Süddeutsche Zeitung

Arroganztraining für Frauen:Schluss mit freundlich

Statussymbole, Rangbotschaften, Sprüche klopfen - viele Frauen verzichten lieber auf solche Machtspiele. Ein Fehler, findet der Coach Peter Modler und veranstaltet Arroganztrainings für weibliche Führungskräfte.

Maike Brzoska

SZ: Herr Modler, in Ihren Kursen bringen Sie Frauen in Führungspositionen bei, ihr Revier zu verteidigen. Warum?

Modler: Weil Männer es auch tun. Die meisten Frauen unterschätzen die Bedeutung der Revierfläche völlig. Wenn sie unter sich sind, ist es üblich, dass ständig jemand ins Büro kommt. Das finden die meisten Frauen total in Ordnung. Hauptsache, die Zusammenarbeit stimmt.

SZ: Ist das bei Männern anders?

Modler: Wenn ein Mann ein anderes Büro betritt, empfindet er das zunächst als vermintes Gelände, als fremdes Revier. Wenn er bei seiner Chefin einfach eintreten und sich hinsetzen darf, womöglich noch etwas auf ihrem Schreibtisch ausbreitet, fühlt der Mann sich bombig. Er hat fremdes Terrain erobert. Die Chefin kapiert dann oft gar nicht, warum ihr Mitarbeiter gerade so ein riesiges Selbstbewusstsein ihr gegenüber hat.

SZ: Wie sollte sie auf den Eindringling reagieren?

Modler: Wenn der Mitarbeiter nicht anklopft und auf ihr "Herein" wartet, sollte sie ihn gleich wieder herausschicken, und zwar so lange, bis er es kapiert. Dasselbe gilt, wenn er sich einfach hinsetzt.

SZ: Revier, Rangbotschaft - das klingt schon ziemlich archaisch. Und Arroganz ist ja auch nicht besonders sympathisch.

Modler: Da fängt das Missverständnis schon an. Warum sollte eine Chefin denn sympathisch sein? Viele Frauen glauben nicht an die Bedeutung von Revier und Rangbotschaften, sie finden das lächerlich. Ich halte diese moralische Abwertung für die falsche Kategorie. Sie sollten diese Art der Kommunikation wie eine Fremdsprache ansehen, die sie einsetzen können, wenn sie sich als Führungspersönlichkeit nicht akzeptiert fühlen.

SZ: Welche Probleme haben die Frauen, die in Ihre Seminare kommen?

Modler: Ein Beispiel: Stellen Sie sich einen Besprechungsraum vor mit zehn männlichen Abteilungsleitern, alle zwischen 40 und 60 Jahren. Es ist das erste Mal, dass eine junge Frau, ebenfalls Abteilungsleiterin, dabei ist. Elf Personen, zehn Stühle. Die Frau kommt als Letzte, weil man ihr einen falschen Raum genannt hat. Sie kommt rein, es ist kein Stuhl mehr frei, und dann sagt einer der Männer: Wenn Sie wollen, können Sie sich auf meinen Schoß setzen.

SZ: Wie sollte man darauf reagieren?

Modler: Auf gar keinen Fall ignorieren! Frauen wollen meist auf der sachlichen Ebene bleiben und übergehen solche Sprüche deswegen. Die Frau, die mir diese Geschichte erzählt hat, reagierte genau richtig. Sie ging langsam auf den Typ zu, legte ihm beherzt die Hand auf die Schulter und sagte laut: Dafür sind Sie viel zu alt! Es gab großes Gelächter, und von da an hatte sie keine Probleme mehr mit den Kollegen.

SZ: Und wie lernt man, solche Sprüche zu klopfen?

