Auftreten im Job:"Frauen müssen Arroganz als Werkzeug einsetzen"

Peter Modler, Buch "Die Manipulationsfalle"

Buchautor Peter Modler

(Foto: Andri Pol)

Sie fristen ihr Dasein klaglos als brave Assistentin und halsen sich bereitwillig Zusatzarbeit auf. Ihre Nettigkeit verhindert Frauen im Job, sagt Karrierecoach Peter Modler. Ein Interview über falsche Bescheidenheit - und Chefs, die durch Nähe manipulieren.

Von Johanna Bruckner

Mit der Berufswelt in all ihren Facetten kennt sich Peter Modler aus: Er ist Unternehmensberater, Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg und war lange Jahre ehrenamtlich Arbeitsrichter. Sein drittes Buch "Die Manipulationsfalle" (erschienen bei Krüger) richtet sich an eine ganz bestimmte Zielgruppe.

SZ.de: Herr Modler, Sie haben ein Arroganztraining für Frauen konzipiert. Warum ist das eine wünschenswerte Eigenschaft?

Ich habe viele Jahre dabei geholfen, angeschlagene mittelständische Betriebe zu sanieren. Dabei ist mir aufgefallen: In fast allen dieser Firmen gab es hochqualifizierte und fähige Frauen, die auf Abschiebepositionen gelandet waren. Zum Beispiel eine ausgewiesene Spezialistin, die einer betriebsinternen Intrige zum Opfer gefallen war und seitdem an der Pforte saß. Eine totale Verschwendung ihrer Kompetenzen. Oder eine Frau, die von ihrer Ausbildung und Erfahrung her die Marketingabteilung hätte leiten können. Aber seit zehn Jahren die brave Assistentin des Marketingchefs war. Irgendwann habe ich mich gefragt: Gibt es da einen direkten Zusammenhang?

Sie meinen: Unternehmen geraten in Schieflage, weil sie Mitarbeiterinnen nicht richtig fördern?

Ich bin überzeugt, dass das ein Grund sein kann, ja. Wobei die Schuld nicht allein bei den Firmen zu suchen ist. Frauen verhindern auch selbst ihren Aufstieg.

Weil sie sich kleinmachen?

Ja. An der Uni waren es immer die Studentinnen, die mich angerufen haben, weil sie noch eine Detailfrage hatten. In neun Jahren ist kaum ein männlicher Student mit einer Nachfrage zu mir gekommen. Im Seminar haben dann aber ausgerechnet diejenigen Männer aufgetrumpft, die die Aufgabe komplett vergeigt hatten. Haben sich grinsend vor den Kurs gestellt und Stuss erzählt. Und die top vorbereiteten Frauen saßen brav und höflich da und haben die Schaumschläger gewähren lassen! Daraus ist dann am Ende die Idee des Arroganztrainings für weibliche Führungskräfte entstanden.

Aber haben arrogante Frauen überhaupt Chancen im Beruf? Schließlich werden Mitarbeiterinnen für ihre Teamfähigkeit und ihr Einfühlungsvermögen gelobt.

Und genau deshalb machen sie keine Karriere. Ein prominentes Beispiel: Anfang des Jahres hat Sigmar Gabriel die neue Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi, auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Er steht am Rednerpult und quatscht erst mal zehn Minuten über ein vollkommen anderes Thema. Sie steht daneben wie bestellt und nicht abgeholt. Schließlich fragt sie einer der Journalisten: "Was qualifiziert Sie eigentlich für diesen Job?" Fahimi sagt: "Ich bin eine gute Teamplayerin." Auf die nächste Frage - "Welche Koalitionsmöglichkeiten hat die SPD mit der Linken in den östlichen Bundesländern?" - antwortet sie sehr differenziert. Da schaltet sich Gabriel ein und sagt: "Die richtige Antwort heißt: 'Das ist Sache der Landesverbände.'" Er stuft sie demonstrativ und öffentlich herunter. Da war eigentlich schon klar, wie er sich die Zusammenarbeit vorstellt.

Er ist der Boss.

Genau. Hierarchien sind den meisten Männern sehr wichtig. Sie kommunizieren vertikal, wie man in der Soziolinguistik sagt. Das kann man schon bei kleinen Jungs beobachten: Wenn man die zusammen spielen lässt, ohne einzugreifen, werden sie sehr schnell untereinander ausmachen, wer wo in der Rangordnung steht.

Und Frauen?

Bei denen verläuft die Kommunikation typischerweise auf horizontaler Ebene: Man erzählt sich gegenseitig etwas und verteilt so Informationen egalitär. Frauen ist außerdem die sprachliche Qualität sehr wichtig. Sie bemühen sich von Anfang an um eine strukturierte Argumentation, wählen ihre Worte sorgfältig. Viele Männer wollen dagegen zunächst einfach ihren Rang deutlich machen, das Revier klären. Argumente kommen viel später. Wenn diese unterschiedlichen Arten der Kommunikation aufeinanderprallen, kommt es zwangsläufig zu Missverständnissen und Konflikten.

"Bloß nicht charmant lächeln"

Frauen verdienen weiterhin weniger als Männer

Allein unter Männern: Nur langsam wächst der Anteil von Frauen in Führungspositionen.

(Foto: dpa)

Haben Sie ein Beispiel?

