Beförderung:Gefährlicher Aufstieg

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Die Erwartungen an neue Chefs sind groß: Sie sollen verkrustete Strukturen aufbrechen, frische Ideen haben - und die Kollegen motivieren. Konflikte sind programmiert.

Die Erwartungen sind hoch: Wird ein neuer Chef eingestellt, soll der meist nicht nur den Job des alten erfolgreich erledigen, sondern auch verkrustete Strukturen aufbrechen und neue Ideen umsetzen. "Er steht von Anfang an unter hohem Veränderungsdruck", sagt Sonja Kämpfer, Führungskräfte-Coach aus Hamburg. Damit nicht genug: Meist hat der neue Arbeitgeber relativ viel für ihn bezahlt. Das soll sich lohnen. Trotzdem dürfen neue Chefs nichts überstürzen.

Der neue Chef muss auch mal auf den Tisch hauen - allerdings sollte er auch die Befindlichkeiten der Mitarbeiter im Blick behalten. (Foto: Foto: iStock)

"Der hohe Druck verleitet dazu, vorschnell zu reagieren. Das ist der Kardinalfehler vieler Führungskräfte", schildert Kämpfer ihre Erfahrungen. Ihr wichtigster Rat lautet deshalb: "Vor wichtigen Entscheidungen mindestens ein Nacht schlafen."

Karriereberater empfehlen Führungskräften, sich gerade in der ersten Zeit an ein paar goldene Regeln zu halten:

Erstmal einen Überblich verschaffen

"Am Anfang sollte man den Mund halten", rät der Karriere-Coach Jürgen W. Goldfuß aus dem baden-württembergischen Spaichingen. Statt von eigenen Heldentaten zu erzählen, hören Chefs bei Gesprächen besser zunächst zu. "So bekommt man ein Bild davon, was im Unternehmen läuft."

Darüber hinaus muss ein neuer Chef wissen, welche Arbeit das Team genau leistet, wie lange es dafür braucht und ob es Beschwerden oder Probleme gibt. Außerdem lohnt ein Blick in Personalakten und Verträge, rät Sylke Pukatzki, Rechtsanwältin in Hamburg. "Sie sollten auch mit Betriebsvereinbarungen vertraut sein."

Erwartungen klären

Die eigenen Chefs haben Erwartungen, die Mitarbeiter ebenfalls. Und diese Erwartungen sollten neue Führungskräfte kennen, rät Kämpfer: "Ich würde das offensiv klären." Dazu gehört auch, sich über den alten Chef zu informieren, ergänzt Goldfuß. Warum hat er die Position oder das Unternehmen verlassen?

War der alte Chef beliebt, sollte der neue herausfinden, woran das lag. Und genauso sollte er wissen, worauf das Team lieber verzichtet hätte. "Deuten die Mitarbeiter in einem Gespräch so etwas an, ist es gut, sofort einzuhaken."

Mitarbeiter haben Respekt verdient

Kommt der Programmierer mit ausgewaschenem T-Shirt und Shorts ins Büro, mag das befremden. Über seine Qualifikation und seine Arbeitsleistung sagt das aber nichts aus, erklärt Kämpfer. "Wer auf der Suche nach Stereotypen ist und Bestätigung für Vorurteile möchte, macht sich den Einstieg schwer", warnt sie.

Manche Vorgänge erscheinen Außenstehenden unsinnig - und vielleicht sind sie es tatsächlich. Mitarbeiter, die sie ausführen, haben trotzdem nicht verdient, dafür ausgelacht zu werden. "Meistens haben die sich die Vorgänge ja nicht selbst ausgedacht", erklärt Kämpfer. Und oft gab es einen Grund, warum sie eingeführt wurden. Ihr Tipp: "Sich mit Kommentaren zurückhalten und den Arbeitsablauf ändern."

Auf der nächsten Seite: Wie ein neuer Chef Kompetenzen entdecken und verteilen kann - und mit Konkurrenten umgehen sollte.

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Kompetenzen im Team entdecken

"Was kann ich tun, damit Sie Ihre Arbeit noch besser machen können?" Das ist eine Frage, die Goldfuß als Chef neuen Mitarbeitern stellen würde. In einem solchen Gespräch dürfe aber nicht der Eindruck entstehen, dass der Chef jeden Wunsch erfüllt. "Sonst sind die Leute enttäuscht, wenn das nicht passiert."

Um Missverständnisse zu vermeiden, rät der Coach, konkret nachzufragen. Möchte ein Mitarbeiter einen schnelleren PC, sollte er begründen können, wie das seine Arbeit konkret verbessert.

Alteingesessene Mitarbeiter verfügen meist über großes Wissen. "Wer denen nicht traut, dem geht wertvolle Expertise verloren", warnt Kämpfer. "Versuchen Sie, diese Leute einzubinden." Doch was ist, wenn ein langjähriger Mitarbeiter eigentlich den Chefsessel wollte, aber übergangen wurde? "Dann würde ich den eigenen Vorgesetzten fragen, warum ich den Job bekommen habe und nicht er", rät Sylke Pukatzki. Und vielleicht gibt es eine Möglichkeit, den Konkurrenten anderweitig einzubinden.

Nicht nur nach oben gucken

"Wenn man zum ersten Mal Führungsaufgaben bekommt, verliert man schnell die Bodenhaftung und schaut nur noch nach oben", schildert Kämpfer einen typischen Fehler. Doch Erfolg funktioniere nur im Team mit den Mitarbeitern. Deshalb müssten Chefs deren Befindlichkeiten genauso im Blick haben.

Gerade in wirtschaftlich schweren Zeiten gerät ein Chef schnell in eine Sandwich-Position. Der Vorstand beschließt Einsparungen, die der neue Chef den Mitarbeitern verkaufen muss - selbst wenn er sie nicht für richtig hält. "Spielen Sie mit offenen Karten", rät Goldfuß.

Das bedeute nicht, dem eigenen Vorstand in den Rücken zu fallen. Der Chef könne dem Team aber durchaus sagen: "Ich hätte das auch gern anders gehabt. Lassen Sie uns überlegen, wie wir das beste daraus machen." Außerdem sei es sinnvoll, den Mitarbeitern die Zusammenhänge zu verdeutlichen, etwa die wirtschaftliche Lage des Unternehmens.

Realistische Ziele stecken - und Erfolge feiern

Neue Strategien brauchen Zeit, bis sie greifen. So lange sollten neue Chefs aber nicht mit Lob warten. "Wer nur auf Defizite schaut, dem geht schnell die Puste aus", warnt Kämpfer. Sie rät, eine Liste aufzuhängen mit dem, was bereits erreicht wurde. "Und das kann man feiern." Realistische Ziele sollten sich neue Chefs auch selbst stecken: "Wählen Sie drei bis fünf Aufgaben aus, die sie bewältigen können. Und dann bahnen Sie erste Erfolge an."

© dpa/Carina Frey/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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