Modler: In meinen Seminaren stellen wir die Situationen in Rollenspielen nach. Ich bringe dafür einen Mann mit, der die Konflikte nicht kennt. Mit ihm können die Frauen die Bandbreite der Reaktionen durchspielen. Es zeigt sich dabei immer wieder, dass Frauen der Meinung sind, bei einem bestimmten Verhalten schroff oder unhöflich zu sein. Bei dem beteiligten Mann kommt es aber meist einfach als klare Ansage an.

SZ: Woher kommt es, dass Männer und Frauen so unterschiedlich kommunizieren?

Modler: Es gibt Untersuchungen von der Soziolinguistin Deborah Tannen, die die Sprache von Männern und Frauen erforscht. Laut Tannen trifft da ein horizontales auf ein vertikales Sprachsystem. Das horizontale System trainieren sich schon kleine Mädchen an. Da werden Informationen in der Gruppe gleichmäßig verteilt; ich erzähle dir meine Geheimnisse, du erzählst mir deine. Niemand soll sein Gesicht verlieren. Wenn ein Mädchen chefmäßig auftritt, mögen das die anderen nicht. Das kann bis zum Ausschluss aus der Gruppe führen.

SZ: Und die kleinen Jungen markieren im Sandkasten gerne mal den Chef?

Modler: Jungs rangeln ständig miteinander. Sie sind permanent dabei, herauszufinden, wo ihr Rang in der Gruppe ist. Das muss nicht der erste Rang sein, aber einen bestimmten Platz in der Gruppe zu haben, ist für sie stresslindernd. Wenn sie erwachsen sind, läuft das zwar indirekter, das Prinzip ist aber geblieben.

SZ: Und diese Sprachsysteme setzen sich am Arbeitsplatz fort?

Modler: Ja. Frauen suchen in Gruppen oft den Ausgleich. Sie versuchen zu verstehen, warum sich jemand so und so verhält und wollen mit sachlichen Argumenten überzeugen. Die Rangbotschaften der Männer finden aber auf einer anderen Ebene statt. Frauen nehmen das oft gar nicht wahr, und das ist ihr Dilemma.

SZ: Und wie kann man diese Muster durchbrechen?

Modler: Die entscheidenden Konflikte spielen sich in den ersten Wochen ab. Wenn eine neue Chefin kommt, wollen Männer testen: Benimmt sie sich entsprechend? Gibt sie Themen vor? Unterbricht sie jemanden, wie sie es dürfte? Oder lässt sie sich aufs Glatteis führen und stellt dauernd freundliche Nachfragen? Für Männer bedeutet das: Sie ist keine wirkliche Chefin, die will nur nett sein. Solange sie die Rangordnung nicht selbst lebt, tanzen sie ihr auf der Nase herum.

SZ: Wie wichtig sind Körpersprache und Statussymbole?

Modler: Sehr wichtig. Wenn Männer hören, wie jemand auf dem Gang mit kleinen, schnellen Schritten vorbeiläuft, denken die meisten: Da kommt 'ne Tippse. Haben Sie jemals Angela Merkel rennen sehen? Ich nicht. Eine Chefin rennt nicht. Sie lässt andere für sich rennen. Und auch wenn viele Frauen es lächerlich finden: Sie sollten das größte Büro, den dicksten Dienstwagen und den Parkplatz direkt vor dem Eingang beanspruchen. Wenn jemand auf ihrem Parkplatz steht - sofort abschleppen lassen, Revier verteidigen!

SZ: Woher kommt eigentlich Ihr Eifer, Frauen die Sprache der Männer beizubringen?

Modler: Ich habe als Unternehmensberater viele Firmen saniert und immer wieder erlebt, dass kompetente Frauen auf lächerlichen Abschiebeplätzen gelandet sind. Da war jemand Schreibkraft in der Vertriebsabteilung, die hätte den Vertrieb leiten können. Eine Frau mit einer tollen Marketing-Ausbildung saß an der Pforte. Vermutlich war das auch ein Grund, warum es den Firmen so schlecht ging. Sie haben das Potential der Frauen einfach nicht zu nutzen gewusst.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2012/wolf
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