arbeitgeber zu folgen, möchte das aber nicht, dann muss er kündigen. Besteht dagegen keine Verpflichtung, ist der Arbeitgeber im Zugzwang. Er muss rechtzeitig vor der Betriebsverlegung eine sogenannte Änderungskündigung aussprechen. Mit dieser kündigt er das bisherige Arbeitsverhältnis und bietet gleichzeitig ein neues zu geänderten Bedingungen an - nämlich am neuen Einsatzort.

Erklärt Ihr Mann sich damit einverstanden, ändert sich der Arbeitsvertrag entsprechend. Lehnt er das Angebot vorbehaltlos und endgültig ab, wird aus der Änderungskündigung eine Beendigungskündigung. Ihr Mann kann in diesem Fall innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben. Allerdings dürfte die Entlassung hier auch tatsächlich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen führen, da eine Weiterbeschäftigung am alten Standort nicht mehr möglich ist.

Bleibt noch eine dritte Möglichkeit: Ihr Mann kann das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen "sozial gerechtfertigt" ist. Er muss dann zwar zunächst die Arbeit in der 70 Kilometer entfernten Stadt aufnehmen, kann aber parallel dazu eine sogenannte Änderungsschutzklage einreichen. Auch hier hat er nach Zugang der Kündigung drei Wochen Zeit. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob die von der Firma beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen in Ordnung geht.

Der Prüfungsmaßstab ist hier ein bisschen anders als bei der Beendigungskündigung. Daher kann das Gericht im Einzelfall auch zu einem anderen Ergebnis kommen. Die Richter überprüfen allerdings nicht, ob der Umzug der Firma sinnvoll ist. Das ist eine unternehmerische Entscheidung, die lediglich einer gewissen Missbrauchskontrolle unterliegt. Gewinnt der Arbeitnehmer den Prozess, besteht das ursprüngliche Arbeitsverhältnis zu unveränderten Arbeitsbedingungen fort, verliert er ihn, wird es zu den geänderten Bedingungen fortgesetzt. Der Mitarbeiter riskiert damit also nicht den Verlust seines Arbeitsplatzes.

Falls es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt, sollte sich Ihr Mann in der Zwischenzeit an diesen wenden. In Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern muss der Betriebsrat nämlich an der Entscheidung über die Firmenverlegung beteiligt werden. Ziel ist es, einen Interessenausgleich zwischen den Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber herbeizuführen und einen Sozialplan zu vereinbaren. Der klärt unter anderem auch, ob Mitarbeiter, die wegen des Ortswechsels entlassen werden müssen, eine Abfindung erhalten.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: