Ausländische Studenten:Auswahl schon im Heimatland

Nur jeder Vierte Gaststudent erreicht in Deutschland einen Abschluss. Experten fordern daher Vorprüfungen in den Herkunftsländern.

Von Marion Schmidt und Christina Schott

Die Freude in Jakarta war groß, als der 19-jährige Bambang vor zwei Jahren einen Studienplatz für Elektrotechnik an der TU Darmstadt ergattern konnte. Die Eltern waren so stolz auf ihren Sohn, dass sie eine riesige Abschiedsparty schmissen. Alle Nachbarn waren eingeladen, sie wussten, dass die Familie seit Jahren Geld gespart hatte, um ihr ältestes Kind im Ausland studieren zu lassen.

Eineinhalb Jahre später kehrte Bambang in seine Heimat zurück und keiner verlor mehr ein Wort über das Studium in Deutschland. Zwei Semester lang hatte Bambang an einem Studienkolleg Sprachkurse belegt sowie Kurse in Physik und Mathematik. Dann bestand er die Feststellungsprüfung nicht, ohne die er nicht an einer deutschen Hochschule zugelassen wird. Er musste das Land wieder verlassen.

Was für einen jungen Mann wie Bambang einen peinlichen Gesichtsverlust bedeutet und hohe Kosten für die Familie, das ist auch für deutsche Hochschulen ärgerlich und teuer. Erst bereiten sie ausländische Bewerber, die nicht alle formalen, fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen erfüllen, in einem Studienkolleg vor.

Wenn sie dann nicht bestehen, haben sie nach ein oder zwei Jahren nichts in der Hand und können gehen. Eine "Verschwendung von Steuergeldern und Lebenszeit" nennt das Harald Klingel, Leiter des Kölner Studienkollegs. Wobei Bambangs Scheitern kein Einzelfall ist, wie eine Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) im Frühjahr zeigte.

Nur jeder Vierte ausländische Student erreicht hier einen Abschluss, und das meist erst nach acht Jahren. Nach einer Studie der indonesischen Botschaft in Berlin verlassen gar zwei Drittel der indonesischen Studienbewerber Deutschland wieder, ohne jemals eine Uni besucht zu haben; sie scheitern bereits an der ersten Prüfung.

Das müsste nicht passieren, wenn ausländische Studienbewerber sorgfältiger ausgewählt und vorbereitet würden. Der Wissenschaftsrat und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) fordern nachdrücklich Eignungstests für Bewerber aus nicht EU-Ländern. Das ist in den meisten Bundesländern zwar schon länger erlaubt, wird aber von den Hochschulen kaum praktiziert.

Solche Verfahren sind teuer, zumal, wenn Gespräche im oder mit dem Ausland geführt werden müssen, und sie können auch zu schlechter Stimmung in der Studierendenschaft führen. "Wenn wir das machen würden, hätte ich doch sofort den ASta vor der Tür stehen, der mich als Rassist beschimpfen würde, nur weil ich einen ausländischen Studenten abgelehnt habe", sagt Wedigo de Vivanco, Leiter der Abteilung Außenangelegenheiten der FU Berlin.

Deshalb fände er es gut, die Studenten bereits in ihrem Heimatland auszuwählen, damit sie den Weg nach Europa nicht umsonst oder mit falschen Erwartungen antreten.

3600 Euro für einen Kurs

In Indonesien hat man reagiert und 2003 ein eigenes Studienkolleg in Jakarta eingerichtet - das einzige weltweit. Es wird getragen von einer Deutsch-Indonesischen Stiftung, ist untergebracht in der Deutschen Schule und kooperiert mit der Uni Hannover. Von dort kommt das Lernmaterial, von dort fliegen auch die Prüfer ein.

"Unsere Kurse sind nicht genauso wie in Deutschland - sie sind besser", findet der Leiter des Kollegs, Ekkehard Zeeb, "wir bieten eine viel intensivere Vorbereitung." In der Tat sind die Bedingungen im Vergleich zu deutschen Studienkollegs besser: In den Kursen sitzen höchstens 15 Studenten, es gibt keine Wartelisten, und der Lernstoff lässt sich ohne Semesterferien in neun Monaten durchpauken.

