Ediz Bökli ist vor allem eines: traurig. Der promovierte Psychologe aus Osnabrück kann über die aktuelle Integrationsdebatte nur den Kopf schütteln. Dabei ist sie eigentlich gut für sein Geschäft. Bökli, der seit 36 Jahren in Deutschland lebt und sowohl den deutschen als auch den türkischen Pass besitzt, leitet eine Management- und Personalberatung, die sich auf deutsch-türkische Akademiker spezialisiert hat.
Sie tragen die deutsche Kultur ebenso in sich wie die türkische - doch viele Akademiker mit Migrationshintergrund entscheiden sich beruflich für das Heimatland ihrer Eltern.
(Foto: dpa)In seiner Kartei finden sich BWLer, IT-Spezialisten und Ingenieure - Fachkräfte, die in Deutschland dringend gebraucht werden. Der Branchenverband Bitkom warnt bereits jetzt davor, dass es zu wenig IT-Fachleute gibt, Ingenieure werden landesweit gesucht. Doch viele von Böklis Klienten wollen nicht länger in Deutschland arbeiten - sie zieht es ins Ausland. Zurück in die Türkei, die Heimat ihrer Eltern.
Die meisten von ihnen haben türkische Wurzeln, sind aber hier aufgewachsen und haben hier studiert. Gleichberechtigt behandelt fühlen sie sich aber nicht. So wie Ahmet. Als Sechsjähriger kam er 1975 nach Deutschland, besuchte die Realschule, machte Abitur, studierte Elektrotechnik. Er arbeitete für die Telekom und für Vodafone, machte einen MBA in Barcelona, Shanghai und den USA. Heute arbeitet er für ein großes Telekommunikationsunternehmen in Deutschland, will seinen Namen deshalb nicht öffentlich lesen. Bei Bökli hat er sich gerade über die Karrierechancen in Istanbul informiert. In Deutschland sieht er keine Zukunft mehr.
"Als Bewerber mit Migrationshintergrund kann man noch so gut qualifiziert sein, man tut sich wesentlich schwerer, an gute Positionen zu kommen. Wenn ich einen deutschen Namen hätte, wäre das vermutlich anders. Aber ich habe inzwischen so viel in meine Ausbildung investiert, ich möchte auch aufsteigen. In der Türkei habe ich größere Chancen", sagt er.
Eine, die Deutschland bereits verlassen hat, ist Alev Karatas. Die 40-Jährige wurde in Deutschland geboren, hat den deutschen Pass, wuchs in Süddeutschland auf. Sie studierte Sozialwissenschaften und bewarb sich nach ihrem Abschluss sowohl in Deutschland als auch in der Türkei. Dort bekam sie den besseren Job - und arbeitet noch heute in Istanbul in einem großen Unternehmen in der Qualitätssicherung. "In der Türkei ist die Berufswelt flexibler, dort kann man auch mal ohne Probleme die Branche wechseln", sagt sie.
Während die Wirtschaft sich also noch um die Zuwanderung von Fachkräften sorgt, CSU-Chef Seehofer keine Arbeitskräfte mit fremdem kulturellen Hintergrund mehr will und die Koalition über ein Punktesystem für Einwanderer nachdenkt, entwickelt sich Deutschland still und heimlich zum Auswanderungsland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lag die Zahl der Türken, die Deutschland verließen, im Jahr 2008 bei etwas mehr als 34.800, nach Deutschland zogen im gleichen Jahr nur 26.600.