Eine renommierte Wissenschaftlerin hat gerade vor Fachpublikum ihre neuesten Forschungsergebnisse präsentiert. Da sagt einer der Zuschauer, ein Professor, mit vor der Brust verschränkten Armen: "Glaub' ich nicht!" Die Forscherin weiß zunächst nicht, wie sie auf diese unqualifizierte Bemerkung reagieren soll, fasst noch mal in fünf Minuten ihren Vortrag zusammen. Er grinst nur und sagt noch mal: "Nee, glaub' ich nicht!" Jetzt ist die Frau komplett verunsichert: Sie hat auf höchstem wissenschaftlichen Niveau argumentiert, und trotzdem ist sie die Verliererin.

Wie hätte Sie reagieren sollen?

Um Auseinandersetzungen zu gewinnen, müssen sich Frauen auf die Ebene begeben, auf der sich ihr Opponent bewegt. Das kann im Konflikt bedeuten: Klare Statements, kurze Sätze, keine Erklärungen - und bloß nicht charmant lächeln, um den eigenen Worten die Schärfe zu nehmen. Eine Möglichkeit für die Forscherin wäre gewesen, ihr Gegenüber zu fixieren und mit neutralem Gesichtsausdruck zu sagen: "Doch." Kurze Pause. "Ist belegt."

Viele Frauen scheuen es, im Job derart die Klingen zu kreuzen. Steht ihnen ihr Harmoniebedürfnis im Weg?

Ja, und das in doppelter Hinsicht. Denn es verhindert nicht nur, dass sie sich durchsetzen. Clevere Chefs nutzen das Harmoniebedürfnis ihrer Mitarbeiterinnen auch ganz gezielt aus.

Inwiefern?

Sie kommen zwar selbst aus einem hierarchischen System, haben aber genug Kenntnisse über das Kommunikationsverhalten von Frauen, dass sie diese manipulieren können. Da wehrt zum Beispiel der Chef einer chronisch überarbeiteten Mitarbeiterin deren Bitte um mehr Personal mit den Worten ab: "Darüber habe ich leider nicht zu entscheiden, das ist Sache der Geschäftsführung." Dann legt er nach: "Aber wo Sie schon mal da sind: Es gibt da eine verantwortungsvolle Aufgabe, die ich Ihnen gerne übertragen würde. Sie sind ja meine beste Mitarbeiterin, auf Sie kann ich mich hundertprozentig verlassen." Und was macht die Frau? Sie zeigt Verständnis, fühlt sich geschmeichelt und macht noch mehr Überstunden, um auch diese Zusatzaufgabe bestmöglich zu erledigen.

In Ihrem Buch sprechen Sie von "ausbeuterischer Freundschaft".

Das trifft es. Wenn ich Frauen im Seminar darauf aufmerksam mache, dass sie nur ausgenutzt werden, verteidigen viele ihre Ausbeuter sogar noch. Eine Frau mit so einem manipulativen Vorgesetzten hat mal zu mir gesagt: "Aber ich habe einmal im Monat ein Meeting mit meinem Chef - und da gibt es immer frische Croissants!" Der Gipfel des Selbstbetrugs.

Wie begegnet man den falschen Freunden am besten?

Wenn ich weiß, dass mein Vorgesetzter sehr viel Wert auf Hierarchien legt, ist es wichtig, seinen Rang anzuerkennen und den eigenen danebenzustellen. Und ich muss in seiner Muttersprache mit ihm sprechen, also: Klare Kante zeigen, nicht in Rechtfertigungen verhaspeln. Bleiben wir bei dem Beispiel von vorhin. Will er mir eine zusätzliche Aufgabe aufs Auge drücken, sage ich: "Sie sind der Chef, ich bin die Sachbearbeiterin." Pause. "Aber so werden wir es nicht machen können." Notfalls wiederhole ich diese zwei Sätze mehrmals - so lange, bis mein Vorgesetzter von sich aus nach einer Alternative sucht.

Aber eine Arbeitswelt, in der es vor Arroganzlingen beiderlei Geschlechts wimmelt, ist doch nicht erstrebenswert.

Mein Buch ist kein Plädoyer für Arroganz als Lebenshaltung. Aber in bestimmten Situationen müssen Frauen in Führungspositionen Arroganz als Werkzeug einsetzen, wenn sie nicht übervorteilt werden wollen. Leider denken wir heute alle, wir müssten unentwegt authentisch und ganz wir selbst sein. Nein, wir müssen im Arbeitsleben nicht alle Facetten unserer Persönlichkeit zeigen und wir müssen sogar oft eine Rolle spielen. Um unsere Seele zu schützen!

Die Rolle der knallharten Verhandlerin, zum Beispiel?

Genau. Unsere Persönlichkeit ist zweifellos reicher als dieser Rollenausschnitt. Wer es aber schafft, seine berufliche Position als Rolle zu sehen, läuft auch weniger Gefahr, sich Jobkonflikte allzu sehr zu Herzen zu nehmen - etwas, das besonders Frauen tun. Denn Aggressionen und Angriffe treffen dann ja nicht auf mein Innerstes, sondern auf die Haut meiner Rolle. Und tiefer würde ich das nicht an mich heranlassen.

Linktipp: Auch Männer machen im Job Erfahrungen mit Diskriminierung und sexueller Belästigung - werden aber kaum als Opfer wahrgenommen: Lesen Sie dazu ein Interview mit Sozialpsychologin Franciska Krings.

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