Das hat seinen Preis: Umgerechnet 3600 Euro bezahlen die Teilnehmer für einen Kurs, der in Deutschland kostenlos ist. Die Studenten schätzen die Kurse trotzdem: "Es ist einfacher für mich, in einer gewohnten Umgebung zu lernen", sagt die 19-jährige Kidung Ajisurya und ihre Freundin Radieth Haviek fügt hinzu: "Falls ich die Prüfung für die Zulassung nicht schaffe, möchte ich lieber hier sein als drüben."

Auswahl schon im Heimatland

Dennoch konnte sich die Idee der Auslagerung bislang kaum durchsetzen. In China wurden zwei Außenstellen von Studienkollegs eingestellt, eine andere soll vielleicht doch wieder eröffnen. Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) beurteilt die Außenposten zurückhaltend.

Eine Arbeitsgruppe stellte zwar fest, die Kollegs im Ausland könnten ein zusätzliches Angebot sein, müssten aber Teil eines integrierten Programms mit einer deutschen Hochschule sein. Die Mitglieder äußerten vor allem Bedenken wegen Kosten und Qualität, wie es in einem internen Papier heißt, das dem Hochschulausschuss vorliegt.

Zwar würden sich zunächst finanzielle Vorteile ergeben, aber die würden sich quasi aufheben, wenn deutsche Prüfer zur Wahrung von Qualitätsstandards ins Ausland reisen müssten. Außerdem könnten die Außenstellen, sagt Harald Klingel, keine soziokulturelle Eingewöhnung leisten, könnten nicht an deutsches Hochschulsystem und Fächerstruktur heranführen.

Die zögerliche Haltung hängt damit zusammen, dass die Studienkollegs allgemein in die Kritik geraten sind. An einigen Standorten sollen sie auf Dauer reduziert, an anderen ganz abgeschafft werden. "Die Kollegs müssen dringend reformiert werden", meint Jochen Hellmann, Leiter der Abteilung Internationales der Uni Hamburg.

Letztlich sind sie Opfer einer völlig verfehlten Zulassungspolitik. Kaum ein Bundesland kann sich seine ausländischen Studenten selbst aussuchen, in Nordrhein-Westfalen werden sie sogar von einer Zentralstelle zugewiesen. Dabei werden in der Regel nur Formalitäten der Hochschulberechtigung geprüft.

"Da wird nur geschaut, was jemand gemacht hat, und nicht, was der kann", schimpft Jochen Hellmann. Und jene, die noch nicht berechtigt sind, sollen dann mittels Studienkolleg auf die Stufe deutscher Abiturienten gehievt werden - statt beste Bewerber bei der Eingewöhnung zu unterstützen. Das System führt dazu, "dass ans Studienkolleg nicht unbedingt diejenigen kommen, die sich die deutschen Hochschulen als Zielgruppe wünschen: die fachlich Besten", bestätigt Sylvia Löhken vom DAAD. Die Kollegs sollten an der Auswahl der Studienbewerber beteiligt werden.

Die Hochschule selbst wählt aus

In Berlin und Hamburg will man nun umsteuern. Die Kollegs sollen in ihrer jetzigen Form aufgelöst werden. Die Einführung ins deutsche Studiensystem soll in den einzelnen Fächern durch studienbegleitende propädeutische Kurse geleistet werden, sagt Wedigo de Vivanco von der FU Berlin.

In Hamburg werden für dieses Wintersemester erstmals alle ausländischen Bewerber von fachspezifischen Kommissionen an der Uni ausgewählt. Nur wer besteht, bekommt eine Zulassung und muss nicht vorher in ein Studienkolleg. Jedoch bekommen auch Kandidaten eine Chance, die fachlich fit sind, aber sprachliche Defizite haben. Oder umgekehrt. Die sollen dann ihre Wissensdefizite gezielt im Kolleg nachholen.

Dieses Auswahlverfahren begrüßen auch die indonesischen Studenten. "Durch Interviews kann der Studienbewerber sehen, ob er gut genug ist oder nicht. Wenn nicht, kann er nicht in Deutschland studieren. Das Studium dort ist sehr schwer, deshalb muss man vorher seine eigenen Fähigkeiten kennen", sagt der 18-jährige Aswin. Für Jochen Hellmann, Leiter der Abteilung Internationales der Uni Hamburg, ist ohnehin die Auswahl entscheidend: "Lieber 15 Minuten mit Guatemala telefonieren, als jemanden sieben Jahren erfolglos durchs Studium ziehen."

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