Beruf Bestatter:Vom Totengräber zum Eventmanager

Ohne Stein, ohne Kreuz und Kiefer statt Eiche: Die Deutschen wollen bei Beerdigungen nicht mehr viel Geld ausgeben. Etwas Besonderes soll die Beisetzung aber trotzdem sein. Wie sich der Beruf des Bestatters gewandelt hat.

Stephanie Kundinger

Sozialbestattungen

Kostenfrage: Bei der Auswahl des Sarges achten viele Hinterbliebene auch auf den Preis, der je nach Modell stark variieren kann.

(Foto: dpa)

Christian Ettmüller streift mit seiner Hand über den Sarg. Es ist ein Modell aus hellem Tannenholz, truhenförmig, mit dunklen Griffen an den Seiten. Der 52-Jährige steht in einem kleinen Raum im Bestattungsunternehmen Bayer im schwäbischen Memmingen, umringt von Särgen. Die Modelle sind schwarz oder braun, mit Kuppeldach oder in der Form eines Körpers. Sie kosten zwischen 900 und 3500 Euro.

Ettmüller fängt an zu schmunzeln: "Manche Hinterblieben kommen zu mir und sagen, der Verstorbene sei ein ganz bescheidener Mensch gewesen." Er empfehle dann meist schlichte Särge - die jedoch nicht automatisch die günstigsten sind. An ihrem Zögern merke Ettmüller sofort, was manche Angehörigen versuchen zu umschreiben: Die Beerdigung darf nicht zu teuer werden.

Der Bestattermeister seufzt. Vieles habe sich verändert in den vergangenen 15 Jahren. Damals, als er noch Blumen in seinem Geschäft am Memminger Waldfriedhof verkaufte und nur ab und zu im Bestattungsunternehmen aushalf. Als die Krankenkassen noch die Kosten für Beerdigungen übernahmen und die Zahlungsausfälle gleich null waren. Nun liegen sie bei sieben Prozent.

Die Kunden sparen, auch beim Tod, sagt Ettmüller: "Der Standard ist im Vergleich zu früher extrem gesunken." Teure Eichensärge sind meist tabu. "Jetzt ist es halt ein Sarg aus Kiefer."Auch Preisvergleiche durch die Angehörigen hätte es bis vor wenigen Jahren nicht gegeben. Mittlerweile verschicke Ettmüller pro Tag bis zu drei Kostenvoranschläge. Rund 3000 Euro kostet eine herkömmliche Erdbestattung.

Viel Geld für die Hinterbliebenen, die in der Regel dafür aufkommen müssen, wenn der Verstorbene nicht vorgesorgt hat. Unter bestimmten Voraussetzungen springen allerdings die Sozialämter ein. Das komme mittlerweile häufiger vor, sagt Ettmüller, auch wenn sich die Zahlen im ländlichen Memmingen in Grenzen halten: Im vergangenen Jahr gingen im Sozialamt elf Anträge an.

Ohne Stein oder Kreuz

Toni Hanrieder, Präsident des bayerischen Bestatterverbandes, sieht dennoch eine Wende. Mehrere Faktoren kämen zusammen: die mickrige Rente der Senioren und die oft ebenso klammen Angehörigen, die möglicherweise in der Euro-Krise ihren Job verloren haben. Viele entscheiden sich deshalb für eine Feuerbestattung - die Zahl steigt seit Jahren, im Freistaat liegt sie bei rund 60 Prozent. "Dabei sind Feuerbestattungen nicht unbedingt günstiger", sagt Hanrieder. Lediglich die Folgekosten in der Grabpflege sind geringer.

Christian Ettmüller kennt die Gedanken vieler Hinterbliebener: Arbeit und Geld sparen. Selbst eine anonyme Urnenbeisetzung liege derzeit im Trend - ohne Stein oder Kreuz. In München ist diese formlose Bestattung nur auf dem Waldfriedhof möglich. Gut 20.000 Urnen sind auf einer Wiese beigesetzt. "Die meisten Angehörigen werden aber nicht glücklich damit", sagt Ettmüller, der im weißen Hemd in seinem Memminger Büro sitzt. Denn das Grab sei ein wichtiger Ort für die Verarbeitung der Trauer. "Das merken die meisten erst im Nachhinein."

