Auswahlkriterien:Mehr als Noten

Persönlichkeit, Praktikum, Ausland, all das spielt eine Rolle bei der Bewerbung. Drei Personalverantwortliche erzählen.

Protokolle von Miriam Hoffmeyer

Die Sorge um die Noten beginnt für viele Kinder im Grundschulalter - und sie bleibt bis zum Ende des Studiums. Dabei geben Zensuren allein nicht den Ausschlag für eine erfolgreiche Bewerbung. Drei Personaler erzählen.

Markus Olbert, Personalchef beim Gesundheitskonzern Fresenius:

"Noten haben für uns nur eine relative Bedeutung. Wie wichtig sie sind, hängt von der Bewerbungssituation ab: Wenn sich 300 Absolventen für eine Stelle bewerben, ist es leider unmöglich, alle zu einem Gespräch einzuladen. Wir müssen eine Vorauswahl treffen, dadurch bekommen die Noten ein größeres Gewicht. Wenn es nur fünf oder zehn Bewerbungen gibt, sieht das anders aus. Im IT- und im Ingenieurbereich sind Absolventen knapp, mit Einschränkungen gilt das auch für die Naturwissenschaften. Die mit Abstand höchsten Bewerberzahlen haben wir für unsere Trainee-Programme, die für verschiedene Fachrichtungen offen sind.

Bei den Noten achten wir auch darauf, wo das Zeugnis erworben wurde. Nicht jede Hochschule ist in jedem Studiengang gleich gut und eine Eins von der Hochschule A kann durchaus einer Zwei von der Hochschule B entsprechen. Über die Jahre hinweg bekommt man einen Eindruck, wie die Hochschulen ihre Noten vergeben, und das fließt in die Gesamtbetrachtung ein. Mindestens ebenso wichtig ist natürlich, ob die Studienschwerpunkte zur ausgeschriebenen Stelle passen. Und wenn jemand Praktika gemacht hat oder Auslandserfahrung mitbringt, zählt das im Zweifelsfall mehr als eine Note, die ein paar Prozentpunkte besser ist. Deshalb rate ich Studierenden dazu, sich nicht nur auf die Abschlussnote zu konzentrieren, sondern während des Studiums noch andere Erfahrungen zu sammeln.

Wenn die Bewerber erst mal zum Gespräch eingeladen worden sind, zählt nur noch der Gesamteindruck. Auf der Basis von Noten sollte man keine Erwartungen aufbauen - da habe ich in beiden Richtungen schon Überraschungen erlebt. Deshalb legen wir so großen Wert darauf, die Bewerber kennenzulernen. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand, der im Gespräch überzeugt hat, wegen einer schlechteren Note abgelehnt worden wäre."

Kathrin Kammer, verantwortlich für Recruiting bei der Unternehmensberatung Roland Berger:

"Bewerber mit sehr guten Noten schneiden erfahrungsgemäß auch im fachlichen Teil unseres Auswahlverfahrens gut ab. Deshalb schauen wir bei der Vorauswahl auf die Noten, und zwar nicht nur auf den Hochschulabschluss, sondern auch auf das Abiturzeugnis - und dabei insbesondere auf die Mathenote. Schließlich müssen Unternehmensberater mit Zahlen umgehen können und ein quantitatives Verständnis haben. Allerdings sind die Abschlusszeugnisse der Schulen und vor allem der Hochschulen in den vergangenen Jahren immer besser geworden. Bei uns bewerben sich Absolventen aller Fachrichtungen und in einigen Fächern steht heute fast automatisch eine Eins vor dem Komma, beispielsweise bei Psychologen, Mathematikern oder Physikern. In den Wirtschafts- und Geisteswissenschaften ist die Entwicklung ähnlich. Besonders gut fallen die Masterabschlüsse aus, Bachelor-Absolventen werden oft noch etwas strenger benotet. Und an einigen Universitäten sind gute Noten schwieriger zu bekommen als an anderen. Wegen des Trends zu immer besseren Noten haben sie jedenfalls einiges von ihrer Bedeutung als Differenzierungsmerkmal eingebüßt.

Noten waren aber immer nur einer von mehreren Aspekten. Wichtiger ist, ob jemand während des Studiums noch etwas anderes Interessantes gemacht hat: sich in einer Initiative engagiert hat, im Ausland war, ein kleines Unternehmen gegründet oder in ein anderes Fach hineingeschnuppert hat. Das ist für die Persönlichkeitsentwicklung wichtiger, als das Studium in Rekordzeit nach Schema F durchzuziehen."

Alexander Sauer, Leiter Recruiting beim Energie- und Automatisierungstechnikkonzern ABB Deutschland:

"Die Lebensläufe von Absolventen sind naturgemäß kurz und gleichen einander in vielen Punkten. Wenn wir sehr viele Bewerbungen haben, müssen wir anhand von festen Kriterien eine Vorauswahl treffen. Dazu gehören die Noten oder die Dauer des Studiums. Das heißt aber nicht, dass jemand mit weniger guten Noten bei ABB grundsätzlich keine Chance hätte. Wenn wir zum Beispiel Service-Ingenieure suchen, die für unsere Großprojekte im Ausland arbeiten und dann teilweise für Wochen oder Monate unterwegs sind, ist es sehr wichtig, dass die Bewerber Flexibilität und Mobilität mitbringen oder bestimmte Fremdsprachen beherrschen. Was besonders im Service sehr positiv gesehen wird: Wenn Bewerber neben der Arbeit studiert oder vor dem Studium eine praktische Ausbildung gemacht haben. Diese Kandidaten sind häufig praxisorientierter und kommen mit den Arbeitern auf der Baustelle besser klar als die, die einen rein akademischen Hintergrund haben. Dann sind Noten nicht ganz so entscheidend. Anders ist es natürlich, wenn wir Stellen in unseren Forschungszentren zu besetzen haben. Dort ist die Arbeit sehr wissenschaftlich, über 50 Prozent der Mitarbeiter promoviert. Wer sich mit einem Master für eine Forschungsstelle bewirbt, muss ein sehr gutes Zeugnis haben.

Im Gespräch können Bewerber auch erklären, warum sie zwei Semester länger gebraucht haben oder eine schlechte Note in einem Teilbereich hatten. Vielleicht mussten sie ja ihr Studium selbst finanzieren oder haben einen Angehörigen gepflegt. Durch solche Zusatzinformationen kann sich ein Bild noch ins Positive wenden. Die Wahrscheinlichkeit ist zwar groß, dass Absolventen mit guten Noten bei der Bewerbung Erfolg haben und auch im Beruf gut sind. Trotzdem sind es nicht immer die mit den besten Abschlüssen, die Karriere machen."

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