Berater von Beruf:Coach für alle Fälle

Arbeitslose Manager und Personaler lassen sich gerne zum Coach ausbilden. Das zahlt sich nicht immer aus.

Von Christine Demmer

Helmut Walter war fast drei Jahrzehnte lang Manager, zuletzt Geschäftsführer in einem IT-Konzern. Vor sechs Jahren wurde er hinauskomplimentiert. Das gefiel dem ebenso kontaktfreudigen wie hoch verschuldeten Familienvater gar nicht, deshalb firmiert der 62-Jährige seither als "Management Coach". Meistens berät er allerdings Existenzgründer und Mittelständler und arbeitet als Lobbyist für einen Elektrokonzern. "Man muss sehen, wo man bleibt", sagt Walter, der in Wirklichkeit anders heißt und wie die beiden folgenden Coaches seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Systemisch oder psychologisch

Jörg Maurer wollte eigentlich ins Personalwesen. Nach vier frustrierenden Jahren in einem Chemiewerk stieg der Kölner Organisationspsychologe aus und eröffnete eine Praxis. Auf der Visitenkarte des 39-Jährigen prangt seit letztem Sommer: "Psychologischer Coach". Ein Freund, der als "systemischer Coach" unterwegs ist, hat ihm den Tipp gegeben. "Das kommt in der Wirtschaft besser an als nur Psychologe", sagt Maurer. Wenn die Wirtschaft gerade mal nicht bei ihm vorbei kommt, berät er Suchtkranke, Trennungsopfer und Menschen mit Prüfungsangst.

Cornelia Lambert verdiente ihre Brötchen bis vor wenigen Jahren als Webdesignerin, Telefonverkäuferin und NLP-Trainerin. Mit dem Ende der New Economy brach auch ihr Kundenstamm zusammen. Heute gibt sie als ihren Beruf "Professional Coach" an. "Damit bin ich für alles offen", sagt die 42-Jährige. Hier ein Marketingkonzept, dort eine Verkaufsberatung, für Januar ist sie als NLP-Trainerin gebucht. Einen Coaching-Kunden hat sie auch, ein schwieriger Fall. "Arbeitsloser Jurist", seufzt sie, "von mir will er Ideen haben, womit er sich selbstständig machen könnte."

Wie wär's mit Coaching? Immer mehr Unternehmen verankern Coaching (vom englischen "coachman", dem Kutscher) als Regelinstrument in ihrer Personalentwicklung. Nach einer Studie der Frankfurter Unternehmensberatung Böning-Consult wird Coaching in den nächsten fünf Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Das jedenfalls haben 86 Prozent der befragten 120 Personalmanager zu Protokoll gegeben. Stehen wir also vor einem Coaching-Boom? Zeichnet sich hier ein lukratives Auffangbecken für arbeitslose Manager, Psychologen, Personaler, Berater und Netzwerker aller Art ab?

"Ganz sicher nicht", warnt Christopher Rauen. Mit Sorge sieht er "einen völlig unreglementierten Markt, der seit dem Zusammenbruch der New Economy viele langjährige Manager auf den Gedanken gebracht hat, sich als Coach selbstständig zu machen". Als einer der Doyens der Branche bemüht sich der Psychologe seit Jahren um die Schaffung von Qualitätsmerkmalen und größere Transparenz im Coaching. In seiner Datenbank (siehe Artikelende) sind knapp 270 Coaches gelistet, die dafür eine fachbezogene Ausbildung und Praxiserfahrung nachweisen mussten.

Coach kann sich jeder nennen

Wie viele Einzelkämpfer darüber hinaus in Deutschland für ihre Dienste werben, weiß auch Rauen nicht genau. Allein die Gelben Seiten einer mittleren Stadt wie Bielefeld weisen mehr als 20 Coaching-Ausbilder und -Anbieter auf, in Großstädten wie München und Berlin sind es weit mehr. Denn "Coach" kann sich jeder nennen. Die Bezeichnung ist weder berufsständisch geschützt noch gibt es vorgeschriebene oder etablierte Ausbildungswege.

