Ausstieg mit 58 Jahren:Erleichterung für ältere Arbeitslose

Ab 58 können Arbeitslose schriftlich erklären, dass sie keinen Job mehr suchen. Geld fließt trotzdem.

Wolfgang Büser

(SZ vom 4.9.2003) Wer älter als 50 Jahre ist und einen neuen Job sucht, lernt die Hemmschwellen der Personalchefs kennen. Trotz der größeren Berufserfahrung älterer Mitarbeiter halten sich die Vorurteile gegen eine Einstellung. Diese Vorbehalte lassen sich auch durch Werbekampagnen und Lohnkostenzuschüsse kaum beseitigen. Je weniger Chancen ältere Arbeitslose aber auf dem Arbeitsmarkt haben, desto mehr empfinden sie die allgemeinen Anforderungen des Arbeitsamtes an die Eigensuche oder an den Nachweis von Eigenbemühungen, die geforderte ständige Erreichbarkeit am Wohnort oder die Meldeaufforderungen des Vermittlers als "Formalübung".

Arbeitslose, die 58 Jahre alt sind, können sich aus dieser Situation befreien. Sie haben die Möglichkeit, eine Sonderregelung zu nutzen und Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Bedingungen zu beziehen. Die Konzeption: Wer 58 ist, kann per Unterschrift gegenüber dem Arbeitsamt erklären, keine Arbeit mehr zu suchen, muss aber im Gegenzug zum frühest möglichen Zeitpunkt eine abschlagfreie Rente beantragen. Was bringt die Regelung? Welche Bedingungen gelten? Wo liegt der Haken? Hier die wichtigsten Details:

- Was muss getan werden, um die "58er-Regelung" in Anspruch zu nehmen? Dazu genügt die Vorsprache beim Arbeitsvermittler. Wer erst nach seinem 58. Geburtstag arbeitslos wird, kann sofort von dem Privileg Gebrauch machen. Wer während der Arbeitslosigkeit 58 wird, erhält automatisch Post vom Arbeitsamt mit entsprechendem Erklärungsbogen. Für die Abgabe der Erklärung besteht kein Zeitdruck; man kann sich jederzeit aus der Vermittlungsdatei streichen lassen.

- Welche Vorteile bringt die Regelung? Die Erklärung gegenüber dem Amt bringt zwei Erleichterungen: Die Verpflichtung zur Eigensuche von Arbeit sowie zur Aufnahme einer vom Arbeitsamt angebotenen zumutbaren Arbeit entfällt; auch die Teilnahme an Trainingsmaßnahmen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen wird vom Arbeitsamt nicht mehr verlangt. Arbeitslosengeld wird bei Urlaub für bis zu 17 Wochen weitergezahlt. Ohne die Erklärung gilt das Urlaubsprivileg in den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit nur eingeschränkt und insgesamt nur für drei Wochen.

Zeit zum Überlegen

- Auf welche Gegenleistung muss der Arbeitslose bringen? Er muss zum frühest möglichen Zeitpunkt eine abschlagfreie Altersrente beziehen. Ein Nachteil kann sich dabei nur für diejenigen Arbeitslosengeldbezieher ergeben, die eine abschlagfreie Rente vor Ablauf des Höchstanspruchs auf Arbeitslosengeld beziehen könnten. Dies trifft nach der Anhebung der Altersgrenzen im Rentenrecht aber nur noch für wenige Ausnahmefälle, etwa für Schwerbehinderte vom 60. Lebensjahr an, zu. Die im Regelfall angestrebte vorzeitige Rente wegen Arbeitslosigkeit kann zwar ebenfalls vom 60. Lebensjahr an beansprucht werden, wird aber vor 65 nur mit Abschlägen gezahlt und muss deshalb nicht beantragt werden.

Grundsätzlich bedeutet dies: Arbeitslosengeld kann bis zum 65. Lebensjahr bezogen werden. Für Bezieher von Arbeitslosenhilfe macht es keinen Unterschied, ob sie die 58er-Regelung in Anspruch nehmen. Sie können Arbeitslosenhilfe längstens bis zum Beginn einer abschlagfreien Altersrente beziehen.

- Kann die Erklärung wieder zurückgenommen werden? Das Gesetz räumt den Arbeitslosen eine Überlegungsfrist von drei Monaten ein. Wer sich nicht schon vorher beim Rententräger nach dem Beginn und nach der Höhe einer (abschlagfreien) Altersrente erkundigt hat, kann dies in dieser Zeit tun und innerhalb der Drei-Monats-Frist die Erklärung widerrufen. Nach Ablauf der Überlegungsfrist ist ein Umtausch ausgeschlossen.

- Kann das Arbeitsamt Arbeitslose in die Rente zwingen? Ja, aber nur in die abschlagfreie Rente. Wenn eine solche Rente vor 65 Jahren bezogen werden kann, aber nicht beantragt wird, stellt das Arbeitsamt die Zahlung des Arbeitslosengeldes oder der Arbeitslosenhilfe vom möglichen Rentenbeginn an ein.

