Assessment-Center:Wie im richtigen Arbeitsleben

Noch immer ranken sich zahlreiche Mythen um das Assessment-Center. Viele Bewerber haben große Furcht davor. Personaler sehen es als simulierten Büroalltag - und wollen herausfinden, wie sich Kandidaten in Stresssituationen verhalten.

Verena Wolff

Bewerber fürchten es, Personaler schätzen es als "komprimierte Probezeit": Das Assessment-Center (AC). Meist dauert es einen Tag und kostet die Jobanwärter viele Nerven. Schon Tage zuvor wälzen sie einschlägige Ratgeber, während der Veranstaltung mit ihren zahlreichen Übungen und Tests stehen sie unter Hochspannung.

In Panik zu verfallen ist allerdings der falsche Weg: "In einem Assessment-Center geht es darum, die Bewerber in Aktion zu erleben", sagt Berater Johannes Stärk aus München, der Bewerber auf die AC vorbereitet. "Das ist eine andere Situation als in einem Vorstellungsgespräch oder der schriftlichen Bewerbung." Das AC sei eine Erweiterung zum restlichen Bewerbungsverfahren, sagt Peter Herlitzius, Personalchef der Parfümerie Douglas GmbH.

"Wir können viele unterschiedliche Fähigkeiten innerhalb kurzer Zeit prüfen und die Bewerber intensiv kennenlernen." Im Gegensatz zu einem Vier-Augen-Gespräch könne ein Personaler herausfinden, wie sich Bewerber in einer Gruppe verhalten oder mit plötzlichen Veränderungen umgehen. "Wir können ein Blitzlicht auf reale Arbeitssituationen simulieren und bekommen einen Eindruck, wie sich die Bewerber verhalten."

Die Fachkompetenz spielt in diesem Verfahren nicht die wichtigste Rolle - denn das die Bewerber gebildet sind und Berufserfahrung mitbringen, geht aus ihrem Lebenslauf hervor. Im AC hingegen werden soziale, methodische und persönliche Kompetenzen geprüft, sagt Berater Stärk. Dabei geht es um die sogenannten "weichen Faktoren", die für Bewerber immens wichtig sind: Teamfähigkeit, Motivation, kommunikative Fähigkeiten, das Verhalten in Konfliktsituationen. "Man veranstaltet das Ganze, um herauszufinden, wie die Bewerber funktionieren", sagt Herlitzius. "Wir wollen herausfinden, ob die Leute ins Team passen."

Furcht ist fehl am Platz

Niemand müsse sich allerdings vor dem Assessment-Center fürchten, sagen die Experten. Im Gegenteil: "Diese Art von Personalauswahl hat Vorteile für die Bewerber: Sie können verschiedene Facetten von sich zeigen, haben mehr Zeit, sich an die Situation zu gewöhnen und können die Aufregung im Laufe des Tages überwinden", erklärt der Personaler.

Wichtig sei die gewissenhafte Vorbereitung. Bewerber sollten sich über das Unternehmen informieren und über das Assessment-Center. Vor allem müsse man sich überlegen, wie man sich präsentieren will, schließlich zähle die Persönlichkeit an diesem konzentrierten Probetag: "Uns ist es wichtig, dass sich die Bewerber authentisch geben.

Die Persönlichkeit steht im Vordergrund, die zu unseren Unternehmenswerten und Führungsleitlinien passen sollte", betont Herlitzius. "Es schadet nie, sich in dieser Situation auf den eigenen Menschenverstand zu verlassen", sagt Stärk. Jeder Bewerber habe schließlich einen eigenen Erfahrungsschatz, auf den er bauen könne. Schüchterne Typen hätten es zwar schwerer im AC, "doch nur mit Selbstdarstellung ist es nicht getan".

In den vergangenen Jahren haben sich die Assessment-Center inhaltlich weiterentwickelt. Daher sei es empfehlenswert, Vorbereitungstipps und Erfahrungsberichte immer auf ihre Aktualität zu prüfen, sagt Stärk. Viele der vermeintlich gängigen Übungen werden nicht mehr in jedem AC verlangt. Wichtig auch: Bei vielen Aufgaben geht es nicht darum, die perfekte Lösung anzubieten. Vielmehr werde der Lösungsweg begutachtet - und bisweilen scharf kritisiert. Bei der Besprechung gehe man nicht zimperlich mit den Kandidaten um, sagt Karriereberater Jürgen Hesse aus Berlin: "Man muss wissen, dass das Teil des Spiels ist, denn geprüft werden auch die Nerven der Bewerber."

Immer wieder werden zudem Stressinterviews eingesetzt, um die Frustrationstoleranz der Bewerber zu testen. "Dabei geht es darum, die Kandidaten aus der Reserve zu locken, zu provozieren und das Verhalten in einer Stresssituation zu testen." Er rät: Immer freundlich und gelassen bleiben, zumindest äußerlich. "Man sollte kurz und knapp antworten, und wenn es zu arg wird, darauf hinweisen, dass es auch für die eigene Toleranz und Geduld Grenzen gibt."

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