Aber dafür gibt es immer mehr wache Bildungsanbieter, die den Trend erkannt haben. Die Coaching-Ausbildungs-Datenbank (www.coaching-index.de) verzeichnet inzwischen 190 Anbieter mit 214 Ausbildungsgängen. Einer davon ist die Limburger Firma "At Move", eine Agentur für Marketing, Sales und Personalentwicklung. "Coaching ist zum Modewort geworden, im Sport und im Business", sagt Karin Simon, Seminarleiterin und Unternehmens-Coach. Hin und wieder meldeten sich Hochschulabsolventen ohne jegliche Praxis für die 30-tägige Ausbildung. Die Kosten von knapp 8000 Euro - durchaus im Rahmen derer anderer Institute - schrecken nicht ab.

Coach für alle Fälle

"Unsere Interessenten kommen aus allen möglichen Berufen", sagt Simon, "im Schnitt sind es etwa 200 im Jahr. Aber wir nehmen nur 10 bis 20". Seinen dreißigsten Geburtstag sollte man allerdings schon hinter sich haben, außerdem eine Berufsausbildung oder einem akademischen Hintergrund vorweisen können. Coaching sei im Grunde eine Männerdomäne, meint Simon, schon wegen der Kundenakquise. "Als Mann hat man es leichter, da hereinzukommen, weil die Kunden fast immer Männer sind." Das alte Spiel: Man kennt sich, man versteht sich, man engagiert sich.

Nur: Wofür engagiert man sich eigentlich? Die Studie von Böning-Consult zeigt, dass sich Personalentwickler und Coaches keineswegs darüber einig sind, was Coaching überhaupt bedeutet und wann es eingesetzt werden sollte. "Während die Personaler mit Coaching in erster Linie die Zielgruppe Führungskräfte und deren Entwicklung verbinden, sehen die Coaches selbst ihre zentrale Aufgabe eher in der Hilfestellung bei Problemen."

Mehrheitlich arbeiten die Managerbegleiter also lieber an konkreten Aufgabenstellungen: Wie sichere ich meinen Job? Wie falle ich im Vorstand positiv auf? Was kann ich gegen meine drohende Entmachtung tun? Weniger gerne arbeiten sie daran, die Persönlichkeit des Kunden in die gewünschte Form zu bringen. Das ist verständlich, denn wer bestimmt letztlich, wohin die Reise gehen soll? Der zu beratende Klient oder derjenige, der die Rechnung des Coaches bezahlt? Blindes Vertrauen

Blanke Spitzfindigkeit, würden Rechnungssteller und Rechnungsnehmer jetzt in schönstem Einklang protestieren. Immerhin sind 72 Prozent der Personalchefs und 92 Prozent der von Böning befragten Coaches fest davon überzeugt, dass Coaching für die betroffenen Klienten "hoch erfolgreich" ist. Wie sie zu dieser Wertung gelangen, liegt im Dunklen. Denn mehr als ein Drittel der Personalmanager verzichtete darauf, den Erfolg der Maßnahme zu messen und nachzuprüfen. Offenbar vertrauen sie dem Urteil ihrer Führungskräfte blind. Obwohl sie ihnen ja wohl nicht ohne Grund einen Coach an die Seite gestellt haben.

"Die Konzerne wissen ziemlich gut, mit welchen Coaches sie arbeiten wollen und mit welchen nicht", sagt Christopher Rauen. "Die meisten haben einen Pool mit handverlesenen Adressen." Kein Unternehmen engagiere allerdings einen Coach nur deshalb, weil er oder sie ein bestimmtes Ausbildungszertifikat vorweisen könne. "Zertifikate haben null Wert", sagt Rauen. "Besser, man vergleicht die Ausbildungen nach seinen eigenen Kriterien, etwa: Wie viel Zeit will ich aufwenden, was darf es kosten, welche Inhalte sind mir wichtig?" V

on Wochenendkursen rät er ebenso ab wie von mehrjährigen Ausbildungen. Am wichtigsten sei es, seine eigene Berufspraxis sinnvoll zu ergänzen - der Psychologe mit Wirtschaftswissen und der Betriebswirt mit Seelenkunde. Nur dann könne man als Coach erfolgreich sein.

Wer Coach werden will, sollte allerdings die angebotenen Ausbildungsgänge gründlichst unter die Lupe nehmen und sich dazu am besten bei früheren Teilnehmern erkundigen. Allein in diesem November, meldet Christopher Rauen auf seiner Webseite, starten 22 neue Coaching-Ausbildungen. Waidmannsheil!

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