Auslandsaufenthalt:Asien ist nicht gleich Asien

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Immer mehr Business-Schools bieten Programme mit Fokus auf Länder des Fernen Ostens an, denn die Gepflogenheiten sind oft sehr unterschiedlich.

Von Christiane Bertelsmann

Ohne Frage: Wichtige Wirtschaftspartner für international agierende Unternehmen kommen aus Asien. Ebenso verständlich, dass europäische Business-Schulen ihre Studierenden auf die Arbeits- und Wirtschaftswelt in Fernost vorbereiten wollen. "An der Nachfrage nach unseren Absolventen durch Unternehmen erkennen wir, dass der Asien-Fokus ein wichtiges Entscheidungskriterium für Recruiter ist", sagt Gerold Gnau. Er ist Programmdirektor MBA an der WHU - Otto Beisheim School of Management mit Sitz in Vallendar/Koblenz und Düsseldorf. An der WHU gehört ein Asien-Modul fest zum MBA-Curriculum. "Jede unserer MBA-Klassen fährt insgesamt zwei Wochen geschlossen nach Indien und nach China", berichtet Gnau. "Nachwuchsführungskräfte, die in international agierenden Unternehmen erfolgreich sein wollen, müssen ein tiefes Verständnis der Wirtschaft in Indien und China haben", betont er.

Dieses Wissen kann man am besten am jeweiligen Ort erlangen. Inzwischen bieten zahlreiche Business-Schulen, aber auch Hochschulen ihren Studenten die Möglichkeit, direkt in Asien mehr über Wirtschaft und Gesellschaft zu erfahren. Vorlesungen und Seminare an Partneruniversitäten und -hochschulen, aber auch Besuche bei Wirtschaftsunternehmen gehören dabei genauso dazu wie Freizeitprogramme. Oft legen die Teilnehmer einen Doppelabschluss ab - sowohl in Europa als auch an der Partnerhochschule in Asien.

Benedikt Kurz, 26, arbeitet als Sales Manager bei einem internationalen Hersteller für Sport- und Gesundheitsuhren und Navigationsgeräte. Der MBA-Student hat sich auf Taiwan spezialisiert. (Foto: privat)

Benedikt Kurz verbrachte im März dieses Jahres drei Wochen in Taiwan. Er studiert berufsbegleitend International Business with Focus on Asia, Western Europe or Central and Eastern Europe als Teilzeit-MBA an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Ein halbes Jahr vor seiner Reise nach Kaohsiung in Taiwan erlernte Kurz Mandarin bei einer taiwanesischen Sprachlehrerin in Würzburg - 70 Stunden insgesamt. Und das neben seiner Vollzeitarbeit als Sales-manager und zusätzlich zu seinem MBA-Studium. Die Mühe hat sich aber für ihn gelohnt: Es kam bei den von der Hochschule organisierten Firmenbesuchen in Taiwan gut an, wenn er die Mitarbeiter auf Mandarin begrüßen konnte - und auch beim Ausgehen abends mit den Kommilitonen von der Uni. Ein paar Floskeln in der Landessprache schaden ja bekanntlich nie.

Während seines Aufenthalts lebte der 26-Jährige auf dem Campus der Shih Chien University in Kaohsiung. Nicht wie die meisten Studierenden in einem Zimmer mit anderen Kommilitonen, sondern allein in einer der Unterkünfte, die eigentlich den Lehrern vorbehalten sind. Für ihn wäre aber auch die andere Variante in Ordnung gewesen. "Aber für die anderen vielleicht nicht. Ich habe ja die ganze Zeit über immer wieder gearbeitet - da gehören Skype-Telefonate dazu" sagt Kurz.

Den Asien-Schwerpunkt fürs Masterstudium zu wählen, lag für ihn auf der Hand: "Asien ist der größte wachsende Markt. Ich finde die Veränderungsprozesse sehr spannend und möchte gerne verstehen, was dahintersteckt und wie man ihnen begegnen kann", sagt Kurz. "Außerdem arbeite ich für ein Unternehmen, das seine Wurzeln auch in Taiwan hat. Das passt."

