Auslandsaufenthalte für Berufstätige:Schnuppertage in Übersee

Auf der Walz: Wer sagt eigentlich, dass die Freude am Reisen und am Kennenlernen fremder Kulturen auf Ausbildung oder Studium beschränkt sein muss? Ausgewählte Stipendien unterstützen Professionals beim Auswandern auf Zeit.

Miriam Hoffmeyer

Sie war immer eine der Schnellsten gewesen: Die Verlagsmitarbeiterin Tina Moser hatte besonders zielstrebig ihren ersten Job angesteuert, schon mit 25 Jahren war sie mit Studium und Volontariat fertig und beim Kinderbuchverlag Loewe angestellt.

Auslandsaufenthalt für Berufstätige

Auslandsaufenthalte müssen nicht auf Schule oder Studium beschränkt sein - auch danach gibt es noch eine Reihe von Möglichkeiten, andere Orte und Kulturen kennenzulernen.

(Foto: AFP)

Für Abstecher ins Ausland war keine Zeit gewesen. Weil Tina Moser als "Foreign Rights Manager" für den Verkauf von Übersetzungsrechten ins Ausland zuständig war, unter anderem in die USA, wurde ihr Interesse für das Land und seinen Buchmarkt immer größer: Sie wollte die versäumte Auslandserfahrung nachholen.

Vor dem Berufseinstieg ist es nicht sehr schwer, für längere Zeit ins Ausland zu gehen: Abiturienten, Studenten und Absolventen steht eine Fülle staatlicher und privater Förderprogramme zur Verfügung, die den Schritt über die Grenze erleichtern. Mit dem ersten festen Arbeitsvertrag schrumpfen diese Chancen dramatisch.

Trotzdem gibt es auch einige Förderprogramme für Berufstätige, zum Beispiel das "Deutsch-Amerikanische Praktikantenprogramm" der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), mit dem pro Jahr etwa 60 junge Deutsche für zwei bis zwölf Monate in die USA gehen. Den Praktikumsplatz müssen die Teilnehmer selbst finden, das Programm bietet aber Betreuung, ein Vorbereitungsseminar, Flugkostenzuschüsse und Stipendien, sofern das Praktikum nicht bezahlt wird.

Auch Tina Moser profitierte vom Deutsch-Amerikanischen Praktikantenprogramm: Sie bewarb sich 2011 für ein dreimonatiges Praktikum beim "German Book Office" der Frankfurter Buchmesse in New York, das Kontakte zwischen deutschen und amerikanischen Verlagen herstellt. Tina Mosers Arbeitgeber war zunächst nicht begeistert von dieser Idee. "Ich musste ein bisschen kämpfen", erzählt sie. "Aber der Verlag hatte auch Interesse daran, dass ich mich fortbilde."

In New York organisierte Moser eine Reise amerikanischer Lektoren zur Buchmesse und half dabei, die Übersetzungsrechte für deutsche Kinderbuchtitel zu verkaufen. Der Auslandsaufenthalt gab ihrer Karriere eine Wendung: "Ich habe mein Englisch sehr verbessert, wichtige Kontakte geknüpft und einen besseren Überblick über die Verlagslandschaft bekommen."

Das Ausland lockt

Das verlockte sie bald nach ihrer Rückkehr dazu, ihren alten Arbeitsplatz aufzugeben und zu einem Kinderbuchverlag in London zu wechseln. Dort hat Moser mehr Verantwortung als früher, weil der Verkauf von Übersetzungsrechten für englische und amerikanische Verlage sehr viel wichtiger ist als für deutsche. Ohne das Praktikum in New York hätte sie die Stelle nicht bekommen, meint die 28-Jährige: "Der Verlag wusste, dass ich schon mal im Ausland war. Deshalb hat man mir auch zugetraut, den Wechsel nach London gut hinzubekommen."

