Attraktive Bewerber:Zu schön, um gut zu sein

Gutaussehende Bewerber haben bessere Chancen auf einen Job? Von wegen! Studien zeigen, dass Attraktivität auch ein Nachteil bei der Bewerbung sein kann - zumindest, wenn die Personaler weiblich sind.

Maria Holzmüller

Bewerber können sich sachlich vorbereiten, sie können sich das richtige Outfit aussuchen und so gut aussehen wie möglich: Im Vorstellungsgespräch nützt ihnen das möglicherweise wenig. Nach welchen Kriterien Personaler ihre zukünftigen Angestellten aussuchen, ist oft schwer zu durchschauen. Klar ist inzwischen aber: Gutes Aussehen hilft nicht immer weiter - es kann Bewerbern sogar schaden. Das legt eine Studie von Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München nahe.

Die Psychologen Maria Agthe und Matthias Spörrle untersuchten zusammen mit Jon K. Maner von der Florida State University die Wirkung von gutem Aussehen in Bewerbungsprozessen. Grundlage war die Annahme, dass attraktive Menschen es auch im Beruf leichter haben. Mehrfach haben Studien bereits belegt, dass gutaussehende Bewerber bei gleicher Qualifikation anderen Stellenanwärtern vorgezogen werden.

Arg verwunderlich erscheint das nicht, sind schließlich auch Personalverantwortliche nur Menschen, die - Qualifikation hin, Qualifikation her - in ihrer Auswahl auch von äußeren Faktoren beeinflusst werden. Nicht umsonst geben sich Menschen große Mühe mit ihrem Bewerbungsfoto - und nicht umsonst prangern Kritiker genau das immer wieder an und fordern die Einführung anonymer Bewerbungen. Vorurteile, die auf Aussehen oder Namen eines Bewerbers basieren, sollen keinen Platz mehr im Auswahlverfahren haben.

Noch ist das aber anders. Je mehr Informationen auf einen Personaler einströmen, desto mehr gehe er dazu über "komplexere Informationen, die ein aufwändiges Abwägen erfordern, weniger zu berücksichtigen und sich im Gesamturteil stärker von äußeren Hinweisreizen lenken zu lassen", schreiben die Psychologen Agthe und Spörrle im Personalmagazin. Neben der körperlichen Attraktivität ziehe vor allem das Geschlecht eines Bewerbers die Aufmerksamkeit auf sich.

Und genau das spielt in Bewerbungsprozessen eine größere Rolle, als bislang vermutet. Ob gutaussehende Bewerber mit ihrer Attraktivität punkten können, hängt laut der im Journal of Experimental Social Psychology veröffentlichten Studie "Don't hate me because I'm beautiful: Anti-attractiveness bias in organzational evaluation and decision making" vor allem vom Geschlecht des Personalverantwortlichen ab.

In mehreren Studienreihen kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass physische Attraktivität sich zu einem Nachteil für Bewerber entwickeln kann, wenn sie dem gleichen Geschlecht angehören wie der Personaler. Insgesamt 2693 Studenten beteiligten sich an den Versuchsreihen, in denen Geschlecht und Attraktivität der Bewerber anhand von Fotos variiert wurden, während die Bewerbungsunterlagen gleich blieben. Die Personen auf den Fotos wurden vorher von einer unabhängigen Gruppe von Studenten nach ihrer Attraktivität bewertet.

Während Männer attraktive Bewerberinnen bevorzugten, hatten diese bei weiblichen Personalverantwortlichen keine Vorteile - mitunter sogar Nachteile. "Dies ist besonders bei sehr attraktiven Frauen im jungen Erwachsenenalter der Fall, vor allem dann, wenn die Personalchefin selbst weniger attraktiv ist", schreiben die Wissenschaftlern im Personalmagazin.

Angst vor Konkurrenten

Während Männer sich in 49,9 Prozent aller Fälle für die attraktivsten Bewerberinnen entschieden, wurden diese von Frauen nur in 11,7 Prozent aller Fälle ausgewählt, so Aghte und Spörrle in ihrer Studie. Demnach waren vor allem die weiblichen Personaler skeptisch gegenüber gutaussehenden weiblichen Bewerberinnen. Dieser Effekt verstärkte sich noch, wenn die Personalerinnen selbst weniger attraktiv waren.

Das gleiche ließ sich bei durchschnittlich attraktiven Männern beobachten. Ihre Beurteilung der überdurchschnittlich attraktiven männlichen Bewerber fiel schlechter aus als die der ebenfalls durchschnittlich aussehenden Bewerber, die quasi in ihrer eigenen "Liga" spielten.

Waren die auswählenden Personen selbst überdurchschnittlich attraktiv, spielte das Aussehen der Bewerber für ihre Entscheidung keine merkliche Rolle, so das Ergebnis der psychologischen Studie. Möglicherweise fühlten sie sich durch attraktive "Konkurrenten" weniger bedroht.

Insgesamt kommen Agthe und Spörrle zu bedenklichen Resultaten für Unternehmen und Personaler: "Obwohl physische Attraktivität wenig mit der Beurteilung von Bewerbern zu tun haben sollte, fanden wir heraus, dass der Grad ihrer physischen Attraktivität ihre Beurteilung durchaus beeinflusst. Die Teilnehmer der Studie bevorteilten überdurchschnittlich attraktive Bewerber des anderen Geschlechts und diskriminierten überdurchschnittlich attraktive Bewerber ihres eigenen Geschlechts."

Befürworter des anonymen Bewerbungsverfahrens düften diese Studienergebnisse begrüßen. Dass in vielen Bewerbungsverfahren nicht der qualifizierteste Bewerber den Job bekommt, weil ihn irgendwelche Vorurteile der Personalabteilung vorschnell aus dem Rennen werfen, ist einer der Gründe, warum sie fordern, auf Fotos oder Namen in der Bewerbung künftig ganz zu verzichten.

Das könnte Bewerbern und Unternehmen gleichermaßen zugutekommen. Die richtigen Leute im richtigen Job - davon haben alle etwas. Dass es dann aber nicht vorbei ist mit der Bedeutung der Attraktivität, davon weiß zumindest eine amerikanische Bankangestelle ein Lied zu singen. Sie wurde unlängst entlassen, weil sie angeblich zu sexy für ihren Job war. Eine durchschnittlich attraktive Personalerin hätte das vielleicht schon im Bewerbungsgespräch erkannt.

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