Auslandsaufenthalt:Sprachkenntnisse allein reichen nicht

Ein Auslandsaufenthalt bringt Pluspunkte bei der Bewerbung. Wer schon mal fern der Heimat studiert oder gearbeitet hat, kann damit eine Vita mit Lücken aufpolieren.

S. Kneer

"Auslandsaufenthalte sind oft der Beweis für eine offene, neugierige, unternehmerische Sichtweise, für Flexibilität und Durchsetzungsvermögen." Christian Kugelmeier weiß, wovon er spricht. "Ich war 17, als ich zum ersten Mal meine Sicherheit daheim für ein Jahr Australien aufgegeben habe", sagt er. Während seines Jurastudiums absolvierte er dann zwei Auslandssemester an der Universität Straßburg.

Flughafen, ap

Ab ins Ausland: In vielen Unternehmen gilt internationale Erfahrung als Einstellungsvoraussetzung.

(Foto: Foto: ap)

Englisch und Französisch spricht er heute fließend. Doch profitiert habe davon vor allem seine Persönlichkeit. "Die Stationen im Ausland haben meinen Horizont erweitert", sagt er. In einem Postgraduiertenstudium in Australien erwarb er schließlich noch den Master. Heute hat Kugelmeier als Personalleiter beim Finanzdienstleister MLP viele Bewerbungen auf dem Tisch: "Bei einem Bewerber sieht man an den Auslandsstationen, ob er bereit ist, Risiken einzugehen".

Internationale Erfahrung als Einstellungsvoraussetzung

In Zeiten, in denen die Soft Skills, also soziale Fähigkeiten, als Geheimwaffe gelten, bringt ein Auslandsaufenthalt Pluspunkte bei der Bewerbung. Wer in eine qualifizierte Position strebt oder sich gar als Führungskraft bewirbt, der sollte schon einmal außerhalb Deutschland studiert oder gearbeitet haben. Möglich, dass man damit auch einen nicht ganz stringenten Lebenslauf aufpolieren kann.

Und so manche fachliche Zusatzqualifikation, sagt Kugelmeier, könne man sich noch aneignen. Wenn sich das Fachwissen und die Auslandsetappen aber ergänzen, dann dürfte der Bewerber die erste Hürde schon mit Leichtigkeit genommen haben.

In vielen Fällen gilt internationale Erfahrung gar als Einstellungsvoraussetzung, so bei Großkonzernen und international tätigen Mittelständlern. Volkswagen hat beispielsweise eine eigene Abteilung für ins Ausland entsandte Mitarbeiter gegründet - mehr als 1500 solcher "Expatriates" arbeiten für den Autobauer in fremden Ländern.

Verständnis für anderes Denken

Konferenzschaltungen mit Büros in Indien oder Amerika, mal kurz zu einer Beratung nach Japan oder Australien oder als Projektleiter nach China oder Polen - die Arbeitswelt kennt keine Grenzen. Dabei gilt weiterhin: Andere Länder, andere Sitten. Wer in Japan selbst einmal erfahren hat, dass der freundlich lächelnde Gegenüber "ja" sagt, aber nicht unbedingt "ja" meint, der erspart sich und seinem Arbeitgeber so manches negatives Erlebnis.

Schon in Frankreich wird anders gearbeitet als hierzulande, auch wenn man meinen könnte, das ist doch eben um die Ecke. Jörn Mühlenbrink nennt die Arbeitsstruktur im benachbarten Ausland "hierarchisch". Der System-Ingenieur bei Atena hat zweieinhalb Jahre als Ingenieur im Auftrag seiner Firma am Airbus A380 in Toulouse mitgearbeitet. Gerade wenn Probleme auftreten, ist es nicht nur hilfreich, wenn man die Sprache spricht, sondern versteht, wie die französischen Kollegen denken. "Was der Chef sagt, wird gemacht. Da wird keine zweite Meinung gehört", sagt Mühlenbrink, der in einem Schnellkurs sein Schulfranzösisch aufgefrischt hat.

Auf der nächsten Seite: Warum Mitarbeiter durch einen Auslandsaufenthalt einen Karrieresprung beschleunigen.

Sprachkenntnisse allein reichen nicht

Zauberwort Diversity

Die Sprache bildet die Arbeitsgrundlage, doch in der internationalen Zusammenarbeit, über der das Zauberwort Diversity (Vielfalt) schwebt, reicht sie zum Verstehen nicht. So bereiten 70 Prozent aller Unternehmen ihre Mitarbeiter durch Schulungen kulturell auf das neue Land vor. Das ergab die Expatriate-Management-Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte. Was man im Unternehmen nicht lernt, können sich Studenten der Ingenieurwissenschaften beispielsweise mit der Zusatzqualifikation "Certified Intercultural Engineer" an der Hochschule Bochum aneignen.

Mühlenbrinks Frankreichaufenthalt war eine Art "Pilotprojekt" bei Atena. Nur drei Mitarbeiter verbringen mehr als ein Jahr für das Unternehmen im Ausland. "Das ist nur sinnvoll, wenn der Einsatz des Mitarbeiters im Ausland für das Projekt erforderlich ist, und nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Personalentwicklung erfolgt", sagt Peter Mihanovic, Leiter Personal und Recht bei Silver Atena.

Finanzieller Schub

Doch selbst wenn man sich im Ausland wiederfindet, bedeutet das nicht automatisch den großen Karrieresprung. Mühlenbrink hatte Glück: "Es hat meiner Karriere einen finanziellen Schub gegeben", sagt der Ingenieur. "Außerdem mache ich heute etwas anderes als vorher, bin in die Entwicklung neuer Projekte eingebunden." Mihanovic bestätigt: "Wir nehmen einen Auslandsaufenthalt sehr positiv auf. Der Mitarbeiter zeigt, dass er sich weiterentwickelt und kann so ein nächsten Karrieresprung beschleunigen."

Von den Kollegen wird Jörn Mühlenbrinck nun immer wieder gefragt, wenn es um die Zusammenarbeit mit den französischen Kollegen geht. "Ich kann meine Erfahrung einbringen", sagt der 32-jährige Ingenieur. Er würde gerne noch einmal nach Frankreich gehen.

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