Assistenten im Büro:Vom Drachen bis zum Vertrauten

Ohne sie würde im Büro vermutlich Anarchie ausbrechen: eine Typologie der Assistentinnen und Assistenten.

Von Larissa Holzki und Matthias Kohlmaier; Illustrationen Jessy Asmus

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Die eigentliche Chefin

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

Das macht sie aus:

Ohne sie würde der oder die Vorgesetzte womöglich Abgabetermine verpassen, unvorbereitet in Meetings gehen und die Namen der Geschäftspartner vergessen. Allein: Niemand wird das je herausfinden, denn dazu müsste seine Sekretärin ihm erst einmal die Chance zum Patzen lassen. Die eigentliche Chefin liebt die akribische Vorbereitung und macht sich nichts daraus, dass andere für ihre Erfolge gefeiert werden. Ihr reicht es vollkommen, wenn sie nach einem weiteren Power-Arbeitstag die Füße hochlegen und darüber nachdenken kann, wie gut "ihre" Firma gerade dasteht.

An diesem Schreibtisch kann man sie erkennen:

Der Schreibtisch der eigentlichen Chefin ist so gut organisiert wie sie selbst. Man erkennt ihn an den akkurat aufgeräumten Behältern mit Büroklammern und Post-Its. An der Wand gegenüber hängt ein Kalender mit den Geburtsdaten aller Kollegen und Jubilare unter den Geschäftspartnern.

So reagiert sie am Telefon:

"Der Herr X/die Frau Y ist um diese Zeit nicht im Haus. Aber ich kann Ihnen sicherlich auch weiterhelfen. Worum geht es denn?"

Das denkt die Chefin/der Chef über sie:

"Wenn diese Frau jemals länger krank sein sollte, schicke ich die Belegschaft in den Betriebsurlaub." Was er nicht weiß: Die eigentliche Chefin hat für unvorhergesehene Ausfälle immer einen Notfallplan in der dritten Schreibtischschublade von oben auf der linken Seite.

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Die Tratschtante

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

Das macht sie aus:

Die Tratschtante weiß alles. Wo es das komfortabelste Hotelzimmer in Paris gibt, wie man nur 20 Minuten vor einem Abendessen noch einen Tisch für zwei im beliebtesten Restaurant der Stadt bekommt - und wer im Büro ein Auge auf den neuen Mitarbeiter geworfen hat. Obwohl ihr Wissen Sprengpotenzial hat, sorgt sie für den sozialen Zusammenhalt im Betrieb.

An diesem Schreibtisch kann man sie erkennen:

Ihr Schreibtisch ist vollgepackt. Nicht, weil die Tratschtante besonders unordentlich wäre, sie schränkt sich nur so ungern ein. Da steht die selbstgebastelte Glückwunschkarte ihrer Lieblingskolleginnen zum zehnjährigen Dienstjubiläum, das Foto von der letzten Prosecco-Bahnfahrt mit ihren Mädels und der Karteikasten mit den Visitenkarten aller Lokale im Betriebsumkreis von fünfzehn Kilometern (mit Notizen: für Betriebsfeier ungeeignet, Cassata alla siciliana empfehlen, Direttore del Ristorante: Luigi). Möglicherweise lugt unter dem Poststapel des Morgens eine Ecke der neuen Gala hervor.

So reagiert sie am Telefon:

"Nein, die Chefin ist zurzeit leider nicht zu sprechen. Aber sagen Sie, Frau Müller-Schmidt: Was da neulich über Ihren Vorstandschef in der Zeitung stand, da hat sich die Klatschpresse doch bloß wieder etwas ausgedacht, oder?"

Das denkt die Chefin/der Chef über sie:

"Wie schafft sie es nur, immer über alles und jeden Bescheid zu wissen?"