Neben dem Deutsch-Amerikanischen Praktikantenprogramm gibt es noch andere Fördermöglichkeiten für Arbeitnehmer, die ins Ausland streben. Dazu gehören unter anderem Programme der Carl Duisberg Centren oder der Heinz-Nixdorf-Stiftung, die Aufenthalte in Asien fördert. Alle diese Programme haben allerdings relativ wenige Teilnehmer pro Jahr.

Wesentlich größer ist das Parlamentarische Patenschaftsprogramm, das ebenfalls die GIZ, im Auftrag des Bundestages, organisiert: Jährlich gehen damit mehr als 70 deutsche Berufstätige mit nicht-akademischer Ausbildung für ein Jahr in die USA. Dort arbeiten sie in ihrem erlernten Beruf und haben außerdem die Möglichkeit, ein College zu besuchen. Die Altersgrenze für das Patenschaftsprogramm ist mit 24 Jahren niedrig. Viele Teilnehmer nehmen nach ihrer Rückkehr ein Studium auf.

Wer nicht weit reisen möchte, sondern nur ins europäische Ausland, kann vom EU-Programm "Leonardo da Vinci" für berufliche Bildung profitieren. Zwar werden damit in erster Linie Auszubildende gefördert. Doch gehen mit Leonardo jährlich auch mehr als tausend Deutsche ins Ausland, die ihre Ausbildung oder ihr Studium schon abgeschlossen haben, die meisten für drei bis sechs Monate. Viele Hochschulabsolventen und Arbeitslose sind dabei, aber auch Berufstätige - zum Beispiel Handwerksgesellen, die außerhalb Deutschlands auf die Walz gehen wollen.

Das beliebteste Zielland ist Großbritannien. Eine direkte Bewerbung beim Leonardo-Programm ist allerdings nicht möglich: Die Förderung läuft nur über Projekte, die zum Beispiel von den IHK, den Handwerkskammern oder Weiterbildungsträgern angeboten werden. Obwohl es keine offizielle Altersgrenze gibt, sind zwei Drittel der Teilnehmer jünger als 28 Jahre.

Wichtiger Einlick in die Geschäftswelt

Mit steigendem Alter sinkt offenbar das Interesse daran, sich im Ausland fortzubilden. Eine Ausnahme sind die Teilnehmer des Programms "Fit für das Russlandgeschäft", das die russische Regierung zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland aufgelegt hat. Das Fortbildungsprogramm für deutsche Fach- und Führungskräfte, die in ihren Firmen für den russischen Markt zuständig sind, funktioniert als Netzwerk, das ständig wächst. Seit dem Jahr 2006 haben schon mehr als 230 angestellte Manager und Unternehmer aus Deutschland daran teilgenommen.

Dem 39 Jahre alten Unternehmer Jan Krückemeyer verschaffte das Programm die langersehnten Geschäftsverbindungen mit russischen Firmen. Sein mittelständisches Unternehmen in der Nähe von Siegen ist auf den Großhandel mit Klebetechnik und Schleifstoffen spezialisiert. Lange Zeit bemühten sich Krückemeyers Mitarbeiter vergeblich, per Telefon und E-Mailanfragen mit russischen Firmen ins Geschäft zu kommen. Die Teilnahme am Russland-Programm war Krückemeyers letzter Versuch: "Ich wollte herausfinden, warum es nicht geklappt hat."

Nach einem Vorbereitungsseminar der GIZ über interkulturelle Kommunikation verbrachte er 2009 zusammen mit anderen deutschen Managern drei Wochen in Sankt Petersburg und Nischni Nowgorod, besichtigte russische Unternehmen und knüpfte während des Freizeitprogramms nützliche Kontakte. Schnell wurde Krückemeyer klar, was an seiner bisherigen Strategie falsch war. "Der größte Unterschied zur deutschen Wirtschaft ist: Man braucht Kontakte zur Geschäftsführung. Es ist sinnlos, sich zuerst an die Abteilungsleiterebene zu wenden." Geschäftskontakte könne man in Russland nur persönlich aufbauen, darum habe das Fortbildungs-Programm ihm so viel genützt. Inzwischen fährt Krückemeyer jedes Jahr für mindestens eine Woche nach Russland.

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