Ausländische Fachkräfte:Deutsche Bürokratie schreckt ab

Mit Geld lassen sich ausländische Fachkräfte nicht werben, sagt der Geschäftsführer der Amerikanischen Handwerkskammer in Deutschland. Die Bürokratie muss weg.

Jutta Pilgram

Gerade noch stiegen die Arbeitslosenzahlen, jetzt ist schon wieder die Rede von Fachkräftemangel. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle will Experten aus dem Ausland sogar mit Prämien locken. Die Amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham) hat sich bei den 50 umsatzstärksten US-Firmen mit deutscher Niederlassung umgehört, was qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland von einem Wechsel nach Deutschland abhält. AmCham-Geschäftsführer Dierk Müller erklärt die Ergebnisse der Umfrage.

Lockprämie für ausländische Fachkräfte

Der bürokratische Aufwand in Deutschland schreckt viele Fachkräfte aus dem Ausland ab.

(Foto: dpa)

SZ: Wie bewerten führende US-Firmen die Situation auf dem Stellenmarkt?

Dierk Müller: Der Fachkräftemangel ist aus der Sicht unserer Mitglieder nicht dramatisch, aber alarmierend. 70 Prozent der Firmen sehen heute noch keinen gravierenden Mangel. Doch mehr als die Hälfte sind der Meinung, dass sie ihren Fachkräftebedarf in Zukunft nicht decken können. Die Unternehmen müssen schließlich vorausdenken: Lohnt es sich, in Deutschland zu investieren? Werden wir in zehn Jahren nicht nur genug zu tun haben, sondern auch gutes Personal vorfinden? Bisher konnte Deutschland immer mit gut ausgebildeten Leuten punkten. Das wird schwieriger werden.

SZ: Immerhin 30 Prozent der US-Firmen klagen schon jetzt über Probleme, die richtigen Kandidaten zu finden. Wie gehen sie damit um?

Müller: Man behilft sich mit Überstunden oder entsandten Fachkräften. Ohnehin wird es mit 3-D-Software immer leichter, Mitarbeiter rund um die Uhr auf der ganzen Welt zu beschäftigen. Wenn beispielsweise in einem Maschinenbau-Unternehmen die Mitarbeiter in Deutschland schlafen gehen, können die Kollegen in Australien weiterkonstruieren.

SZ: Wie könnte Deutschland für ausländische Experten attraktiver werden?

Das Drama mit dem Führerschein

Müller: Die größte Hürde für die Anstellung ausländischer Fachkräfte sind bürokratische Hindernisse: die komplizierten Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen in Deutschland, das Arbeitsrecht, steuerliche Nachteile, der große Brutto-netto-Unterschied. Ewige Leidensthemen sind die Schulgebühren, die steuerlich nicht absetzbar sind, und die Anerkennung des Führerscheins.

Indische Greencard-Inhaber

Das Kultur- und Freizeitangebot in Deutschland werten viele ausländische Fachkräfte positiv.

(Foto: ddp)

SZ: Was ist daran so kompliziert?

Müller: Während Deutsche in den USA gerade mal eine Viertelstunde und 20 Dollar investieren müssen, werden Fachkräfte aus einigen US-Staaten erneut zur theoretischen und praktischen Fahrprüfung gebeten. In Ländern wie Holland und Belgien hat sich eine flexiblere Handhabung schon lange bewährt.

SZ: Gibt es für US-Unternehmen auch Gründe, die für Deutschland sprechen?

Müller: Durchaus. Als Pluspunkte werden das Kultur- und Freizeitangebot genannt, eine freundliche, offene Kultur und attraktive Unternehmensstrukturen. Vor allem in den Großstädten gibt es inzwischen eine lebendige Young-Professional-Szene mit Firmen, in denen Englisch die Betriebssprache ist. Wir verkaufen uns unter Wert: Die meisten Multi- Nationals sind zufrieden oder sogar begeistert, wenn sie erst mal zwei oder drei Jahre in Deutschland verbracht haben.

SZ: Kann man solche Fachkräfte mit einer Geldprämie locken?

Müller: Nein, eine Anwerbeprämie halten wir nicht für angemessen. Es hängt ja nicht an 1000 Euro. Schon der Umzug kostet meistens mehr. Die Unternehmen selbst bieten viele Anreize. Eine größere Erleichterung für den Einsatz hochqualifizierter Fachkräfte wäre der Abbau bürokratischer Hürden.

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