Trauerarbeit - laut Ettmüller eine der wichtigsten Aufgaben der Bestatter. Die Wände in seinem Büro sind in den Farben Gelb und Orange gestrichen, die Möbel hell und freundlich, schwarz ist nicht mal der Bürostuhl, auf dem er sitzt. "Der typische Totengräber existiert nicht mehr."

Der Bestattermeister sieht sich als Eventmanager, oder als Psychologe: "Man glaubt ja gar nicht, was Bestatter alles anrichten können." Er schüttelt den Kopf. Ettmüller berichtet von Kollegen. Einer habe einmal den toten Sohn einer Mutter abgeholt, die insgesamt drei Kinder hatte. Da habe der Bestatter zur trauernden Frau gesagt: "Sie haben doch noch zwei."

Wie sehen die Toten aus?

Ettmüller atmet tief durch: Die fehlende Ausbildung sei auch etwas, was vielen in der Branche zu schaffen mache. Denn um ein Bestattungsunternehmen zu gründen, braucht man nur einen Gewerbeschein. Der Landesverband schätzt, dass im Freistaat bis zu 40 Prozent aller Bestatter über keine ausreichenden Qualifikationen in diesem Geschäftszweig verfügen.

Insgesamt gibt es rund 350 gemeldete Betriebe. Der Verband fordert deshalb seit Jahren eine entsprechende Zulassung: "Vieles hat sich schon getan", sagt Toni Hanrieder. Seit 2003 gibt es einen anerkannten Ausbildungsberuf, seit 2005 ein Ausbildungszentrum im unterfränkischen Münnerstadt, das einzige seiner Art in Deutschland.

Die junge Frau, die neben Ettmüller im Büro sitzt, kennt diese Schulen: Sie hat die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft absolviert. Katharina Ettmüller ist 26 Jahre alt und arbeitet im Betrieb des Vaters. Früher war sie Restaurantfachfrau. "Aber das Hotelfach ist eine Männerdomäne, und es gab wenig Aufstiegsmöglichkeiten", sagt sie, deshalb sei die Bestatterbranche für sie interessanter gewesen.

Freunde und Bekannte reagierten überrascht, viele waren neugierig. "Das ist auch so etwas Widersprüchliches", sagt der Vater. Obwohl die Branche keine richtige Lobby habe, sei das Interesse in der Öffentlichkeit groß. Das merke er, wenn er seinen Beruf in den Schulen vorstellt und den Jugendlichen die Fragen nicht ausgehen: Wie sehen die Toten aus? Wachsen die Haare weiter? Ettmüller lächelt: Nein, tun sie nicht.

"So gestalten wir auch die Beerdigung"

Trotz der Toten - es sei der Umgang mit den Angehörigen, der den größten Teil des Berufes einnimmt. Das ist es auch, worauf sich die Branche laut Toni Hanrieder einstellen muss: "Der Bestatter muss als seriöser, kompetenter und aufgeschlossener Ansprechpartner gesehen werden, und zwar nicht nur im Trauerfall." So gehört die Vorsorgeberatung bereits jetzt zur täglichen Arbeit - auch wenn sie nur zaghaft in Anspruch genommen wird, sagt Katharina Ettmüller: "Manche denken, ich will die Eltern gleich dabehalten."

Im ehemaligen Blumenladen am Memminger Waldfriedhof haben die Ettmüllers das "Haus des Abschieds" eingerichtet. Darin befindet sich die rot gestrichene Halle für Trauerfeiern, ebenso zwei Abschiedsräume mit bunten Blumen und modischen Sesseln. Viele Bestatterkollegen hätten die Augenbrauen hochgezogen, als Ettmüller von diesem Projekt erzählte. "Aber die Menschen schätzen den Ort, wir sind gut ausgelastet."

Trotz der Sparversuche steige auch der Wunsch nach Individualität. Als der Bestatter das sagt, blickt er auf die Uhr. Die nächste Beerdigung beginnt am frühen Nachmittag. Ein ehemaliger Mediziner, sein Haus war ausschließlich in den Farben Schwarz und Weiß eingerichtet. "So gestalten wir auch die Beerdigung." Das Trauerhaus ist dekoriert mit weißen Rosen, die Asche des Mannes liegt in einer schwarzen Urne. Die Verwandten haben sie sich aus der Vitrine ausgesucht, in der Ettmüller einige Modelle ausstellt. Sie machen den Särgen von nebenan zunehmend Konkurrenz.

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