Ausbildung zur Tagesmutter:Drei Tage Kurs müssen reichen

Ein paar pädagogische Tipps, ein bisschen Ernährungsberatung: Wer Tagesmutter werden will, muss meist nicht viel lernen. Die Städte senken ihre Standards, um mehr Betreuungsplätze für Kleinkinder anbieten zu können.

Felix Berth

Wenn sich Erwachsene an ihre Kindheit erinnern, denken sie oft an eine wichtige Frau zurück: die Kindergärtnerin. Mal hieß sie Maria und konnte besonders gut trösten, wenn man sich ein Knie aufgeschlagen hatte. Mal hieß sie Gisela und war eine strenge Chefin, die unbeirrt auf Ordnung achtete. Im kollektiven Gedächtnis hat "die Kindergärtnerin" ihren Platz: Häufig ist sie die erste Erwachsene außerhalb der Familie, die ein Kind kennenlernt. In ein paar Jahren könnte es so weit sein, dass solche Erinnerungen auch "die Tagesmutter" umfassen. Denn immer mehr Frauen in Deutschland nehmen diesen Job an.

Kinderkrippe

In Kindergärten fehlt Kindern unter zwei Jahren häufig die Nestwärme.

(Foto: dpa)

Das Statistische Bundesamt hat nun ermittelt, dass im März 2010 bereits 112000 Kinder von Tagesmüttern betreut wurden, 14 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Erfasst sind dabei nur Tagesmütter, die sich über Jugendämter vermitteln ließen - viele andere, die auf dem privaten Markt engagiert wurden, sind nicht mitgezählt. Offensichtlich ist die Zeit vorbei, in der eine Tagesmutter exotisch war wie ein Butler. Sie ist nicht länger ein Luxus wohlhabender Eltern, die sich Unterstützung von außen einkaufen können.

Politisch ist der Trend willkommen. Denn die Kommunen sind in der Pflicht. Von August 2013 an haben alle Kinder ab dem ersten Geburtstag Anspruch auf frühkindliche Betreuung. Das Gesetz schreibt nicht vor, wer genau die Kinder betreut. Weil Tagesmütter viel billiger sind als Krippen, sind westdeutsche Kommunen derzeit auf der Suche: Wer den Job einer Tagesmutter annehmen will, wird in den Jugendämtern freundlich beraten. Einen Zuschuss zur Sozialversicherung gibt das Amt auch - das bessert die Löhne auf, die bei etwa drei Euro pro Kind und Stunde liegen.

Die Jugendämter versuchen dabei zwei Ziele zu erreichen, die schlecht zusammenpassen. Erstens wollen sie schnell viele Tagesmütter finden, weshalb sie die Hürden für den Berufseinstieg niedrig legen. Gleichzeitig muss das Wohl der Kinder gesichert sein, weshalb die Hürden eher höher sein sollten: Man will die Kinder keinesfalls gefährden und eigentlich sogar bilden. Im Gesetz zumindest ist von einem "Anspruch auf Förderung" die Rede.

In der Praxis sind viele Tagesmütter allein durch ihre Erfahrungen mit den eigenen Kindern qualifiziert. Länder und Kommunen verlangen von ihnen allenfalls, einen Mini-Kurs zu machen, der ein paar Tage dauert. Dort erhalten sie pädagogische Tipps, ein bisschen Rechtskunde und ein wenig Ernährungsberatung. Städtischer Abfallberater wird man nicht so leicht.

Offensichtlich ist es schwer, gleichzeitig die Qualität und den Umfang des Systems Kinderbetreuung zu steigern. Das sieht man auch in den Kitas. Sie bieten inzwischen mehr Plätze für Kinder unter drei Jahren an; das Statistische Bundesamt wird diesen Trend in einigen Wochen erneut beschreiben. Doch oft tricksen die Kommunen nur: Sie setzen die Altersgrenzen der Kindergärten herunter und nehmen bereits Zweijährige auf.

Die aber, so warnen Entwicklungspsychologen wie Fabienne Becker-Stoll vom Staatsinstitut für Frühpädagogik, brauchen "kleine Gruppen und viel Personal". Wichtig wären Nestwärme, Nähe, Geborgenheit - doch in einer Kita-Gruppe mit 20 oder 25 Kindern ist das für die Kleinsten nur schwer zu bekommen. Für Kitas wie für Tagesmütter fürchten die Psychologen deshalb, dass der geplante schnelle Ausbau der Betreuung zu Lasten der Qualität geht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: