Befristete Arbeitsverträge:Von einem Chef zum anderen

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Trotz ausgezeichneter Qualifikation erhalten Beschäftigte zunehmend nur befristete Arbeitsverträge. Rechtlich sind diese zeitlichen Beschränkungen oft angreifbar.

Ina Reinsch

Was früher die Ausnahme war, ist heute gängige Praxis: zeitlich begrenzte Jobs - als Elternzeitvertretung, für ein Projekt, oder weil der Arbeitgeber sich nicht binden will. Doch längst nicht jede Befristung ist rechtens. Sie ist unwirksam, wie es im Juristenjargon heißt.

Ein unbefristeter Arbeitsvertrag wird immer seltener: Unternehmen bieten neuen Mitarbeitern fast nur noch befristete Jobs an. (Foto: dpa)

Tobias Rhode ist so ein Arbeiter auf Zeit. Er absolvierte ein Betriebswirtschaftsstudium mit Auslandspraktika und gutem Abschluss. Sein erster Job führte ihn für ein deutsches Unternehmen nach Frankreich - befristet für zwei Jahre. Was zunächst nach einem gelungenen Start ins Berufsleben aussah, endete ohne Festanstellung. "Macht nichts", dachte er, "ich bin jung, und das Leben ist voller Möglichkeiten." Doch Rhode bleibt Springer, bis heute. Weitere Jobs auf Zeit und ein Jahr Arbeitslosigkeit lassen den 35-Jährigen inzwischen an seinem Traum von einem einigermaßen geregelten Berufsleben gründlich zweifeln.

So wie Rhode geht es immer mehr Arbeitnehmern in Deutschland. Im Jahr 2008 waren laut Statistischem Bundesamt 2,7 Millionen Menschen befristet angestellt. Das sind 8,9 Prozent aller Beschäftigten. Dabei sieht der Gesetzgeber unbefristete Arbeitsverhältnisse als den Regelfall an. Für die eigentlich als Ausnahme gedachten befristeten Stellen gilt ein eigenes Gesetz: das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Es unterscheidet zwischen Befristungen mit und ohne Sachgrund. Eine Befristung ohne Grund - wenn der Arbeitgeber für einen Zeitvertrag keine triftigen Argumente, wie beispielsweise ein Sonderprojekt oder die Vertretung eines kranken Mitarbeiters hat, sich aber trotzdem nicht fest binden will - ist nur eingeschränkt möglich. Der Gesetzgeber sagt klar, dass in diesem Fall das Arbeitsverhältnis nur auf maximal zwei Jahre begrenzt werden darf. Eine neue Befristung ohne Grund ist danach ausgeschlossen.

Allerdings muss der Chef sich nicht gleich für den gesamten Zeitraum festlegen. "Er kann sich auch zunächst für nur einige Monate binden und dann - innerhalb des Gesamtzeitraums von zwei Jahren - noch dreimal verlängern", erklärt Karl Geißler, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Gütersloher Kanzlei Tschöpe Schipp Clemenz. Arbeitgeber dürfen diese Art der Befristung jedoch nur wählen, wenn der Mitarbeiter zuvor noch nie im Unternehmen gearbeitet hat.

Stellt der Chef einen Bewerber ein, der irgendwann schon einmal bei ihm beschäftigt war, und sei es nur als studentische Aushilfskraft in den Semesterferien, ist die Befristung unwirksam. "Das bedeutet nicht, dass auch der Arbeitsvertrag unwirksam ist", so der Anwalt. Vielmehr gelte das Arbeitsverhältnis dann als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Daher fragen inzwischen viele Arbeitgeber bereits im Auswahlverfahren sehr genau nach Vorbeschäftigungszeiten. Schwindeln sollten Bewerber hier nicht. Geißler: "Bewusst falsche Angaben könnten dazu führen, dass der Arbeitgeber den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten kann."

Die Bundesregierung möchte dieses Vorbeschäftigungsverbot lockern. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass Arbeitnehmer auch ohne Grund für zwei Jahre befristet eingestellt werden können, wenn sie zuvor schon einmal bei demselben Unternehmen gearbeitet haben. Voraussetzung soll aber sein, dass zwischen beiden Arbeitsverhältnissen mindestens ein Jahr liegt.

