Bergbauingenieure:Immer weiter buddeln

Die meisten deutschen Zechen haben schon vor Jahren zugemacht - in der letzten geht 2018 das Licht aus. Aber das Know-how rund um die Kohleförderung wird weiter gebraucht, darum sind Bergbauingenieure gefragt - vor allem im Ausland.

Hans-Willy Bein

Was für viele "Revier-Karrieren" gilt, trifft ein bisschen auch auf Holger Witthaus zu. Schon seine Großväter arbeiteten beide "aufm Pütt", wie die Kohlezechen im Ruhrgebiet genannt werden. Bei diesen Wurzeln wundert es nicht, dass der 46 Jahre alte Bergbauingenieur zeit seines Berufslebens für den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet tätig ist. Waren die Großväter noch als Hauer unter Tage, ist der Arbeitsplatz des hochqualifizierten Bergbauingenieurs mit Doktortitel eigentlich im Büro angesiedelt.

Bergbauingenieur: Weltweit gefragtes Wissen

Unter Tage arbeiten zwar in Deutschland nur noch sehr wenige Kumpel - doch das Wissen von Bergbauingenieuren ist weltweit gefragt.

(Foto: dpa)

"Als Spezialist für Gebirgsmechanik und Ausbautechnik gehören Grubenfahrten aber zum Tagesgeschäft", sagt Witthaus. Das absehbare Aus für die deutschen Zechen schreckt ihn nicht: "In diesem Spezialgebiet und mit dem Ansehen eines deutschen Ingenieurs finden sich weltweit immer genügend Jobs. Allerdings sind Flexibilität notwendig und die Bereitschaft, auch im Ausland zu arbeiten."

Rohstoffe werden auf der Welt immer mehr benötigt. Neben den Energieträgern Steinkohle, Braunkohle, Öl und Gas gilt das für Eisenerz, Steinsalz, Kali, Steine und Erden, Uran oder Gold und andere Edelmetalle. Und überall braucht man Fachleute für die teilweise schwierige Gewinnung. So gibt es weltweit Tausende Stellen, die für einen spezialisierten Ingenieur infrage kommen. Das Tätigkeitsfeld reicht vom Forschen über das Planen, das Entwickeln von Maschinen, das Gewinnen von Rohstoffen, das Umweltmanagement bis zum Regulieren von Bergschäden oder dem Schließen von Bergwerken.

"Die gute deutsche Ausbildung ist international anerkannt", sagt Holger Witthaus, diese Erfahrung habe er im Ausland gemacht. Nach dem Berufsstart für die DMT, die frühere Bergbauforschung, und Tätigkeiten bei der Bergbaugesellschaft RAG Deutsche Steinkohle wurde er 2009 zu einem "Mitarbeiter der ersten Stunde" bei der RAG Mining Solutions. Die jüngste Tochter der RAG widmet sich der internationalen Vermarktung von gebrauchter Bergbau-Ausrüstung und von Bergbau-Wissen.

Letzteres ist überall auf der Welt gefragt, das zeigen allein die Auslandseinsätze von Witthaus, der Unternehmen des Steinkohlenbergbaus berät und an Projekten in Mexiko, Polen, Russland, Tschechien, in der Ukraine, der Türkei und auch in China mitgewirkt hat.

China, Kanada, Polen

Das Ruhrgebiet fördert seit mehr als 150 Jahren unter schwierigsten Bedingungen Kohle. Der Brennstoff wird aus Tiefen bis zu 1500 Metern mit großem technischem Aufwand ans Tageslicht geholt. Von diesem Schatz an Erfahrungen wollen andere Länder profitieren. In großen Kohleländern wie Australien oder Südafrika ist die Förderung oft im Tagebau oder in geringeren Tiefen möglich, in anderen Regionen geht es dagegen tiefer in die Erde.

Die komplizierte deutsche Förderung macht den Kohleabbau hierzulande teuer. Das ist der Grund dafür, dass der deutsche Steinkohlenbergbau international nicht wettbewerbsfähig und seit Jahrzehnten auf milliardenschwere Subventionen angewiesen ist. Da die öffentliche Hand keine Hilfen mehr zahlen will, soll die letzte deutsche Zeche 2018 dichtmachen. Derzeit fördern in Deutschland noch vier Bergwerke elf Millionen Tonnen Steinkohle. Beschäftigt sind im Steinkohlenbergbau knapp 21.000 Mitarbeiter, davon zwei Drittel unter Tage. Mit der Stilllegung des Bergwerks Saar Mitte des Jahres wechselten 1400 Arbeitnehmer aus dem Saarland ins Ruhrgebiet, darunter viele Ingenieure.

Ein Bergbauingenieur ist Experte in der Rohstoffwirtschaft. Seine Qualifikation kann er in einem Bergbaubetrieb (Tagebau, Tiefbau, Bohrlochbergbau) oder einem Tunnelbauunternehmen, aber auch einer Behörde, einem Maschinenhersteller, einem Consulting-Unternehmen, einer Hochschule oder als Investitionsberater bei Banken einbringen. Absolventen der Bergbautechnik sind also nicht auf einen Arbeitsplatz im deutschen Steinkohlenbergbau angewiesen.

Studiert hat Holger Witthaus an der RWTH Aachen. Studiengänge gibt es auch an der TU Clausthal oder der Bergakademie Freiberg. Das Studium ist breit angelegt und umfasst Bereiche wie Geologie, Mathematik, Physik, Chemie, Mechanik, Thermodynamik, Mineralogie, aber auch juristische und volkswirtschaftliche Fragen, Maschinen- sowie Elektrotechnik, und es ist praxisnah. Zum Studium gehören Praktika, die unter der Aufsicht der Bergbehörden absolviert werden.

Dabei sollen die Studenten Erfahrungen in verschiedenen Bergbauzweigen machen. So lernte Holger Witthaus durch Praktika schon im Studium den Steinkohlentiefbau, den Kalibergbau unter Tage und einen Bohrturm für eine Tiefbohrung auf Erdgas kennen. Vorangetrieben worden ist in den vergangenen Jahren die internationale Vernetzung der Hochschulen und Universitäten. So bekommen die Studenten bereits während der Ausbildung einen Einblick in den internationalen Bergbau. Das Programm "European Mining Course" bringt Studenten aus ganz Europa aber auch aus Kanada und den USA zusammen.

Dass deutsches Ingenieurwissen in der Bergbautechnik weltweit geschätzt ist, beweisen auch steigende Exportumsätze der deutschen Hersteller von Bergbaumaschinen. Mit einer Exportquote von 91 Prozent zählt die Bergbautechnologie zu den exportintensivsten Fachzweigen des deutschen Maschinenbaus. Die Hauptabnehmer der 130 meist mittelständischen Unternehmen sind China, Russland und die USA.

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