Benachteiligung in der Arbeitswelt:Frauen auf der Reservebank

Es wird Zeit für echte Gleichstellung; Die Bundesagentur für Arbeit warnt davor, qualifizierten Frauen keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Deutschland kann sich das schlicht nicht mehr leisten.

Sibylle Haas

Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist Optimist. Zumindest, was die Lage von Frauen am Arbeitsmarkt betrifft. Der demographische Wandel erhöhe die Jobchancen von Frauen immens, meint BA-Vorstand Alt. Noch seien Frauen eine gut qualifizierte Reserve für den Arbeitsmarkt. Doch "eine Reservebank" könne sich Deutschland nicht mehr leisten. Bereits heute würden Fachkräfte händeringend gesucht - auch in klassischen Frauenberufen, wie dem Gesundheitswesen.

"Umso dringender müssen wir den Blick auf diejenigen richten, die bisher zum Teil am Rande des Arbeitsmarktes standen", sagte Alt. Alleinerziehende Frauen hätten es besonders schwer. Junge Mütter könnten kaum eine Vollzeitarbeit annehmen. Die Angebote zur Kinderbetreuung seien nicht auf dem Stand des 21. Jahrhunderts. "Hier muss deutlich mehr getan werden, sonst wird sich an der Situation arbeitssuchender junger Mütter nichts ändern", sagte Alt.

Von den Firmen fordert er "kluge Modelle und Ideen", damit sich Beruf und Familie besser verbinden lassen als bisher. "Gespräche mit jungen Frauen zeigen mir auch, dass immer noch zu viele Vorurteile da sind, wenn sich Vorstellungsgespräche zu 90 Prozent nur um das Kind drehen. Der Wandel in den Köpfen hat eingesetzt, muss sich aber fortsetzen", so Alt.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock erteilte dem Betreuungsgeld eine Absage. "Das Betreuungsgeld wollen wir nicht, brauchen wir nicht und leisten können wir es uns auch nicht - weder gesellschaftlich, noch finanziell", sagte Sehrbrock. "Wir sollten Frauen nicht signalisieren, dass sie besser zu Hause bleiben. Die für das Betreuungsgeld veranschlagten rund zwei Milliarden Euro wären beim Krippenausbau und bei längeren Kita-Öffnungszeiten besser angelegt", erklärte die Gewerkschafterin.

Die Statistik zeigt überdies: Frauen sind seltener in Führungspositionen, verdienen weniger als Männer und rutschen in die Grundsicherung, wenn sie arbeitslos werden. Frauen sind eben viel öfter teilzeitbeschäftigt als Männer. Und sie arbeiten in Deutschland sogar im EU-Vergleich überdurchschnittlich oft in Teilzeit. Das Statistische Bundesamt hat für das Jahr 2010 ermittelt, dass hierzulande 45,6 Prozent aller berufstätigen Frauen einem Teilzeitjob nachgehen. Der europäische Durchschnitt liegt mit 30,8 Prozent deutlich niedriger. Nur in den Niederlanden ist die Teilzeitquote mit 74,4 Prozent höher. Allerdings arbeiteten dort weniger Frauen "unfreiwillig" weniger Stunden.

Als Hauptgrund für den Teilzeitjob nannte jede zweite Frau in Deutschland die Betreuung von Kindern, Pflegebedürftigen oder andere familiäre Verpflichtungen. Fast jede fünfte Frau arbeitete verkürzt, weil sie keinen ganztägigen Arbeitsplatz finden konnte.

"Typische Frauenberufe", so DGB-Funktionärin Sehrbrock, verdienten mehr gesellschaftliche Anerkennung und müssten eindeutig besser bezahlt werden. Sie forderte die Bundesregierung auf, die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt endlich durchzusetzen.

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