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Neben diesen Zeitverträgen sind auch Befristungen möglich, die aus einem bestimmten Grund erfolgen, beispielsweise als Elternzeitvertretung oder für ein Projekt. Sie können sich auch an eine sachgrundlose Befristung anschließen und dürfen beliebig oft hintereinandergeschaltet werden, wenn es neue Gründe dafür gibt. Die Zwei-Jahres-Regelung gilt hier nicht. Immerhin: Vor einer Kündigung müssen sich Mitarbeiter mit befristeten Stellen nicht fürchten. "Eine ordentliche Kündigung ist nur machbar, wenn das schriftlich im Vertrag vereinbart wurde", sagt Sandra Flämig, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Stuttgart. Außerordentliche Kündigungen, beispielsweise wegen Tätlichkeiten gegenüber Kollegen, seien jedoch immer möglich.

Die Zeit läuft. Wer um die Verlängerung seines Arbeitsvertrages bangt, bringt lieber 120 Prozent Leistung, als sich zu erholen. (Foto: iStock)

Ansonsten endet eine Befristung ohne Sachgrund automatisch zum vertraglich vorgesehen Zeitpunkt. "Bei einer Befristung mit Sachgrund - etwa bei einer Krankheitsvertretung - muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter mindestens zwei Wochen vorher mitteilen, dass der alte Arbeitnehmer zurückkehrt und daher für ihn Schluss ist", so die Expertin. Einer Kündigung bedarf es nicht.

Auch Rhode steht zurzeit wieder in Lohn und Brot. Inzwischen ist er verheiratet, ein Kind ist unterwegs. Wo er genau arbeitet, und wie sein richtiger Name lautet, möchte er nicht sagen. Denn er will nur noch eines: "Raus aus der Endlosschleife." Und hat sich daher entschlossen, seine Befristung dieses Mal rechtlich überprüfen zu lassen.

Unternehmen stolpern immer wieder über ihre Zeitvertragspraxis. Geißlers Erfahrung etwa hat gezeigt, dass längst nicht jeder Arbeitgeber eine Befristung schlüssig begründet: "Mitarbeiter werden bisweilen nur für ein Projekt eingestellt, obwohl es sich tatsächlich um einen Dauerbedarf handelt." So könnte es auch bei Rhode sein. Denn das, was er jetzt als Projektarbeit macht, wird nach seiner Einschätzung auch in drei Jahren noch jemand erledigen müssen.

Auch die fehlende Schriftform kann eine Befristung zu Fall bringen: Im Gegensatz zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis kann ein befristetes nicht mündlich geschlossen werden. "Wer mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers seine Arbeit aufnimmt, den Vertrag aber erst danach erhält, hat bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet", sagt Geißler. Einzige Ausnahme: "Der Arbeitgeber hat den Vertragsschluss von vornherein davon abhängig gemacht, dass er später schriftlich erfolgt."

Stillschweigend zur unbefristeten Stelle

Pannen passieren Arbeitgebern auch bei der Verlängerung von sachgrundlosen Befristungen. ,"Ändert sich hier auch nur eine Kleinigkeit im Vertrag, etwa weil der Mitarbeiter mehr Gehalt erhält oder die Stundenzahl aufstockt, ist die neuerliche Befristung unwirksam", so Anwältin Flämig. Und einige Chefs ebnen auch ganz zum Schluss noch unwissentlich den Weg in ein reguläres Arbeitsverhältnis: "Wer einen Mitarbeiter unwidersprochen über das vereinbarte Ende hinaus arbeiten lässt, wandelt das Arbeitsverhältnis stillschweigend in ein unbefristetes um."

Doch Achtung für den Zeitbeschäftigten: Arbeitsgerichte schauen zwar genau hin, überprüfen aber immer nur den letzten Vertrag. Ist dieser wirksam, ist der Arbeitnehmer draußen, auch wenn alle vorigen Befristungen unwirksam waren. Gegen unwirksame Zeitverträge kann man sich mit einer sogenannten Entfristungsklage wehren. "Das geht aber nur bis zu drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsvertrags", betont die Expertin. Naht das Ende der Anstellung, sollten Arbeitnehmer den Kontakt zum Arbeitsamt aufnehmen. Flämig warnt: "Man muss sich drei Monate vorher arbeitssuchend melden, sonst drohen Kürzungen."

Dabei sei noch erwähnt, dass sich selbst die Bundesagentur für Arbeit bereits im Dickicht befristeter Verträge verheddert hat. Sie hatte 2005 bundesweit zahlreiche Mitarbeiter befristet für drei Jahre eingestellt, um Hartz-IV-Fälle zu bearbeiten. Das Bundesarbeitsgericht kippte im März dieses Jahres die Befristung. Es lasse sich nicht nachprüfen, begründeten die Richter ihr Urteil, ob es sich tatsächlich nur um einen vorübergehenden Bedarf handele.

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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