- Was passiert, wenn die Erklärung nicht unterzeichnet wird? Die Abgabe der Erklärung ist freiwillig. Wer sich nicht für die "58er-Regelung" entscheidet, für den gelten die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des Arbeitslosengeldes oder der Arbeitslosenhilfe, insbesondere der Nachweis von Eigenbemühungen bei der Jobsuche sowie die Verfügbarkeit für das Arbeitsamt - einschließlich der auf drei Wochen begrenzten Urlaubsregelung.

- Kann auch vorzeitig freiwillig Rente bezogen werden? Wer die Rentenvoraussetzungen erfüllt, kann vorzeitig eine Abschlagrente beantragen. Dies bietet sich an, wenn die Leistungen des Arbeitsamtes niedriger sind als die zu erwartende Rente. Ist die Rente nur geringfügig höher als die Leistungen des Arbeitsamtes, kann es sich lohnen zu rechnen, ob die Differenz nicht durch den Vorteil zusätzlicher Beiträge aus dem Bezug von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe ausgeglichen wird. Auch hier hilft der Rentenversicherungsträger.

- Bleibt die Meldepflicht gegenüber dem Arbeitsamt bestehen? Ja. Der Grund: Das Gesetz will nicht auf alle Kontrollmöglichkeiten verzichten. So soll das Arbeitsamt prüfen können, ob der Arbeitslose einen - vielleicht nicht gemeldeten - Nebenjob ausübt oder ob er überhaupt noch arbeitsfähig ist. Wer deshalb einen Meldetermin des Arbeitsamtes ohne wichtigen Grund versäumt, muss - wie beim Leistungsbezug unter allgemeinen Voraussetzungen - mit einer Säumniszeit von grundsätzlich zwei Wochen rechnen. Bei einem zweiten Meldeversäumnis innerhalb der ersten Säumniszeit wird die Leistung bis zur erneuten Meldung, mindestens aber für vier Wochen gesperrt. In der Praxis genügt regelmäßig eine kurze Rückmeldung alle drei Monate.

Nebenjob erlaubt

- Warum ist der Anspruch auf Urlaub begrenzt? Auch hier spielt vermutlich der Kontrollgedanke eine Rolle. Die Begrenzung auf 17 Wochen beruht aber nicht auf dem Gesetz, sondern ergibt sich aus einer Anordnung des Verwaltungsrates der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit. Diese sieht für Ausnahmefälle aber auch eine Verlängerung des 17-Wochen-Zeitraumes vor. Bei Bedarf ist ein Verlängerungswunsch deshalb Begründungs- und Verhandlungssache mit dem Arbeitsvermittler vor Ort. In jedem Fall gilt: Ein Urlaub oder eine sonstige Ortsabwesenheit muss vorher mit dem Vermittler abgesprochen werden.

- Was verändert sich bei der Leistungshöhe und was gilt bei Nebenjobs? Für Arbeitslose, die Leistungen unter erleichterten Bedingungen beziehen, gelten die gleichen Regelungen zur Leistungshöhe wie für alle anderen Arbeitslosen. Das heißt: Es gibt weder einen Zuschlag noch einen Abschlag auf die Leistung, auch die Beiträge des Arbeitsamtes an die Rentenversicherung bleiben unverändert.

Auch für eine Nebenbeschäftigung gelten die allgemeinen Regelungen. Das bedeutet: Beschäftigungen unter 15 Stunden wöchentlich sind generell zulässig. Erreicht der Nebenjob 15 Wochenstunden, so entfällt die Leistung ganz. Ansonsten bleibt das erzielte Nebeneinkommen nach Abzug von Werbungskosten, Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern bis zu 20 Prozent des monatlichen Arbeitslosengeldes oder der Arbeitslosenhilfe - mindestens aber bis zu 165 Euro monatlich - anrechnungsfrei. Der darüber hinausgehende Betrag wird voll auf das Arbeitslosengeld oder die Arbeitslosenhilfe angerechnet.

- Darf trotz Inanspruchnahme der "58er"-Regelung eine Arbeit aufgenommen werden? Die Erklärung, nicht mehr jede Arbeit annehmen zu wollen, bedeutet keinesfalls ein Arbeitsverbot. Wer deshalb selbst wieder eine passende Arbeit findet und aufnehmen möchte, kann dies ohne Nachteile tun. Auch das Arbeitsamt ist weiterhin verpflichtet, Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten und eine Arbeitssuche und -aufnahme gegebenenfalls auch finanziell zu unterstützen. Allerdings wird der Vermittler bei Abgabe der Erklärung nur noch auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitslosen tätig.

- Was ändert sich bei Krankheit oder Erwerbsunfähigkeit? Wer arbeitsunfähig ist, muss dies dem Arbeitsamt unverzüglich anzeigen. Bis zu sechs Wochen zahlt das Arbeitsamt die Leistungen weiter, bei längerer Krankheit besteht Anspruch auf Krankengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes oder der Arbeitslosenhilfe. Wer erwerbsgemindert ist, hat - trotz "58er"-Regelung - keinen Anspruch mehr auf die Leistungen des Arbeitsamtes, sondern wird auf die Erwerbsminderungsrente verwiesen. Bis zum Rentenbeginn zahlt das Arbeitsamt die Leistungen weiter. Bei rückwirkender Rentenbewilligung verrechnet das Arbeitsamt die für den gleichen Zeitraum gezahlten Leistungen mit dem Rententräger.

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