Arbeitszeugnis selbstgemacht:"Zu viel Lob ist lächerlich"

Wenn Führungskräfte ihr Arbeitszeugnis selbst verfassen müssen, tragen sie oft zu dick auf. Ein Personalberater entlarvt die größten Fehler.

Nicolas Zeitler

Eine ebenso unangenehme wie übliche Gepflogenheit in deutschen Unternehmen: Führungskräfte müssen sich ihr Arbeitszeugnis selbst schreiben. Oft stellen sie sich dabei in zu blumigen Worten dar, sagt Hans Rainer Vogel vom Wiesbadener Beratungsunternehmen Vogel & Detambel JobSearch. Besser seien prägnante, aber auch nicht zu knappe Formulierungen. Der Personalberater erklärt, woran er ein selbst verfasstes Zeugnis erkennt, und wie man Fehler bei der Gliederung und der Gesamtbeurteilung vermeidet.

Arbeitszeugnis unter der Lupe

Die Beurteilung der eigenen Leistung im Arbeitszeugnis kann trügen. Kritik kommt oftmals in freundlichen Worten daher.

(Foto: ddp)

SZ: Mit welcher Formulierung im Zeugnis kegelt man sich sofort aus dem Rennen um eine neue Führungsposition?

Vogel: Schwerer als einzelne Formulierungen wiegen Formfehler. Der häufigste ist das doppelte Gesamturteil. Da steht dann zunächst, dass jemand alle Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erfüllt hat, und weiter unten das Gleiche in anderer Formulierung, oft vermengt mit der Verhaltensbeurteilung. Ein Personaler merkt sofort, dass sich da ein Laie selbst beurteilt hat. Das macht das ganze Zeugnis unglaubwürdig.

SZ: Korrigieren Chefs oder Personalabteilungen Zeugnisentwürfe nicht?

Vogel: Zeugnisse auszustellen, ist für viele lästige Pflicht. Zudem fürchten sie Auseinandersetzungen vor dem Arbeitsgericht. Statt kritische Urteile abzugeben, winken sie lieber durch, was die scheidende Führungskraft vorformuliert. Je kleiner das Unternehmen, desto häufiger kommt das vor.

SZ: Welche anderen Fehler bleiben dadurch unverbessert?

Vogel: Häufig fehlt die Gliederung, der Schreiber springt zwischen der Beschreibung seiner Aufgaben und der Beurteilung hin und her. Das sollte sauber getrennt sein. Aus Zeitmangel lesen Personaler oft nur das untere Drittel, in dem sie die Gesamtbeurteilung erwarten. Die gehört an den Schluss, wichtige Projekte dagegen nach oben zur Beschreibung der Aufgaben - am besten aufgelistet mit Spiegelstrichen.

SZ: Welche inhaltlichen Fehler machen Führungskräfte, wenn sie ihr eigenes Zeugnis schreiben?

Zu knapp ist auch nicht besser

Vogel: Sie übertreiben. Wenn ein Abteilungsleiter sich darstellt, als habe er das Unternehmen vor dem Konkurs gerettet, ist das lächerlich. Manche versuchen sich auch in wahren Psychogrammen. Sie schildern in allen Einzelheiten ihr Führungsverhalten - wie sie in einer Situation einfühlsam, in einer anderen druckvoll agiert haben. Die besten Zeugnisse kommen ohne solchen Aufputz aus, sind stattdessen prägnant formuliert.

SZ: Bin ich also mit möglichst knapper Sprache auf der sicheren Seite?

Vogel: Nein. Ein zu knappes Zeugnis wirkt, als habe der Unterzeichner es lustlos formuliert. Das legt nahe, sein Verhältnis zu Ihnen, also dem Beurteilten, sei nicht besonders gut gewesen. Bei ausgewählten Punkten sollte man schon auf die Person eingehen.

SZ: Wie gelingt der Spagat zwischen einem zu blumigen und einem zu nüchternen Zeugnis?

Vogel: Man sollte es mit Blick auf die nächste angestrebte Stelle formulieren. Wer sich etwa als Controller auf eine Position bewirbt, auf der ein kreativer Controlling-Ansatz gefragt ist, sollte nicht alle regelmäßig abzuliefernden Zahlenfriedhöfe auflisten. Er sollte den Schwerpunkt darauf legen, dass er Zahlen kritisch beurteilen kann.

SZ: Ist es bei all den Fallstricken überhaupt ratsam, sein Zeugnis selbst zu schreiben?

Vogel: Nur zum Teil. Fakten über die eigene Arbeit zusammenzutragen, ist selbstverständlich. Die Beurteilung sollte lieber der Chef schreiben. Wer an seinem Entwurf etwas auszusetzen hat, kann meist über die eine oder andere Formulierung noch verhandeln.

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