Ausländische Arbeitnehmerinnen:Jede dritte Migrantin erlebt Diskriminierung im Beruf

"Mit einem ausländischen Namen wird man oft nicht mal zum Bewerbungsgespräch eingeladen": Ein Forschungsprojekt hat den Berufsweg von Migrantinnen untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Von Miriam Hoffmeyer

"Ich musste mich hocharbeiten und einen langen Atem beweisen." Mit diesen Worten beschreibt eine türkischstämmige Geschäftsführerin ihren Weg an die Spitze ihres Unternehmens. Das größte Hindernis bei ihren ersten Karriereschritten sei "das traditionelle Rollenverständnis der Männer, aber auch der Frauen" ihrer Umgebung gewesen, sagt die 42-Jährige. Geholfen habe ihr bei ihrem Karriereweg ein Frauen-Netzwerk, dem sie schon während des Studiums beigetreten war: "Netzwerke sind unerlässlich als Trainingsplattform für das Berufsleben."

Die Geschäftsführerin ist eine von 60 erfolgreichen Frauen ausländischer Herkunft, die 2012 im Rahmen des Forschungsprojektes "Migrantinnen in Führungspositionen" der FH Bielefeld zu ihrem beruflichen Weg interviewt wurden. Die Befragten stammen aus den drei wichtigsten Herkunftsländern von Migranten: der ehemaligen Sowjetunion, der Türkei und Polen.

Zudem gaben etwa 1000 Managerinnen, Wissenschaftlerinnen und Selbständige - teils Migrantinnen, teils Deutsche - den Forschern Auskunft, welche Faktoren zu ihrem Erfolg beitrugen und welche Barrieren sie überwinden mussten.

Praktikumsplätze für Musliminnen fast unerreichbar

Heraus kam eine durchaus ernüchternde Zahl: Etwa jede dritte befragte Migrantin hat Diskriminierung im Beruf erlebt. "Am stärksten wird diskriminiert, wenn es darum geht, im Arbeitsleben Fuß zu fassen", erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin Swetlana Franken, die das Projekt leitet. "Mit einem ausländischen Namen wird man oft nicht mal zum Bewerbungsgespräch eingeladen." Auf dem weiteren Berufsweg werde Diskriminierung seltener. "Nicht wenige Frauen haben aber erzählt, dass sie wegen ihres Akzents nicht mit wichtigen Kunden telefonieren dürfen."

Am seltensten werden demnach Migrantinnen in der Wissenschaft diskriminiert, am häufigsten als Selbständige: Steuerberaterinnen, Ärztinnen, Anwältinnen und Gestalterinnen berichteten, dass Kunden ihnen wegen ihrer ausländischen Herkunft weniger zutrauten. Das größte Misstrauen zögen demnach Musliminnen mit Kopftuch auf sich, schon Praktikumsplätze seien für sie fast unerreichbar.

Abgesehen von solchen Erfahrungen sind die Unterschiede zwischen deutschen Frauen und Migrantinnen relativ gering. Beide Gruppen nannten mehrheitlich "Männerdominanz in Führungspositionen" als größtes Karrierehindernis. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind demnach für Deutsche wie auch für Migrantinnen soziale Kompetenz und persönliche Kompetenzen wie Aufgeschlossenheit, Flexibilität und Disziplin.

Dennoch zeigten sich in der Studie Unterschiede. So sehen deutsche Frauen "hohe Anforderungen und Leistungsdruck" als zweitwichtigstes Karrierehindernis, während dieser Aspekt für die Migrantinnen eine geringere Rolle spielt. "Das liegt daran, dass Migrantinnen von Anfang an doppelt so gut sein müssen, um mit Deutschen konkurrieren zu können. Darum schreckt Leistungsdruck sie nicht so sehr ab", sagt Swetlana Franken.

Größere Probleme bereiten Migrantinnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie traditionelle Geschlechterrollen. Die Unterstützung durch Eltern und Ehemänner sei deshalb für diese Frauen besonders wichtig.

Jede Vierte unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt

Das Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, läuft bis Mai. Zurzeit werden Handlungsempfehlungen erarbeitet, um Migrantinnen besser zu fördern. Denn von den 4,1 Millionen Migrantinnen im erwerbsfähigen Alter sind nur 55 Prozent berufstätig. Jede Vierte ist unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein Problem ist immer noch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Die Bundesregierung hat zwar Hürden abgebaut, in der Wirtschaft sei das jedoch noch nicht angekommen, meint Franken: "Viele Unternehmen denken immer noch, ausländische Abschlüsse seien weniger wert."

Das Streben nach "Diversity", also nach Vielfalt in der Belegschaft, ist nach einer Studie des Beratungsunternehmens Kienbaum kein wichtiges Thema mehr bei Personalverantwortlichen. Daher müsse man Betrieben vermitteln, dass Migrantinnen für sie besonders nützlich sein könnten, meint die Wirtschaftsprofessorin, etwa bei der Entwicklung von Produkten für ausländische Märkte oder der Beratung ausländischer Kunden. Zudem ist Franken überzeugt, dass Migrantinnen schon während ihres Studiums auf mögliche Führungspositionen vorbereitet werden sollten: "Man muss bereits Studentinnen nahebringen, wie wichtig Netzwerke und soziale Kompetenz für die Karriere sind."

Linktipp: Aussortiert wegen eines ausländischen Namens? Abgelehnt wegen des falschen Alters? Mit der flächendeckenden Einführung anonymer Bewerbungen würde es das nicht mehr geben. Lesen Sie hier, welche Ergebnisse ein Pilotprojekt gebracht hat.

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