Ausbildung:Azubis sollen mehr Computer spielen

dpa-Bild des Jahres 2016 - 3. Platz Wirtschaft

Eintauchen in fremde Welten - längst ist das mehr als nur ein Vehikel zum Staunen oder Spielen.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Allerdings nicht irgendwelche PC-Spiele, sondern in der virtuellen Realität ihres Arbeitsplatzes. Auch Störungen bei der Bahn könnten dadurch schneller behoben werden.

Von Erik Häußler

Ein ICE steht mitten im Niemandsland, kein Weiterkommen mehr. Er muss abgeschleppt werden. Im Führerhaus steht Bahnmitarbeiter Martin Respondek und weiß, was zu tun ist. Er springt aus der Lok aufs Gleisbett, die weißen Arbeitshandschuhe übergestülpt. Respondek schaut an sich herunter, greift an den Gürtel mit den Werkzeugen und zückt den Vierkantschlüssel. Zwei Drehungen und die Bugklappe des weißen Zuges steht offen. Wieder greift er zum Gürtel, nimmt den gelben Akkuschrauber. Noch ein, zwei Handgriffe, dann steht der Wartungsdeckel offen: Aufgabe gelöst. Respondek nimmt die klobige Virtual-Reality-Brille vom Kopf. Um ihn herum kein Zug und keine Landschaft. Es ist auch kein Akkuschrauber an seinem Gürtel befestigt. Er ist zurück in seinem Frankfurter Büro, in der realen Welt.

Info

Dieser Artikel ist Teil des Projektes grenzgamer.com, in dem sich vornehmlich Schüler der Deutschen Journalistenschule mit Grenzen in und um Games auseinandersetzen.

Martin Respondek ist kein Zugführer, er ist IT-Berater bei der Deutschen Bahn. Das virtuelle Abschlepp-Szenario hat er mit vier Kollegen zur Mitarbeiterschulung entwickelt. Immer häufiger werden diese Art von Videospielen von Wirtschaftsunternehmen genutzt. Die Deutsche Bahn ist darin kein Vorreiter. Einige der großen deutschen Unternehmen nutzen Virtual Reality (VR) schon länger, um sich zu präsentieren, Mitarbeiter zu werben - oder eben um sie aus- und weiterzubilden.

Seit Jahren wird mit virtuellen 3-D-Modellen geforscht, werden abstrakte Daten damit sichtbar gemacht. Mit der massenhaften Verbreitung von Smartphones kam auch die VR-Technik einen großen Schritt voran. Bildschirme wurden immer kleiner, leistungsfähiger und auch bezahlbarer. Solche Bildschirme und die geeignete Optik dazu brauchen die VR-Brillen.

Videospiele haben einen entscheidenden Anteil an dieser Entwicklung. Die visuelle Darstellung basiert auf den sogenannten Grafik-Engines, die Videospielen zugrunde liegen. Mit deren Hilfe können in kurzer Zeit Landschaften, Städte, Maschinen virtuell angelegt werden. "Die Game-Industrie ist ein Innovationstreiber bei der Virtual Reality", sagt Professor Thomas Bremer von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Er leitet den Studiengang Game Design und ist überzeugt: "In wenigen Jahren wird es keine Industrie mehr geben, die VR nicht nutzt".

Bislang diente die VR-Technik vor allem der Präsentation von Produkten: BMW gibt ihren Entwicklern Einblicke in neue Fahrzeugmodelle, Audi lockt damit Kunden, sich den potenziellen Neuwagen schon mal virtuell anzuschauen und Architekten können bereits vor Baubeginn schon einmal durch die Räume eines neuen Großprojekts führen.

Doch VR bietet mehr als das. "Vor allem der schulische und akademische Bereich ist sehr interessant für Virtual Reality", sagt Professor Björn Bartholdy, der an der TH Köln Media Design lehrt, "durch das Räumliche und Spielerische können Menschen besser und motivierter lernen."

"Man hat das Gefühl, als wäre man schon mal dort gewesen"

Das hat auch Martin Respondek erkannt. Er hat wieder die VR-Brille auf dem Kopf, bewegt sich damit langsam durch den Bereich seines Büros, den die Bewegungssensoren erkennen. Seine nächste Aufgabe: Er muss den Lift ausfahren, der fest verbaut neben der Zugtür des neuen ICE 4 verstaut ist, damit auch Rollstuhlfahrer zusteigen können. Ein Schulungsszenario für das Bordpersonal. Wieder holt Respondek den Vierkantschlüssel vom virtuellen Werkzeuggürtel, dreht drei Schrauben, legt einen Hebel um, klappt die Verblendung beiseite, jeder Griff sitzt.

Respondek hat schon Dutzende Male mit dem Programm geübt. Vor einigen Tagen waren er und sein Kollege erstmals am echten ICE 4. Sie wollten ihr virtuell erlerntes Können in der Realität prüfen. Nach einer Minute und dreißig Sekunden war der Lift einsatzbereit. "Man hat das Gefühl, als wäre man schon mal dort gewesen", sagt Respondek hinterher. Ohne die VR-Übung hätten sie sich erst einmal durch fünf Seiten Bedienungsanleitung lesen müssen.

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