Neben Vorlesungen und Seminaren gehörten zum Asien-Modul auch Firmenbesuche. "Dabei hat mich die unglaubliche Verbundenheit mit der Firma beeindruckt", bemerkt Kurz. "Taiwanesische Angestellte empfinden es als Ehre, für ein großes und international bekanntes Unternehmen arbeiten zu dürfen." Überrascht hat ihn auch, wie offen Unternehmen auf Interessenten zugehen. "Man hat sich immer viel Zeit für uns genommen und jede unserer Fragen beantwortet." Oft kam auch der Vice President oder der General Manager dazu - wenigstens, um kurz Hallo zu sagen. Auch eine Form der Wertschätzung.

Ob gleich der berühmte nächste Karriereschritt kommt, wenn er im Frühjahr 2019 den MBA abgeschlossen hat, weiß Kurz noch nicht genau. "Aber die Asienkompetenz nehme ich gerne mit."

Elisabeth Groepper, 25, studiert Chinese-European Economics and Business Studies an der Berlin Professional School (BPS) und der Southwestern University of Finance and Economics (SWUFE) in China. (Foto: privat)

Elisabeth Groepper entdeckte auf einer privaten Reise nach Shanghai, wo gerade ein Bekannter von ihr arbeitete, ihre Begeisterung für Asien. Bei der Hausarbeit und der Abschlussarbeit im Bachelorstudium hatte sie sich deshalb auf chinaspezifische Themen konzentriert. So lag es auf der Hand, auch einen Masterstudiengang mit Schwerpunkt China zu wählen. "Mich hat es gereizt, China und Europa komparativ zu betrachten und mehr über die rechtlichen und mentalitätsmäßigen Rahmenbedingungen zu erfahren", sagt Elisabeth Groepper. Sie entschied sich für ein Studium an der zur Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) gehörenden Berlin Professional School, die mit einer Universität in China kooperiert.

In Chengdu, wo die junge Frau während ihres Studienaufenthalts zusammen mit einem türkischen Kommilitonen und einer chinesischen Kommilitonin in einer WG lebte, musste sie sich einen Betreuer für ihre Abschlussarbeit suchen. Denn sie will einen Doppelabschluss absolvieren - an der HWR in Berlin und an der Southwestern University of Finance and Economics (SWUFE) in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan. Doch der erste Professor gab ihr im Vorgespräch deutlich zu verstehen, dass er Zweifel daran habe, dass sie hart genug arbeite. "Obwohl meine Noten gut waren, hat er in mir die typische Austauschstudentin gesehen, die herumreisen und Party machen möchte", erzählt Groepper. "Später habe ich dann eine sehr nette Professorin gefunden. Aber auch da habe ich natürlich gleich meinen Lebenslauf und die Noten vorgezeigt."

Eine andere Mentalität, ein anderes Lebensgefühl - nicht nur im Uni-Kontext. Elisabeth Groepper sagt: "Dass der Staat viel kontrolliert, war mir klar - nicht nur, weil ich in China zunächst keine Whatsapp-Nachrichten verschicken konnte." Proteste, etwa gegen die enorme Luftverschmutzung, habe die Regierung zu verbieten versucht.

In einem Land zu leben, dessen Kultur sich stark von der vertrauten unterscheide, sei eine Herausforderung: "In Asien kann man seine eigenen Grenzen testen", fasst die Studentin ihre Erfahrungen zusammen. "China ist ein ganz anderes Kaliber als England oder Australien." Dennoch kann sie sich gut vorstellen, hier eine Weile zu leben - der Landschaft und ihrer Vielfalt wegen, und auch gerade weil vieles so ganz anders ist als in Europa: "China ist ein Land, in das ich immer wieder zurückkehren möchte."