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Der Drache

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

Das macht sie aus:

Sie ist die Art von Assistentin, vor der alle ein wenig Angst haben: Mitarbeiter, Kunden, selbst ihr eigener Chef. Dem will sie zwar nichts Böses, behandelt ihn aber ebenso streng wie den Kollegen, der ständig unangekündigt "ganz dringend mal kurz den Meier" sprechen will. Der Herr (!) Meier hat nämlich zu tun, "und machen Sie beim nächsten Mal gefälligst mit mir einen Termin aus".

An diesem Schreibtisch kann man sie erkennen:

Nein, sie hat dort keinen übermäßig scharfen Brieföffner herumliegen. Auffällig und immer präsent ist nur ihre Kaffeetasse. Darauf stehen drei Worte: Hier herrsche ich! Wer diese Tasse versehentlich einmal aus dem Schrank nehmen sollte, wird schnell verstehen, was damit gemeint ist.

So reagiert sie am Telefon:

"Schön, dass Sie diesmal anrufen, statt ohne Termin hier reinzuplatzen. Herr Meier hat heute trotzdem keine Zeit für Sie."

Das denkt die Chefin/der Chef über sie:

"Auch wenn Sie mich ständig zurechtweist, wenn die Präsentation vor dem Aufsichtsrat wieder etwas lahm war - diese Frau ist besser als jeder Türsteher!"

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Die Vorzimmerdame

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

Das macht sie aus:

Der Begriff Vorzimmerdame ist aus der Mode gekommen. Heute würde man eher Assistentin der Geschäftsführung sagen. Aber "Vorzimmerdame" beschreibt diese fast ausgestorbene Gattung der Sekretärin vortrefflich: Sie ist seit Jahrzehnten im Amt, findet sich in ihren archivierten Dokumenten schneller zu Recht als eine Nachfolgerin den Suchassistenten starten könnte und trägt ihren Titel wie ihre überknielangen Röcke mit Würde und Eleganz.

An diesem Schreibtisch kann man Sie erkennen:

Obschon die Vorzimmerdame heute kaum noch "zum Diktat" ins Chefzimmer gebeten wird, hat sie ihr Heftchen mit der Lineatur 12 und einen weichen Faber-Castell-Bleistift greifbar auf dem Tisch liegen. Jedes Telefonat protokolliert sie wortgetreu in Steno. Dabei entgeht ihr nichts.

So reagiert sie am Telefon:

"Der Geschäftsführer befindet sich in einem wichtigen Gespräch" - da spielt es keine Rolle, ob Sie morgens um halb zehn oder nachts um drei anrufen. Die Vorzimmerdame wird ihren Standardsatz mit einer Überzeugungskraft vortragen, dass Sie daran nicht zu zweifeln wagen.

Das denkt ihr Chef/ihre Chefin über sie:

Jeder Mann, der im Berufsleben eine Vorzimmerdame gehabt hat, wird Angst vor dem Tag seiner Rente haben. Wie soll er sich in der Welt da draußen alleine verteidigen, sortieren und zurechtfinden?

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Der Vertraute

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

Das macht ihn aus:

Der Vertraute kann nicht nur ohne jede Absprache die richtige Präsentation und die wichtigsten Dokumente für das nächste Meeting zusammensuchen, er könnte seiner Chefin auch die Handtasche dazu packen.

An diesem Schreibtisch kann man ihn erkennen:

Keine Kinderfotos, kein Hund, kein Bild einer Italienreise: Auf dem Schreibtisch des Vertrauten steht ein gerahmtes Foto, dass ihn mit seiner Vorgesetzten zeigt. Darauf feiern Sie eine Auszeichnung als besonders mitarbeiterfreundliches Unternehmen oder die Wahl in ein weiteres Aufsichtsratsgremium.

So reagiert er am Telefon:

"Die Chefin ist leider in einem sehr, sehr wichtigen Meeting, aber ich werde ihr unverzüglich ausrichten, dass Sie auf ihren Rückruf warten." Unwirsch wird er nur, wenn sich jemand der Vorgesetzten gegenüber despektierlich verhält.

Das denkt die Chefin/der Chef über ihn:

"Woher kennt der meinen Lieblingsduft und warum hat mein Partner dann keinen blassen Schimmer davon?"

