Befristete Jobs:Die Bundesregierung macht sich unglaubwürdig

Bundesministerium für Bildung und Forschung

Ein Mitarbeiter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin. Die Ministerien sind beim Thema sachgrundlose Befristungen kein Vorbild für die Wirtschaft.

(Foto: picture alliance / dpa)

Kein Mensch soll grundlos nur auf Zeit eingestellt werden? Wer die Firmen drängt, Mitarbeiter besser zu behandeln, sollte ein Vorbild sein - kein abschreckendes Beispiel.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Es war der SPD im Wahlkampf so wichtig. Sie wollte unbedingt die befristeten Verträge reduzieren, damit weniger Arbeitnehmer in Unsicherheit leben müssen. Mehrere Sozialdemokraten erhoben diesen Plan zur Bedingung dafür, noch mal eine ungeliebte Koalition mit der Union einzugehen. Die SPD bekam ihren Willen, doch nun stellt sich auf Anfrage der FDP heraus: Die Bundesregierung, die Befristungen in der Wirtschaft einschränken will, nutzt diese Verträge selbst gerne.

Die Regierung befristet Tausende Mitarbeiter ohne sachlichen Grund, also ohne jemanden etwa deshalb auf Zeit einzustellen, weil er eine Mutter in Elternzeit vertritt. Diese Befristungen ohne Grund sind genau der Typ Verträge, den die Regierung künftig auf 2,5 Prozent der Belegschaft reduzieren will.

Besonders viele Fälle meldet ausgerechnet Innenminister Horst Seehofer, der schon durch eine Führungsriege mit null weiblichen Staatssekretären auffiel. Der Fauxpas ist kein Zufall: Als die FDP vor Monaten schon einmal anfragte, meldete ausgerechnet das SPD-geführte Familienministerium besonders viele Befristungen.

Die Regierung macht sich damit unglaubwürdig: Wer die Firmen drängt, Mitarbeiter besser zu behandeln, sollte dies auch selbst tun. Er muss ein Vorbild sein, kein abschreckendes Beispiel.

Es sei der FDP gedankt, dass sie die Praktiken der Regierung abermals offenlegt. Den Schlussfolgerungen der Liberalen muss man deshalb nicht folgen. Die FDP findet es ja vernünftig, dass die Regierung so viele Mitarbeiter befristet. Arbeitgeber sollen möglichst viel Flexibilität genießen. Genau deshalb lehnt sie neue Vorschriften für die Firmen ab. Das aber lässt sich ganz anders sehen: Befristungen sind kein Grund zum Jubeln; sie machen den Betroffenen das Leben schwerer, als es in einer boomenden Wirtschaft sein müsste.

Einen Mitarbeiter auf Zeit einzustellen, ist nur in wenigen Fällen angemessen. Etwa wenn die Firma jemanden absehbar nur für kurze Zeit benötigt oder einen Arbeitnehmer ersetzen muss, der wegen seiner Kinder pausiert. Unangemessen ist es dagegen, einer großen Zahl von Beschäftigten dauerhafte Jobs zu verweigern. An wessen Arbeitsvertrag ein Datum klebt, der lebt in Unsicherheit. Eine Familie gründen? Eine ausreichend große Wohnung mieten? So etwas traut sich keiner, der nicht weiß, ob er im nächsten Jahr noch Gehalt überwiesen bekommt.

Staatliche Arbeitgeber befristen öfter als private

Befristungen waren nicht immer ein Massenphänomen. Sie gehören wie Niedriglöhne und Minijobs zu jener Sorte Arbeit, die in Deutschland erst seit der Globalisierung und den damit verbundenen gesetzlichen Lockerungen boomt. Inzwischen wird fast jeder zweite Mitarbeiter erst einmal befristet eingestellt. Arbeitnehmer bis Mitte 30, in jenem Alter also, da sie über Kinder nachdenken, sind sogar mehrheitlich nur auf Zeit beschäftigt.

Deshalb ist es legitim, dass die Regierung die Flexibilität der Firmen wieder etwas einschränken will. Begründete Befristungen bleiben möglich. Grundlose Befristungen aber sollen zumindest bei größeren Firmen erschwert werden; es geht um eine Million Jobs. Die Wirtschaftsverbände wehren sich. Um diese Kritik überzeugend zurückzuweisen, muss die Koalition jetzt Vorbild sein und selbst handeln. Staatliche Arbeitgeber befristen insgesamt öfter als private. Damit muss jetzt Schluss sein.

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