Zwischen Abgabe der Masterarbeit und dem endgültigen Abschluss noch im Herbst dieses Jahres machte sie erstmal ein Praktikum in Deutschland im Investmentbereich. Dass sich Groeppers berufliche Chancen durch den Asien-Aufenthalt weiter verbessert haben, hatte sie schon bei den Bewerbungsgesprächen für ihr Praktikum gemerkt: "Wenn man eine Zeit lang in Asien gelebt und sich darauf eingelassen hat, sich dort zurecht zu finden - das kommt bei Arbeitgebern schon sehr gut an."

Jimmy Kanuteh, 36, arbeitet als Director Field Development bei einem internationaltätigen en Chemieunternehmen und steht kurz vor dem Abschluss seines . Im Rahmen seinesberufsbegleitenden EMBA-Studiums an der Mannheim Business School. (Foto: privat)

Jimmy Kanuteh empfindet einen Asien-aufenthalt schon länger nicht mehr als etwas Exotisches. Da das Asien-Headquarter seines Unternehmens in Shanghai ist, fliegt er regelmäßig dorthin.

Schon vor seinem jetzigen Job als Leiter der Anwendungsentwicklung bei einem international tätigen Chemieunternehmen hat der Kunststofftechnik-Ingenieur für einen asiatischen Autohersteller gearbeitet und reiste deshalb oft nach Korea. "Wobei die koreanische Mentalität schon sehr anders ist als die chinesische", räumt Kanuteh ein. "Innerhalb von Unternehmen werden die Hierarchieunterschiede bei Koreanern deutlich herausgestellt. Das merkt man daran, dass sich Koreaner exzessiv verbeugen. In der chinesischen Arbeitswelt spielt das überhaupt keine Rolle." Der Umgang sei deutlich liberaler, wenn auch hierarchisch strukturiert. Asien ist eben nicht gleich Asien.

Jimmy Kanuteh macht berufsbegleitend einen Executive MBA, sowohl an der Mannheim Business School als auch an der School of Economics und Management der Tongji-Universität in Shanghai. Dort war er drei Mal, jeweils zwei Wochen lang. Wohnte in einem Hotel nahe dem Campus und tauchte mehr als zehn Stunden täglich ein in die akademische Welt. Vorlesungen, Seminare, Vorträge bis abends, manchmal dazu noch Firmenbesuche. Ein volles Programm, kaum Freizeit. "Aber das macht nichts, das ist ja kein Sightseeing-Urlaub, sondern ich wollte verstehen, wie die asiatischen Kollegen denken", sagt Kanuteh. "Oft haben wir morgens gemeinsam mit den Kommilitonen einen Business Case ausgearbeitet. Wenn dann abends der Manager eines internationalen Unternehmens mit Beispielen aus der realen Businesswelt kam, und wir die Überschneidungen sehen konnten, das war schon toll."

Er habe viel über die chinesische Geschäftswelt gelernt, da ist sich der 36 Jahre alte Offenbacher sicher. Zum Beispiel die Sache mit den Verträgen. "In westlichem Kontext ist ein Vertragswerk so ziemlich das höchste Gut. Da geht es um Haftungsfragen, also darum, wer die Risiken trägt", sagt Kanuteh. Ein chinesischer Vertrag dagegen komme gerade einmal mit einem Zehntel der Seiten aus, weil viele Dinge unausgesprochen klar seien. Wenn man gemeinsam in Geschäftsbeziehungen eintrete, müssten beide Seiten dafür geradestehen - so sähen das chinesische Geschäftspartner. Kanuteh: "Bei Verhandlungen ist es gut, wenn man das weiß."

Noch in diesem Herbst wird Jimmy Kanuteh seinen Abschluss machen, er wird dann einen sogenannten Double Degree erhalten - zwei Abschlüsse, einen aus Mannheim, einen aus Shanghai. Wie sich das beruflich auswirkt - darüber möchte er nicht spekulieren. Aber so viel ist klar: "Das kleine Einmaleins des Geschäftswesens konnten wir Teilnehmer alle vorher schon. Jetzt haben wir unseren generalistischen Blick geschärft."

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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