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Das Model

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

Das macht sie aus:

Wenn bei Ihnen nun Kraftwerk im Kopf läuft, dann haben Sie damit völlig recht: Diese Sekretärin ist tatsächlich sehr attraktiv. Aber das bedeutet nicht, dass sich hinter den Bleistiftröcken und engen Blusen ein naives Blödchen verbirgt. Denn doof ist das Model nicht, sie macht ihren Job gut - und setzt ihr Aussehen nur dann im Sinne der Firma ein, wenn der greise Vorstandvorsitzende von XY zur Verhandlung vorbeikommt.

An diesem Schreibtisch kann man sie erkennen:

Dort steht immer ein frischer, prächtiger Blumenstrauß. An den allermeisten Absendern der floralen Grüße hat sie zwar kein Interesse. Aber es wäre doch trotzdem schade um die Blumen.

So reagiert sie am Telefon:

"Gerne bestätige ich den Termin mit unserer Vorstandvorsitzenden am kommenden Mittwoch. Und nein, Herr Müller, ich möchte auch heute nicht mit Ihnen essen gehen."

Das denkt die Chefin/der Chef über sie:

"Eine in jeder Hinsicht tolle Mitarbeiterin."

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Die Arbeitsverweigerin

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

Das macht sie aus:

Sie ist der Alptraum jedes Arbeitgebers: entweder "krank" und abwesend; oder "krank" und anwesend, daher aber nicht sonderlich hilfreich; oder gesund und anwesend - und auch nicht sonderlich hilfreich. Sie hat einfach keine Lust, sich ständig von irgendwem sagen zu lassen, welchen Termin sie heute wieder vereinbaren und wen sie nun wieder zurückrufen soll. Sie aber nach 15 Jahren Dienstzeit loszuwerden, ist arbeitsrechtlich so schwierig (und potenziell teuer), dass sich die Firma mit ihrer Unlust arrangiert hat.

An diesem Schreibtisch kann man sie erkennen:

Nachdem die Arbeitsverweigerin sehr genau weiß, dass man sie kaum loswerden kann, macht sie sich längst nicht mehr die Mühe, ihre wahren Interessen zu verstecken. Auf ihrem Schreibtisch liegen daher meist diverse Zeitschriften, Sudoku-Hefte und natürlich Süßigkeiten aller Art. Neben dem ein oder anderen Firmenflyer, falls einmal Kunden vorbeikommen.

So reagiert sie am Telefon:

"Guten Tag, hier spricht die Firma XY. Sie rufen leider außerhalb unserer Geschäftszeiten ..."

Das denkt die Chefin/der Chef über sie:

"Immerhin kriege ich von ihr immer ein Stück Schokolade, wenn das Nachmittagstief zuschlägt."

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Die Karrieristin

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

Das macht sie aus:

Sie ist so etwas wie die opportunistische Zwillingsschwester der eigentlichen Chefin (siehe Bild 1). Sie macht ihren Job sehr gut, ist top organisiert, ihr Boss kann glänzen. Nur in Sicherheit wiegen sollte der Chef sich nicht zu sehr. Denn für die Karrieristin ist die Assistenz nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben. Den wird sie einschlagen, sobald der Chef sich eine kleine Schwäche erlaubt. Oder eine andere Firma ihr ein besseres Angebot macht.

An diesem Schreibtisch kann man sie erkennen:

Organisiert, akkurat, der Schreibtisch der perfekt integeren Mitarbeiterin. Nur tief in den eigenen Dateien auf ihrem Computer schlummert das Dokument, in dem sie jeden noch so kleinen Fauxpas des Chefs penibel vermerkt. Kann man ja vielleicht irgendwann mal gebrauchen.

So reagiert sie am Telefon:

"Herr Schmidt ist leider nicht im Haus, aber ich helfe Ihnen sehr gerne weiter."

Das denkt die Chefin/der Chef über sie:

"Ein Glück, dass wir sie haben."

© SZ.de/mkoh/lho/rus
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