Süddeutsche Zeitung

Bachelor und Master in Bayern:Zu viel, zu schnell, zu unübersichtlich

Sie haben zu Recht protestiert: Das Institut für Hochschulforschung bestätigt jetzt die Kritik der Studenten an der Bologna-Reform - zumindest teilweise.

Martin Thurau

Im Winter kochten die Proteste gegen die Bologna-Reform hoch. Die Studenten gingen auf die Straße und besetzten Hörsäle, um gegen die Lernbedingungen zu demonstrieren, zu vollgepackt, zu verschult, zu unflexibel seien die neuen Studiengänge. Politik und Hochschulen versprachen nachzubessern. Da muss auch das Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) Gas geben, das untersuchen soll, wie gut die Einführung des neuen Studiensystems mit den Abschlüssen Bachelor und Master in Bayern geklappt hat. Jetzt legt es Zwischenergebnisse vor, ein Jahr vor dem Abschlussbericht.

Und auch wenn der zentrale Teil der Untersuchung noch in den Anfängen steckt, weisen die bisherigen Daten einen Teil der studentischen Kritik als durchaus berechtigt aus. "Vieles deckt sich mit dem, was die Studenten angemahnt haben", sagt IHF-Chef Hans-Ulrich Küpper. Überrascht waren die Studienmacher von der "großen Vielfalt", mit der die Universitäten und Hochschulen den Umbau angegangen sind. "Positiv" sieht Küpper das, weil es von Kreativität zeuge. Einige der Befunde legen aber auch nahe, dass Vielfalt schnell in Wildwuchs umschlagen kann: Weitgehend "unübersichtlich" beispielsweise stellten die Hochschulen ihre Studienangebote, den Aufbau und die Anforderungen dar. Womöglich, sagt Küpper, "liegt darin ein Schlüssel zu vielen Studienproblemen".

Sehr "uneinheitlich" sei auch, was die Hochschulen überhaupt unter einer Lerneinheit, einem sogenannten Modul verstehen. Der Aufwand könne sehr unterschiedlich sein, ebenso die Zahl der Leistungspunkte, die ein Student dafür bekommt. Sie rangiert zwischen eins und 36, allein 29 verschiedene Varianten fanden die Forscher bei den 20 von mittlerweile 700 Bachelor-Studiengängen in Bayern, quer durch alle Fächergruppen, die sich das IHF genauer angeschaut hat. Küpper warnt jedoch vor Reglementierung.

Die Frage der hohen Prüfungsdichte spielte stets eine zentrale Rolle bei den Protesten. Jeder Uni-Student, so zeigt das IHF, hat im Schnitt fast neun Prüfungen pro Semester, an den Fachhochschulen liegt der Wert bei 6,5. Zwar haben sich viele Unis zwischenzeitlich - nach den Protesten - daran gemacht, die Zahl der Prüfungen herunterzufahren. Doch sei dies nicht unbedingt gleichzusetzen mit einer Reduktion der tatsächlichen Prüfungsbelastung, wenn der Student in einer Prüfung dafür wieder mehr Stoff beherrschen müsse, warnt Küpper. Hilfreich wäre es zumindest, die Semesterprüfungen auf jeweils zwei Zeiträume zu verteilen.

Viele der Mängel, die das IHF benennt, hätten auch die Hochschulen erkannt und steuerten bereits gegen, sagt Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP). Sein Haus habe zudem mit Hochschulen und Studenten gemeinsam Leitlinien für eine Bologna-Korrektur ausgearbeitet, die auf Nachbesserungen in einer Reihe der vom IHF angesprochenen Punkte setzten, andere wie die Frage der mangelnden Transparenz will Heubisch noch aufgreifen. Für Malte Pennekamp, den Sprecher der Landes-Asten-Konferenz, haben sich mit der Untersuchung die "gravierenden Mängel" der Reform bestätigt. Er warnt jedoch davor, "die Ergebnisse zu hoch zu hängen", weil sie nur einen Bruchteil der Studiengänge berücksichtigten.

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SZ vom 02.07.2010/holz
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